München. Nach dem 2:3 gegen Paris geben sich die Bayern fürs Viertelfinal-Rückspiel der Champions League kämpferisch. Doch es gibt Probleme.

Am Donnerstag hatte jene bizarre Statistik noch immer Bestand, die schon am Mittwochabend wie ein Albtraum gewirkt hatte für alle, die es mit dem FC Bayern halten. Doch die unbestechliche Datenlage wies auch mit einer Nacht Abstand 31:6-Torschüsse für die Münchner aus, aber halt ebenso das 2:3 (1:2) gegen Paris Saint-Germain, wodurch der angestrebte Einzug ins Halbfinale der Champions League zu einer Mammutaufgabe wird. Zumal sich die mangelnde Effizienz in der Offensive und die Defizite in der Defensive eher nicht im Handumdrehen bis zum Viertelfinal-Rückspiel am Dienstag in Paris komplett beheben lassen dürften. Erschwerend hinzu kommt für den Titelverteidiger, dass dann weiterhin Weltfußballer Robert Lewandowski (Knie) und Serge Gnabry (Corona) fehlen werden. Zudem sind Leon Goretzka und Niklas Süle fraglich, nachdem sie im Hinspiel in der ersten Halbzeit mit muskulären Problemen ausgeschieden waren.

Die Bayern gaben sich nach dem ersten Wiedersehen mit dem Finalgegner der Vorsaison selbstredend trotzdem kämpferisch. „Die Art und Weise, wie wir Fußball gespielt haben, war beeindruckend“, lobte Hansi Flick nach der ersten Niederlage in der Champions League unter ihm als Chefcoach. Man sei „guter Dinge“ und könne „positiv nach Paris schauen“, sagte er, „wir wollen ins Halbfinale, daran ändert auch dieses Ergebnis nichts.“ Es macht das Vorhaben jedoch sehr kompliziert. Wegen der Auswärtstorregel ist ein Sieg mit zwei Toren Differenz nötig oder ein 4:3, 5:4, 6:5, was nach den jüngsten Eindrücken nicht völlig abwegig erscheint. Dennoch wird es sehr schwierig, sogar dann, wenn es in Paris beim Rückspiel nicht zu einem jener Schneegestöber kommen sollte, die in dieser Saison mit den Enttäuschungen beim Zweitligisten Kiel (Pokal-Aus), gegen Aufsteiger Bielefeld (3:3) und nun gegen PSG einhergingen.

Den Bayern fehlt der Killerinstinkt

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So positiv Flick den Auftritt mit einiger Berechtigung wertete: Zur Wahrheit gehörte, dass es nicht nur an der Chancenverwertung durch die fehlende Konsequenz und Kühle eines Lewandowski gelegen hatte. Sondern auch an den chronischen Defensivlücken, die ja schon häufig zu beobachten gewesen waren, nicht nur im Flockenwirbel gegen Kiel und Bielefeld. „Die Münchner können bei PSG mit zwei Toren Unterschied gewinnen – aber nicht, wenn sie so viele einfache Fehler machen. Was beide Abwehrreihen in diesem Spiel zeigten, war eine Katastrophe, das hatte mit internationaler Klasse nichts zu tun“, bemängelte der frühere Innenverteidiger und Weltmeister von 1990, Jürgen Kohler, in einer kicker-Kolumne. Aber es stimmte schon auch, was Thomas Müller anmerkte. „Wenn wir den Killerinstinkt an den Tag legen, den wir oft sonst zeigen, sähe alles anders aus“, sagte er, „wir haben uns das Ei selbst ins Nest gelegt. Jetzt müssen wir dem Rückstand hinterherlaufen.“ Das galt schon früh im Hinspiel, nachdem PSG die großen Lücken in der Münchner Defensive und zwischen Manuel Neuers Torwart-Beinen zu Kylian Mbappés 0:1 genutzt hatte (3.). Ähnlich unsortiert agierten die Bayern beim 0:2 von Marquinhos (28.). Später traf nach Neymars dritter Torvorlage des Abends erneut Mbappé, diesmal durch Jérôme Boatengs Beine (68.). Zuvor hatten Eric Maxim Choupo-Moting (37.) und Müller (60.) für das 2:2 gesorgt. Viele weitere Chancen blieben ungenutzt, weshalb Müller meinte, niemand hätte sich über ein „5:3 oder 6:3“ beschweren können.

Es fügte sich ins Bild der aufgewühlten Gemengelage unter doppeltem Druck, dass die außersportlichen Themen ähnlich viel Aufmerksamkeit erfuhren wie das Spektakel gegen PSG. Wie Boatengs Abschied am Saisonende. Der 32 Jahre alte Innenverteidiger, den Flick als Stammkraft sehr schätzt und für dessen Verbleib er sich stets eingesetzt hatte, werde „durch das große Tor“ gehen, sagte Hasan Salihamidzic. Auf die Frage, ob er sich für die kommende Saison nach einem neuen Trainer umsehe, wich der Sportvorstand aus. Ebenso wie Flick stets, wenn er zu seiner Zukunft befragt wird. Der 56-Jährige gilt ja weiter als Nachfolgekandidat für Bundestrainer Joachim Löw nach der EM im Sommer, wenngleich Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sein Veto in „The Athletic“ wiederholte, als er in Richtung DFB sagte: „Sie werden ohne Hansi planen müssen.“

Trainer Flick wirkt zunehmend genervt

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Doch die Spannungen rund um Flick werden immer mehr zur Belastungsprobe. Der Trainer wirkt zunehmend genervt. Als er gefragt wurde, wie er es finde, dass Salihamidzic Boatengs Abschied kurz vorm Anpfiff bei Sky bestätigt hatte, sagte Flick: „Alles muss ich nicht beantworten, weil ich es auch nicht möchte. Ich muss da ein bisschen, wie soll ich sagen, schauspielern. Das gehört auch dazu zum Trainerjob.“ Das klang wie: Ich halte lieber den Mund, verhalte mich professionell und mache halbwegs gute Miene zum bösen Spiel. Subtil bestätigt hatte er damit aber den Eindruck, dass die jüngste Aussprache mit Salihamidzic und das verkündete Zusammenraufen nicht nachhaltig waren. Es wäre mittlerweile fast weniger überraschend als ein Halbfinal-Einzug, wenn Flick nach dieser Saison um seine Freigabe aus seinem Vertrag bis 2023 bitten würde. Arena-Besucher Löw hatte es so formuliert, als er in der Halbzeit-Pause zu seinem möglichen Nachfolger befragt worden war: „Das muss er selber entscheiden, ob er das machen möchte.“