Barcelona. Der FC Barcelona lebte jahrelang am Rande seiner Verhältnisse. Nun droht der Konkurs. Aktuell sprechen Anwälte - auch über Lionel Messi.

Ob der FC Barcelona an diesem Mittwochabend sein Champions-League-Spiel gegen Dynamo Kiew bestreiten kann, wird bis zuletzt fraglich sein. Thema Covid, natürlich: Die Ukrainer konnten wegen neun Fällen im Team nur mit 13 Profis von ihrer A-Meldeliste nach Katalonien reisen, dem erforderlichen Minimum. Jeder weitere Positivtest müsste laut Uefa-Protokoll für eine Verschiebung der für 21 Uhr (DAZN) angesetzten Partie sorgen.

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Barças aktuell wichtigste Partie wird sowieso am Verhandlungstisch gespielt. Sie geht bis Donnerstag, dann endet die Frist für ein Schlichtungsverfahren zwischen Klub und Angestellten bezüglich dringend nötiger Gehaltskürzungen. 190 Millionen Euro will man allein bei der ersten Mannschaft einsparen. Die Profis haben jedoch ihre Anwälte eingeschaltet. So schwierig sind die Gespräche, dass Barça mittlerweile externe Personaler beauftragte.

Der Klub bietet eine Art Stundung über Vertragsverlängerungen an: Was momentan nicht bezahlt werden kann, gibt es später. So wurde es etwa mit Torwart Marc-André ter Stegen (jetzt bis 2025 gebunden) schon individuell vereinbart. Das Muster lässt sich aber nicht auf abwanderungswillige Spieler wie allen voran Superstar Lionel Messi übertragen, dessen Kontrakt im Sommer ausläuft – und der zugleich mit jährlich rund 100 Millionen Euro Bruttokosten so teuer zu Buche steht wie kein anderer Posten.

Barcelona liegt mit 300 Millionen Euro im Minus

„Wir hoffen, dass alle auf der Höhe der Situation agieren“, sagte Carles Tusquets nun im Hinblick auf den Zielsprint bei den Verhandlungen. Der 69 Jahre alte Ökonom steht einer Übergangskommission vor, die nach dem Rücktritt des erratischen Präsidenten Josep Bartomeu eingesetzt wurde und den Klub bis zu Neuwahlen leiten wird. Tusquets dementierte Nachrichten, wonach Barça im Falle einer ausbleibenden Einigung im Januar vor dem Konkurs stünde, nannte die Lage aber „komplex und unbequem“. Der Verein brauche 300 Millionen Euro, um die Konten auszugleichen: So hoch seien die Einnahmeverluste für diese Saison. Für die abgelaufene Spielzeit hatte man bereits ein Minus von 97 Millionen vermelden müssen.

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Grund der Malaise ist zuvorderst, aber nicht ausschließlich die Pandemie. Wie der astronomische Messi-Vertrag verrät, hat Barça unter Bartomeu am Rande seiner Verhältnisse gelebt. Schon vor Corona erzielte es bei einem Rekordumsatz von 990 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2018/2019 gerade mal vier Millionen Gewinn. Tusquets: „Wir haben die höchsten Lohnausgaben in Europa. Sie belaufen sich auf etwa 70 Prozent des Etats.“

Doch auch der sportliche „Return on Investment“ hält sich in Grenzen. Seit 2015 gewann Barça nicht mehr die Champions League und erreichte nur einmal das Halbfinale. Eine Serie von Demütigungen kulminierte im 2:8 gegen Bayern München, und auch wenn unter dem neuen Trainer Ronald Koeman spielerische Fortschritte festzustellen sind, schlagen sich diese noch nicht in den Ergebnissen nieder. In der Champions League ist man mit zwei Siegen, darunter ein überzeugendes 2:0 bei Juventus Turin, im Soll. In der spanischen Liga holte man zuletzt jedoch nur zwei Punkte aus vier Spielen. „Das ist nicht akzeptabel“, findet Koeman selbst.

Nur Ansu Fati macht Hoffnung

Barças Problem sind die Tore. Einzig verlässlicher Goalgetter ist ein seit Samstag 18-Jähriger: Ansu Fati hat in 477 Minuten fünfmal getroffen. Für dessen Beförderung zur Stammkraft wird Koeman applaudiert. Weniger beeindruckt die Kritiker sein Handling von Superstar Messi. Der 33-Jährige bleibt als einziger Angreifer von Rotationen ausgeschlossen – obwohl ihm eine Pause helfen könnte. Der sechsmalige Weltfußballer schlingert in der Entscheidungsfindung und ist unpräzise im Abschluss. In den vergangenen fünf Ligaspielen gelangen ihm weder Tor noch Torvorlage. Das gab es bei ihm seit 2007 nicht mehr.

Der Trainer versuchte gestern den Eindruck zu zerstreuen, er traue sich an Messis Privilegien nicht heran. „Ich habe keine Probleme mit ihm“, antwortete er auf eine jüngste Bemerkung seines Vorgängers Quique Setién, der Messi als „schwierig zu managen“ charakterisiert hatte. Insgesamt bat Koeman um „Ruhe und Geduld“, eventuelle Debatten um ihn mag er nicht überbewerten: „Meine Zukunft ist nicht das Wichtigste“, so der Niederländer. Er weiß ja auch: Barça hat andere Probleme.