Hamburg/Stuttgart. Zustimmung hier, Ablehnung da: Ex-Bundestrainer Brand bezieht Stellung zur Handball-WM. Europas Topligen arbeiten an Empfehlung.
Für den Handball geht es um die ganz große Bühne, für die Verbände um Macht und Millionen sowie für die Spieler um nicht weniger als ihre Gesundheit - in der hitzigen Diskussion um die Mega-WM im Januar in Ägypten gehen jetzt Europas Topligen in die Offensive. Ob Stars wie Uwe Gensheimer, Andreas Wolff und Domagoj Duvnjak in Ägypten auftrumpfen dürfen, soll ein gemeinsames Positionspapier klären.
„Natürlich muss irgendwann eine Entscheidung fallen, auch von uns als Liga“, sagte Frank Bohmann, Geschäftsführer der Bundesliga (HBL). Man stehe momentan deshalb „in engem Kontakt mit den anderen europäischen Topligen. Eine gemeinsame Position, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen Spieler abgestellt werden, ist wünschenswert.“ Bis spätestens Ende Dezember „sollte es eine abgestimmte Empfehlung geben, wobei unabhängig von dieser Empfehlung jeder Spieler selbst entscheiden muss, ob er an der WM teilnimmt.“
Brand ist für die WM, stellt aber die Gesundheit der Spieler in den Fokus
Mehrere Spieler hatten sich bereits gegen eine Austragung ausgesprochen. Deutschlands ehemaliger Weltmeister-Trainer Heiner Brand hält dagegen eine pauschale Ablehnung der WM in Ägypten (13. bis 31. Januar) für falsch. „Man sollte versuchen, sie auszurichten“, sagte der 68-Jährige. „Wir müssen nicht über die Bedeutung einer WM für den Handball reden. Sie hat eine herausragende Bedeutung, wir sehen es etwa an den Einschaltquoten im Fernsehen.“ Diese seien - abgesehen vom Fußball - bei so einem Turnier höher als bei jeder anderen Sportart. Gleichwohl sagt Brand auch: "Man muss schauen, wie sich die Dinge entwickeln. Die Gesundheit aller Beteiligten ist ganz sicher das höchste Gut.“
Der Vorstoß der Ligen zu einer ausführlichen gemeinsamen Risikobewertung kommt inmitten eine Zeit kontrovers geführter Debatten unter Klubs, Verbänden und Spielern. Nach Patrick Wiencek, Hendrik Pekeler, Duvnjak (alle THW Kiel) und Aron Palmarsson (FC Barcelona) äußerte nun auch der Kieler Steffen Weinhold öffentlich Zweifel. Angesichts der momentanen Vorgaben der Regierungen und der weltweiten Infektionslage habe er noch nicht entschieden, „ob ich mit zur WM fahren würde“, sagte er den Kieler Nachrichten (Dienstagausgabe).
Deutscher Handball-Bund rechnet mit 3 Millionen Euro an TV- und Sponsorengeldern
„Wir nehmen die Sorgen und Ängste von Spielern und Klubs deutlich wahr, sehen aber auch die Notwendigkeiten und Wünsche der nationalen und internationalen Verbände“, sagte Bohmann. So geht es bei dem Turnier im Januar neben dem enormen Prestige für die Sportart auch um eine Menge Geld: Allein der DHB darf bei der WM mit rund 3 Millionen Euro an TV- und Sponsoringeinnahmen rechnen.
Johannes Bitter sieht die Schwierigkeiten der aktuellen Gemengelage, der 2007-Weltmeister und Vorsitzende der Spielergewerkschaft GOAL hat großes Verständnis für die Skepsis unter den Profis. „Es ist schwierig, die Privatperson und den Sportler zu trennen“, sagte Bitter, der eine WM-Austragung „Stand jetzt“ befürwortet, in einem Sportschau-Interview: „Wir müssen unsere Familien schützen, haben aber auch eine Verantwortung unserem Sport und den Verbänden gegenüber. Wir wissen manchmal selber weder ein noch aus, eine Entscheidung in die eine der andere Richtung kann fatale Folgen haben.“
Bis zum Abschluss der Meinungsbildung werde es noch einige Tage dauern, sagte Bitter. Der Punkt für eine „knallharte Entscheidung“ sei aus seiner Sicht nicht oder noch nicht gekommen.
HBL-Boss hat ein offenes Ohr für die Spielersorgen
Bei Bohmann stoßen die Worte von Bitter auf offene Ohren. Der Bundesliga-Boss wirbt dafür, „nun erst einmal die Schärfe aus den Diskussionen zu nehmen. Bis zur WM sind es noch knapp zwei Monate, da kann gerade in einer hoch dynamischen Situation, wie wir sie zurzeit erleben, noch einiges passieren.“ Deshalb sieht er „keine Dringlichkeit, das jetzt zu entscheiden. Wir sollten die Pandemie-Entwicklung in den teilnehmenden Ländern und in Ägypten weiter beobachten“, so Bohmann und verwies auf die Empfehlung der Klubs im Dezember.
Eine Empfehlung, die richtungsweisend sein dürfte. (dpa/sid)