Leipzig. Nach dem 3:1-Sieg gegen die Ukraine reicht der DFB-Auswahl am Dienstag in Spanien ein Remis zum Gruppensieg. Die Voraussetzungen scheinen gut.

Deutschlands Nationalspieler waren gerade vom Rasen der Red Bull Arena verschwunden, als am späten Sonnabend doch noch echte Festtagsstimmung aufkommen sollte. Die Stadionregie hatte sich nach dem ordentlichen 3:1-Sieg der DFB-Auswahl gegen die Ukraine nicht lumpen lassen und ließ 40 Tage vor dem Heiligen Abend aus den Boxen „All I want for Christmas“ einspielen. Und während Bundestrainer Joachim Löw von Interview zu Interview eilte, um die Gruppenführung in der Nations League einzuordnen, dürfte sich eine als Lichtgestalt des deutschen Fußballs bekannt gewordener Vorgänger im heimischen Wohnzimmer vor allem eines gedacht haben: „Ja, ist denn heut‘ schon Weihnachten?“

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Selbstverständlich wusste auch Löw, dass es bis zur Bescherung noch eine ganze Weile hin ist. Einen persönlichen Wunschzettel wollte der Fußballlehrer kurz vor Mitternacht dann aber doch noch der Fußballnation übermitteln. „Unser Anspruch ist es“, sagte also Löw nach zwei Siegen aus zwei Spielen in Leipzig, „nun nach Spanien zu reisen und zu gewinnen.“

In Spanien geht es um den Gruppensieg

Oh, du Fröhliche! Tatsächlich war am Ende der Dienstreise nach Leipzig, die mit „dunklen Wolken“ (Oliver Bierhoff) und einer „merkwürdigen Stimmung“ (Löw) begonnen hatte, die Laune rund um das DFB-Team so prächtig wie schon lange nicht mehr. 1:0 hatte Deutschland am Mittwoch gegen Tschechien gewonnen und 3:1 nach 0:1-Rückstand am Sonnabend gegen die Ukraine. Doch damit nicht genug: Weil sich auch die Schweiz an der Bescherung beteiligen wollte und Spanien ein 1:1 abtrotzte, darf el Mannschaft nun als Tabellenführer nach Sevilla reisen und würde bereits mit einem Unentschieden die Gruppenphase der Nations League als Sieger beenden.

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Und die Voraussetzungen scheinen gar nicht mal schlecht. Nachdem Löws zweiter Anzug gegen Tschechien noch hier und da gezwickt und gezwackt hatte, wusste die erste Garnitur am Sonnabend gegen die Ukraine durchaus zu gefallen. Besonders die zuvor geschonten Bajuwaren (Manuel Neuer, Niklas Süle, Leon Goretzka, Leroy Sané und Serge Gnabry) verdeutlichten einmal mehr, dass diese Nationalmannschaft ohne den Bayernblock nur die Hälfte wert ist.

Leon Goretzka sticht als Mittelfeldchef heraus

Mehr als eindrucksvoll wurde diese These am Sonnabend durch Goretzka unter Beweis gestellt. Der Mittelfeldchef war an nahezu allen gelungenen Aktionen gegen die Ukraine maßgeblich beteiligt. Keiner schoss so oft auf das Tor wie er (fünfmal). Vor dem Treffer zum 1:1 gewann er den Ball in der eigenen Hälfte, trieb ihn über den ganzen Platz und bediente mustergültig Leroy Sané (23.). Und vor dem 2:1 ließ er noch die Kirsche auf Sané folgen (33.). Seine artistische Ballannahme mit anschließender Volleyflanke auf den zweifachen Torschützen Timo Werner hätte eine Schleife verdient gehabt.

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„Das war ein Super-Spiel von Leon“, lobte später auch Löw. „Er war extrem aktiv, hat viele Wege gemacht. Er hat unser Spiel nach vorne hin angetrieben. Er war im ganzen Spiel präsent.“ Sein Schlusswort zu Goretzka mit doppeltem „sehr“: „Leon ist wirklich in einer sehr, sehr guten Form.“

Am Dienstag in Sevilla wird es spannend zu sehen sein, wie dieser „sehr, sehr“-Goretzka im zentralen Mittelfeld mit Rückkehrer Toni Kroos und Ilkay Gündogan harmonieren wird. Allen dreien gab Löw bereits im Anschluss an die Partie gegen die Ukraine eine Einsatzgarantie.

Robin Koch mit Entwicklungsschub bei Leeds United

Wer nun aber dachte, dass damit das Experiment mit Robin Koch, der in Leipzig ziemlich gekonnt zwischen den Abwehr- und Mittelfeldwelten wandelte, beendet sein dürfte, den belehrte Löw kurz vor der Geisterstunde eines Besseren. Der Bundestrainer erinnerte daran, dass gegen Spanien Innenverteidiger Antonio Rüdiger gelbgesperrt ausfallen würde, und dass dieser Koch mehr und mehr zum Chef-Koch mutiere. „Vom Robin bin ich wirklich sehr angetan“, sagte Löw, und präzisierte: „Man kann sogar sagen: ich bin von ihm begeistert.“ Der frühere Freiburger habe nach seinem Wechsel zu Leeds United einen erstaunlichen Entwicklungsschub gemacht. Sein Fazit: „Er ist jetzt ein wichtiger Spieler in unserem Kader.“

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Dieser wichtige Spieler stand nahezu zeitgleich im Bauch der Red Bull Arena, frischgeduscht, die nicht mehr blondierten Haare zum Seitenscheitel frisiert, und erklärte, warum er gegen die Ukraine im Mittelfeld statt in der Abwehr auflief („Ich sollte in der Mitte für Stabilität sorgen“), und warum er mit einem guten Gefühl an diesem Montagmorgen um 9.30 Uhr den Charterflieger nach Sevilla besteigt („Wir sind gut vorbereitet“).

Ob und wie gut genau el Mannschaft von Jogi Löw auf das Spitzen- und Endspiel der Gruppenphase der Nations League tatsächlich vorbereitet ist, wird man am Dienstagabend (20.45 Uhr/ZDF) überprüfen können. Doch schon jetzt darf man feststellen, dass die in den vergangenen Monaten vielkritisierte Mannschaft sehr viel souveräner durch diese Gruppenphase der Nations League durchgekommen ist als die einst so gefürchteten Spanier. Zumindest bislang.

Franzosen überzeugen gegen Portugal

Noch souveräner als die deutsche Mannschaft ist vor dem letzten Spieltag der oft belächelten Nations League bislang nur Weltmeister Frankreich aufgetreten, das am Sonnabend 1:0 in Portugal gewinnen konnte. Zur Erinnerung: Bei der EM im kommenden Sommer trifft Deutschland im ersten Spiel direkt auf La France, im zweiten dann auf die Sele ção Portugals.

Doch vor diesen Fußball-Leckerbissen der Zukunft stehen zunächst ja noch zwei echte Feiertage an: Am Dienstag das Spiel gegen Spanien. Und in fünfeinhalb Wochen das Weihnachtsfest.​