Manama-Sakhir. Am Sonntag startet Vettel erstmals im Aston Martin in der Formel 1. Der Wagen ist neu, die Ziele des Ex-Weltmeister sind alt.

Die Sätze, die Sebastian Vettel vor dem Start in seine 15. Saison in der Formel 1 sagt, kommen einem bekannt vor: „Es ist, wie es ist", war eine typische Bilanz für ein missglücktes Rennen mit Ferrari. Doch genau diesem Frust will er von diesem Wochenende an davonfahren.

Der immer noch jüngste Weltmeister der Geschichte ist jetzt ein Grüner. Aston Martin seine neue Heimat, vielleicht für drei Jahre und mit dem klaren Ziel, zum fünften Mal in Folge Weltmeister zu werden. Er soll dem Rennstall die nötigen WM-Gene vererben. Kein leichter Job, aber der bestmögliche. Und die Versöhnung mit der eigenen Karriere und dem hohen Anspruch: „Mir ist wichtig für ein Team zu fahren, an das ich glaube."

Vettel hat das Thema Ferrari hinter sich gelassen

Der dritte Frühling bringt rechtzeitig vor dem Saisonstart an diesem Sonntag beim Großen Preis von Bahrain (17 Uhr/Sky) den alten Hunger mit sich, auch der Ehrgeiz hatte bei der Scuderia zuletzt Schrammen abbekommen. Zu schlechtes Klima, noch schlechteres Auto, entschieden zu viel Politik. Leiden will er nicht mehr mit 33, dem besten Rennfahreralter. Er will zurück zum Glauben finden, zu sich. Wenn Auto und Seele in Balance sind, ist der vierfache Champion am besten. Er ist gelassener geworden, kann aber auch stur bleiben. Er schreibt gern Briefe, er setzt sich aber auch eine Photovoltaikanlage aufs abgeschiedene Bauernhaus im Kanton Thurgau. Wohlfühlen im Spannungsbereich zwischen Tradition und Moderne.

In der Hitze von Bahrain: Sebastian Vettel dreht in seinem Aston Martin Trainingsrunden.
In der Hitze von Bahrain: Sebastian Vettel dreht in seinem Aston Martin Trainingsrunden. © Firo

Geblieben ist seine Vorliebe, dem Rennauto Frauennamen zu geben. Seinen AMR 21 nennt der Traditionalist Honey Rider, nach dem ersten Bondgirl. An den Streifen kann er sich nicht mehr so genau erinnern, wohl aber an Sean Connery. Und Ursula Andress, was er gern zugibt. Hinter dem Abenteuer Aston Martin steht natürlich auch die heimliche Vorstellung, von allen gejagt zu werden. Seine Waffen im Auto? Erstmals kann er einen Mercedes-Motor fahren, der Rennwagen hat ohnehin viel vom Dienstwagen seines Kumpels Lewis Hamilton.

2022 will Vettel um den WM-Titel in der Formel 1 mitfahren

Er bittet nur um etwas Geduld. Den verkorksten Test mit dem letzten Platz von allen 20 Piloten will er nicht überbewerten, auch die ersten Trainingssessions gestern nicht. Das ist die Eingewöhnungsphase. Richtig gilt es erst am Samstag (15.30 Uhr/Sky) beim Qualifying zum Großen Preis von Bahrain. Eine erste Standortbestimmung hat er schon: „Ich glaube, dass wir am Wochenende einen vernünftigen Job machen können, wenn wir uns zusammenreißen und das Beste aus dem Paket herausholen. Ich gebe mir gerne die Zeit."

Der Mann jagt dem Aufwärtstrend nach, Teamchef Lawrence Stroll will in drei Jahren Weltmeister sein – so lange soll Vettels Kontrakt zunächst auch laufen. „Wenn ich nicht überzeugt wäre, nochmal triumphieren zu können, hätte ich nicht unterschrieben", sagt der Heppenheimer und fügt trotzig an: „In mir steckt noch ein Weltmeister." Dafür hat ihn Stroll senior geholt: „Seb soll uns beibringen, wie Champions denken und handeln. Ich vertraue ihm hundertprozentig, er ist motivierter als er jemals war." Das gilt auch trotz aktuellem Corona-Alarm im Team.

Vettel und Schumacher: Es gibt sie noch, die Formel D

Vettels dritter Renn-Frühling liegt hierzulande im Trend. Der überhastete Ausstieg von RTL aus dem regelmäßigen Übertragungsgeschäft schien im vergangenen Frühjahr das Ende der Formel D einzuläuten. Doch dann blieb Vettel, kam Mick Schumacher, steuerte Teamchef Andreas Seidl McLaren auf den dritten Rang, übernahm Jost Capito das Traditionsteam Williams, schicken sich Audi oder Porsche an, wieder Motoren zu liefern. Mal ganz abgesehen von Dauersieger Mercedes. In der Königsklasse wird wieder vermehr Deutsch gesprochen, dem Abosender Sky und seiner Programmoffensive kommt das zupass.

Der Lehrer und sein Schüler: Sebastian Vettel und Lance Stroll.
Der Lehrer und sein Schüler: Sebastian Vettel und Lance Stroll. © DPA

Fahrlehrer soll Sebastian Vettel natürlich auch spielen, für seinen kanadischen Teamkollegen Lance Stroll, den Sohn des Aston-Martin-Besitzers. Kein konfliktfreier Job, aber eine Aufgabe, zu der der Hesse eine klare Einstellung hat: „Ich fahre nicht gegen Lance, ich fahre gegen alle im Feld." Platz drei in der Konstrukteurs-WM ist das oberste Ziel in diesem Jahr, regelmäßig in die Punkte zu kommen Pflicht: „Aber warum sollten wir uns damit zufrieden geben, am liebsten würde ich alle Rennen gewinnen." Eine schmunzelnde Interpretation seiner Rolle als Beschleuniger. Seine letzte Chance war auch seine einzige – und ist nicht nur deshalb die bestmögliche. Teamchef Otmar Szafnauer verspricht, „aus Sebastian wieder den alten Vettel zu machen."

Vettels große Triumphe liegen lange zurück

Der letzte seiner 53 Siege datiert vom Herbst 2019, im Vorjahr stand er ein einziges Mal auf dem Podium, Champion war er zum letzten Mal 2013. Nüchterne Fakten zu seinem Comeback-Versuch, die Aufgabe ist ziemlich anspruchsvoll, der Grat zum Scheitern schmal. Aber der einzige Weg für ihn, sich mit seinem geliebten Sport zu versöhnen. Die Zeiten, allein gegen alle zu stehen, sind vorbei. Die Harmonie muss zurückkehren, und damit auch wieder die Leistung. Der Mann befindet sich schließlich im besten Rennfahreralter. Zurück zum Glauben mit seinem Grundsatz: „Ich möchte für etwas kämpfen, für was es sich zu kämpfen lohnt." Mit Bernie Ecclestone hatte er sich zum Wechsel beraten, der Brite sagt jetzt: „Sebastian muss Ferrari einfach vergessen." Hat er wohl auch, die Sammlung italienischer Sportwagen wird aufgelöst. Rot-Grün funktioniert nicht in als Formel-1-Fraktion: Der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel muss eindeutig Farbe bekennen.