Imola. Nach dem enttäuschenden Saisonauftakt peilt der viermalige Weltmeister auf der Traditionsstrecke von Imola eine bessere Platzierung an.

Trost spenden, das ist normalerweise nicht das, was im Ego-Rennen der Formel 1 besonders ausgeprägt ist. Unter großen Champions ist das offenbar etwas anderes. Rekordweltmeister Lewis Hamilton hat vor dem Großen Preis der Emilia Romagna zwar mit dem Niederländer Max Verstappen seinen größten Gegner der letzten Jahre, aber das sei nicht zu vergleichen mit den Duellen 2017 und 2018, als Sebastian Vettel ein adäquater Gegenspieler im Ferrari war. Jener Vettel, für den bei Aston Martin alles anders werden sollte, der aber beim Saisonauftakt in Bahrain einen Fehlstart hinlegte. Hamilton schwärmt vom großen Respekt zwischen ihm und dem Heppenheimer. Dieser Trost tut not.

Auch interessant

Der britische Champ und Tabellenführer wollte in Imola gar nicht mehr aufhören mit der Lobpreisung über seinen Vorgänger als Nummer Eins: „Ein unglaublicher Fahrer, aber auch ein großartiger Mann. Das Duell hat uns beiden viel abverlangt, es war eine schwierige Zeit, aber sie brachte uns näher zusammen. Der Respekt, den wir untereinander haben, ist riesig." Ergänzt um einem Seitenhieb auf den aufmüpfigen Verstappen: „Das ist jetzt anders."

Sebastian Vettel kämpft um Wiedergutmachung

Beim zweiten Rennen schon zur Wiedergutmachung antreten zu müssen für Rang 15 und einen selbst verschuldeten Auffahrunfall, so hat sich der 33-Jährige seinen Karriere-Neustart beim Mercedes-Kundenteam nicht vorgestellt. Schon unken Kritiker über einen Rückfall in dunkelrote Ferrari-Zeiten: Das gleiche in Grün? Oder, drastischer ausgedrückt: nahtlos ins Ratlos?

Auch interessant

In neuen Farben und mit alten Problemen, das klingt nach Krise im Kopf. Der vierfache Weltmeister Vettel gehört zu den Fahrern, die sich viele Gedanken machen. Jetzt dürfen es nicht zu viele sein. Es geht darum, die nötige mentale Energie in die richtigen Speicher zu lenken. Dem Frust davonzufahren, das wird nicht ganz so einfach. Am Anfang steht die schonungslose Selbstkritik: „Zum Glück war die Pause von Bahrain zu Imola etwas länger. Ich habe etwas Zeit damit verbracht, meine Leistung zu analysieren. Das war natürlich kein tolles Wochenende. Meine Vorstellung war einfach nicht gut. Die Kritik danach war also berechtigt." Entscheidend für ihn ist aber: „Die Moral und die Motivation im Team sind nach wie vor hoch." Er braucht jetzt schnell einen Ausweg, um vom Leidensweg abzubiegen.

Sebastian Vettel muss sich noch an den Aston Martin gewöhnen

Was ihn plagt, ist noch die Umgewöhnung vom Ferrari auf den Aston. Die Konzepte der Rennwagen unterscheiden sich stark, gleich bleibt allein die Erkenntnis: Vettel kam mit beiden nicht richtig zurecht. Es fehlt bislang an Zeit und Intensität für ein echtes Zwiegespräch zwischen Fahrer und Fahrzeug: „Es gibt noch viele Dinge, die neu für mich sind. Ich versuche natürlich ständig mehr über das Auto zu lernen und besser zu verstehen, wie es gefahren werden will." Jede Runde sei da wichtig. Auch deshalb, damit sich im Kopf nicht immer alles im Kreis dreht. Damit es nicht auf Dauer blöd aussieht, muss er dem jungen Teamkollegen Lance Stroll voraus- und nicht hinterherfahren. Das würde ihm zumindest ein Minimum an Respekt verschaffen. Die Politik der angestrebten kleinen Schritte ist die richtige, die Frage ist nur, wie viel Zeit ihm die Öffentlichkeit gibt. Etwa ein ganzes Übergangsjahr? Das klingt zu idealistisch, und für Geduld ist die Branche nicht unbedingt bekannt. Befreien, so viel ist klar, kann er nur sich selbst.

Auch interessant

Die Arbeit im Simulator, sonst nicht unbedingt seine Lieblingsbeschäftigung, hat in der Rennpause offenbar geholfen. Er ist eigens in die Rennfabrik in Silverstone gereist, um mit den Ingenieuren Lösungen zu finden. Alles Zeichen dafür, dass er es wissen will. Er bezeichnet den Prozess als „Selbst-Tuning", damit er besser in Form komme. Instabilität auf der Hinterachse, das ist das alte neue Problem, es scheint auch die Piloten aus der Balance zu bringen. Zwischenerkenntnis vor Imola, das zum Neu-Start werden soll: „Ich fühle mich jetzt auf jeden Fall besser vorbereitet als noch vor einigen Wochen. Wir haben neue Ideen und einen Plan." Dazu gehören auch ein paar neue Teile am Kunden-Mercedes. Mit der bangen Hoffnung, dass die Richtung stimmt. Nicht beunruhigt, aber etwas lakonisch fügt er an: „Wir müssen einfach das Beste aus dem machen, was wir haben. So ist das Leben manchmal."

Nico Hülkenberg wird Ersatzfahrer

Schon wollen manche aus einem Interviewfetzen bei RTL einen angekündigten Rücktritt zimmern, in Kombination mit der Verpflichtung von Nico Hülkenberg als Ersatzfahrer. Vettel hatte zum Hinterherfahren seine Anspruchshaltung klar gemacht: „In der Hinsicht bin ich selbstkritisch genug, stelle mir auch selbst oft genug die richtigen Fragen. Wenn das nicht mehr der Fall wäre, hätte ich kein Problem damit zu sagen, dass es das war. Nur hier zu bleiben, dass ich ein bisschen rumfahren kann, wäre Zeitverschwendung. Dafür bin ich zu ehrgeizig. Dafür habe ich zu viel erreicht in der Vergangenheit." Es wäre nicht nur ein bisschen, sondern viel zu früh, um aufzugeben. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir den alten Sebastian wiedersehen", sagt Teamchef Otmar Szafnauer über die Perspektive, „Sebastian will sich in erster Linie bei uns noch einmal selbst beweisen." Diese Ideallinie zu finden ist nicht unbedingt leichter geworden.