München. RB Leipzig hat sich zum Hauptkonkurrenten für den deutschen Rekordmeister entwickelt. Der BVB könnte diese Position unfreiwillig befördern.

Der drohende Abstieg des FC Schalke ist auch beim größten Rivalen Borussia Dortmund oft Thema, und statt Häme klingt Bedauern an, jedenfalls wegen der eigenen Interessen. Das Ruhrpott-Derby würde schon sehr fehlen, sollte sich S04 aus der Bundesliga verabschieden, heißt es immer wieder. Einen zumindest kleinen Ersatz könnten die Vergleiche mit dem anderen großen Rivalen des BVB liefern. Denn wenn der FC Bayern an diesem Samstag (18.30 Uhr/Sky) die Dortmunder zum sogenannten deutschen Klassiker empfängt, stehen bei den Münchnern in Manuel Neuer, Leon Goretzka, Leroy Sané, Eric Maxim Choupo-Moting und Alexander Nübel gleich fünf ehemalige Schalker unter Vertrag, so viele wie bei keinem anderen Bundesligisten. Zählt man Torwarttrainer Toni Tapalovic hinzu, sind es sogar sechs.

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Der gefühlte Derby-Ersatz mit der Patina passt auch insofern gut zum aktuellen Klassiker, weil dieser in der laufenden Saison schon so etwas wie einen Retro-Anstrich hat. Die Reihenfolge hinter dem FC Bayern ändert sich ja gerade, womöglich nachhaltig. Dortmund als jahrelange nationale Nummer zwei ist mit 13 Punkten Rückstand auf die Münchner im Titelkampf längst abgeschlagen und würde selbst bei einem Sieg nach menschlichem Ermessen nicht mehr als Meister in Frage kommen. Stattdessen hat sich RB Leipzig zum neuen Hauptkonkurrenten der Bayern aufgeschwungen und könnte sich als deutsche Nummer zwei etablieren, zumindest sportlich. Der BVB könnte Leipzigs Hausse mit einem Sieg oder auch Remis an diesem Sonnabend unfreiwillig befördern.

Watzke und Hainer werbe für das Gipfeltreffen

Die Verantwortlichen aus München und Dortmund geben sich aber erst einmal alle Mühe, die Werbetrommel für jenes Gipfeltreffen zu rühren, das gerade eigentlich gar keines ist. „Im Clásico knistert es immer“, sagte Borussias Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Bayerns Präsident Herbert Hainer befand: „Es bleibt ein Spitzenspiel.“ Und Trainer Hansi Flick ergänzte am Freitagnachmittag höflich, die Spiele gegen den BVB seien „auch für uns immer etwas Besonderes“, vergleichbar mit der Champions League.

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Allerdings geht es für die Münchner ohne den noch nicht fitten Rechtsverteidiger Benjamin Pavard nach dessen Corona-Infektion nun vor allem um das Fernduell mit Leipzig und darum, den Vorsprung von nur zwei Punkten auf den Tabellenzweiten mit einem Sieg mindestens zu halten. Der abgehängte Tabellenfünfte BVB muss bei drei Punkten Rückstand auf den Vierten Eintracht Frankfurt derweil aufpassen, nicht den Anschluss an jene Plätze zu verlieren, die das Startrecht für die Champions League gewähren. Wirtschaftlich geht es dabei vor allem darum, jene Geldströme zu erschließen, die notwendig sind, um auch national weiterhin zu den besten Adressen zu gehören. Wie Bayern und Leipzig. Flick ließ die neue Ordnung anklingen, als er davon sprach, die Dortmunder seien „mit eine der Topmannschaften in Deutschland“.

Frühere Schalker Spieler in Schlüsselrollen

Begibt man sich auf einen Rundgang durch den Kader des FC Bayern, fällt auf, dass sich in diesem in Schlüsselrollen vor allem frühere Schalker, Dortmunder und Leipziger befinden. Also als Hauptdarsteller die ehemaligen Schalker Neuer und Goretzka sowie mit Abstrichen Sané, der ehemalige Dortmunder Robert Lewandowski und der ehemalige Leipziger Joshua Kimmich. Als derzeit tragende Säulen wurden beim FC Bayern nur Thomas Müller und David Alaba ausgebildet. Die anderen kamen überwiegend, als ihr Verein gerade ein Hauptkonkurrent des FC Bayern war. Also Neuer 2011, nachdem Schalke Pokalsieger geworden war. Robert Lewandowski 2014, nachdem der BVB in der Bundesliga und im Pokal Zweiter geworden war. Goretzka 2018, als Schalke Tabellenzweiter geworden war.

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Für die kommende Saison wurde bereits Innenverteidiger Dayot Upamecano verpflichtet und mit einem Vertrag bis 2026 ausgestattet. Eingeplant ist er als künftige Schlüsselfigur, als „ein sehr wichtiger Baustein für unsere Mannschaft in den kommenden Jahren“, wie Sportvorstand Hasan Salihamidzic unlängst verkündete. Als wahrscheinlichste Variante gilt derzeit, dass der Leipziger Leistungsträger im Sommer vom Tabellenzweiten RB überlaufen wird, für den dieser Transfer einen großen Verlust bedeutet.

Profivertrag für Talent Musiala

Gegen diesen langjährigen Trend, externe Schlüsselfiguren für sich zu gewinnen, gaben die Münchner am Freitag bekannt, sich mit Jamal Musiala, 18, auf seinen ersten Profivertrag bis 2026 verständigt zu haben. „Ich bin sehr zufrieden, dass unser System, talentierte Spieler zu entdecken, sie zu entwickeln und dann in die Profimannschaft zu integrieren, Früchte trägt“, wurde Salihamidzic in der Mitteilung zitiert.

Musiala, der von Bundestrainer Joachim Löw bereits für die WM-Qualifikationsspiele Ende des Monats eingeplant wird, möchte selbstredend „ein wichtiger Spieler des FC Bayern“ werden, mittel- und langfristig womöglich als Ersatz für Müller, 31. Wer will, kann aber auch in der frühzeitigen Verpflichtung des Hochbegabten Musiala eine zeitgemäße Anleihe an Bayerns langjähriger Transferstrategie erkennen. Wie Sané 2020 vom internationalen Konkurrenten Manchester City kam Musiala 2019 vom aufstrebenden internationalen Konkurrenten FC Chelsea.