Neuss. Rückraumspieler Christian Dissinger fehlt Spielpraxis. Trotzdem hoffen die deutschen Handballer in der EM-Qualifikation auf seine Tore.

Christian Dissinger war der deutschen Handball-Nationalmannschaft schon einmal ganz nah und dann doch so fern. Das war Anfang November des vergangenen Jahres, Alfred Gislason stand vor seiner mehrmals verschobenen Premiere als Bundestrainer -  und Christian Dissinger sollte ein Teil davon in den EM-Qualifikationsspielen gegen Bosnien-Herzegowina und Estland sein.

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Dissinger war aus Nordmazedonien nach Deutschland gereist, ins Teamquartier nach Neuss schaffte es der 29-Jährige allerdings nicht. Noch am Flughafen kam der Anruf, in seinem Klub Vardar Skopje gab es neue Corona-Fälle. Dissinger reiste als Vorsichtsmaßnahme zurück, bevor er überhaupt angekommen war.

Nun, Anfang Januar, hat es Christian Dissinger nach Neuss geschafft. Der Rückraumspieler ist wieder Teil der Nationalmannschaft und wird an diesem Mittwoch im EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich (13.45 Uhr/ZDF) auflaufen. Erstmals wieder seit viereinhalb Jahren. Dissinger war Teil des Europameisterteams 2016, wenige Monate später holte er mit Deutschland bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro Bronze.

Unter Bundestrainer Prokrop nicht berücksichtigt

Wenige Monate darauf übernahm Christian Prokop das Bundestraineramt von Dagur Sigurdsson – und Dissinger wurde nicht mehr im Nationaldress gesehen. „Ich hatte die Nationalmannschaft nie abgehakt“, berichtet der gebürtige Ludwigshafener, „ich brauchte nach dem intensiven Jahr 2016 einfach eine Pause“. Die gewährte Prokop ihm dann gleich über mehrere Jahre. Dissinger: „Es kam kein Anruf. Es gab nie Kontakt zu ihm.“

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Prokops Nachfolger Alfred Gislason aber setzt wieder auf Dissinger, der zwischen 2015 und 2018 unter dem Trainerfuchs beim THW Kiel gespielt hatte. Gislason braucht den 2,03 Meter großen Dissinger im Angriff für Tore aus dem linken Rückraum und in der Abwehr als Alternative im Mittelblock, den hautsächlich Johannes Golla (SG Flensburg) und Sebastian Firnhaber (HC Erlangen) bilden werden.

Aber - und daran ist die ganze Misere des Handball-Nationalteams in Pandemiezeiten gut zu erkennen – Dissinger kommt gerade erst nach einer Corona-Infektion aus der Isolation. Fünf Wochen lang durfte er nicht trainieren. „Man merkt, dass er einen Rückstand hat“, sagt Alfred Gislason.

Viele Coronafälle in Dissingers Team Vardar Skopje

Dissinger und die Quarantäne – es ist eine ähnlich endlose Geschichte wie Dissinger und seine vielen Verletzungen. Vor dem WM-Start in Ägypten ab 13. Januar ist Dissinger nun schon eine Art Quarantäne-Weltmeister. Kein anderer deutscher Spieler musste dem Sport so häufig fernbleiben wie er. „Ich war schon fünf- oder sechsmal in Quarantäne“, berichtet Dissinger über die vergangenen Monate bei Vardar Skopje, phasenweise war mehr als die Hälfte der Spieler des mazedonischen Spitzenteams gleichzeitig infiziert.

Kein Wunder also, dass „mir gerade das Gefühl für die kleinen Aktionen im Handball fehlt. Die ersten zwei Trainingseinheiten waren schon ziemlich hart nach der Corona-Pause. Körperlich bin ich zwar fit, aber es fehlen noch ein, zwei entscheidende Millisekunden in den Bewegungen.“

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Sorgen um die WM-Teilnahme macht Dissinger sich trotzdem nicht. An diesem Mittwoch in Graz und am Sonntag in Köln kann er sich in den beiden Partien gegen Österreich beweisen. In diesen ungeliebten Qualifikationsspielen für die EM des kommenden Jahres, die nun als Generalprobe für die WM der Gegenwart herhalten. „Ich muss mich nun schnell Stück für Stück reintasten, meine Rolle finden und mich gut einbringen“, sagt Dissinger. Er ist es längst gewohnt, dieses Auf und Ab im Handball. Die sportlichen Erfolge, die Verletzungen. Dissinger erlitt in seiner Karriere bereits zwei Kreuzbandrisse.

Mit Skopje gewann er 2019 in Köln die Champions League, wenige Monate später machten er und seine Teamkollegen ihrem Frust über monatelang ausgebliebene Gehaltszahlungen Luft. „Aber“, sagt Dissinger, „handballerisch habe ich mich dort weiterentwickelt.“

Dissinger: In Ägypten rechnet keiner mit uns

Ob die derzeitige Situation vor der WM mit damals zu vergleichen ist, als die deutsche Mannschaft 2016 nach zahlreichen verletzungsbedingten Absagen nach Polen gereist und überraschend Europameister geworden war? Dissinger überlegt kurz. „Die anderen Nationen haben auch Probleme, alle haben Corona im Hinterkopf. Aber ja. Damals hat keiner mit uns gerechnet. Wie auch jetzt in Ägypten.“