München. Nach Anlaufproblemen ist der Franzose nun wichtig im Bayern-Team. An diesem Mittwoch trifft er auf seinen Ex-Klub Atlético Madrid.
Lucas Hernández setzte sich zufrieden auf die Bank, die lange Zeit sein Stammplatz war, inzwischen aber nur seiner kurzzeitigen Erholung dient. Und als er dort am vergangenen Sonnabend beim 4:1-Sieg des FC Bayern in Bielefeld in der 90. Minute Platz nahm, wurde auch die neue Wertschätzung für den französischen Weltmeister von 2018 sichtbar. Teammanagerin Kathleen Krüger achtete sofort darauf, dass der verschwitzte Hernández gut zugedeckt ist, um sich in der frischen Herbstluft nicht zu verkühlen. Er lächelte. Krügers Fürsorge wirkte wie ein Signal: Wir brauchen dich, sehr wahrscheinlich schon an diesem Mittwoch wieder, wenn für den Titelverteidiger FC Bayern ohne den noch nicht ganz fitten Leroy Sané in der Champions League der Auftakt gegen Atlético Madrid ansteht, aller Voraussicht nach der Hauptkonkurrent um den Gruppensieg. Am Dienstagabend teilten die Münchner zudem mit, dass Serge Gnabry als erster Bayern-Profi positiv auf Corona getestet worden sei. Der Flügelspieler befinde sich in häuslicher Quarantäne, ihm gehe es gut.
Für sportliche Schlagzeilen soll derweil Hernández sorgen. „Lucas hat in den Spielen sehr stabile Leistungen gebracht. Er ist auf einem sehr, sehr guten Level im Moment und tut uns gut aufgrund seiner Aggressivität“, sagte Trainer Hansi Flick und betonte am Dienstag, dass er „sehr zufrieden“ mit ihm sei. Schon Anfang Oktober hatte Flick die „Härte“ in den Zweikämpfen, die vielen Balleroberungen und die zunehmende Sicherheit in den Aktionen des „absoluten Fighters“ hervorgehoben und gesagt: „Er hat die letzten Wochen sehr gut trainiert und gespielt. Ich finde, dass er angekommen ist bei uns.“
Hernández ist der teuerste Einkauf der Bundesliga-Geschichte
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Es ist ein neues Gefühl für Hernández, wichtig zu sein im Münchner Ensemble. Erwartet worden war das schon in der vergangenen Saison, auch von Hernández, nachdem er im Sommer 2019 als mit Abstand teuerster Einkauf der Bundesliga-Geschichte von Atlético Madrid zum FC Bayern übergelaufen war. Bereits Ende März 2019 hatten die Münchner seine Verpflichtung für 80 Millionen Euro Ablöse bekanntgegeben und ihn mit einem Fünfjahresvertrag bis 2024 ausgestattet. Um seine Integration zu beschleunigen, veranlassten sie zudem umgehend eine Operation am verletzten Innenband des rechten Knies in Innsbruck und die anschließende Reha in München, gut drei Monate vor Beginn seines Vertrages.
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Doch alle Bemühungen, ihn bestmöglich auf seine neue Aufgabe vorzubereiten und einzubinden in seiner neuen Mannschaft, schienen ins Leere zu laufen. Das lag auch an weiteren Blessuren. Einer Knieprellung folgte bald danach im Herbst 2019 eine weitere Operation wegen eines Innenbandrisses im Sprunggelenk. Erst im Februar stand er wieder zur Verfügung, ehe ihn eine Sehnenreizung im März erneut zurückwarf. „Es war ein sehr kompliziertes Jahr“, sagte Hernández am Dienstag und berichtete davon, dass ihm die Familie und Freude in der komplett neuen Umgebung gefehlt hätten und er viel nachgedacht habe.
Alphonso Davies lief Hernández den Rang ab
Auch, weil ihm das Talent Alphonso Davies den Rang abgelaufen hatte als Linksverteidiger. Der 19 Jahre alte Kanadier begeisterte mit seinem enormen Tempo und seiner frechen Spielweise ganz Europa. Im vergangenen August krönte der Shootingstar seine phänomenale Saison, als er beim Finalturnier der Champions League in Lissabon die halbe Mannschaft des FC Barcelona schwindelig dribbelte, angefangen bei Lionel Messi. Dem 24 Jahre alten Hernández blieb nur die Rolle des Ergänzungsspielers. Auch auf seiner bevorzugten Position des Innenverteidigers, auf der David Alaba zum Abwehrchef aufgestiegen war.
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Hernández schien an seiner Entscheidung, zum FC Bayern gewechselt zu sein, zu zweifeln. „Es wird von dieser Saison abhängen. Sollte es weiterhin so kompliziert sein, werde ich sehen“, sagte Hernández noch im September. Doch jetzt, rund anderthalb Jahre nach seiner Ankunft in München, scheint die Zeit der Rendite begonnen zu haben, passenderweise vorm Spiel gegen seinen langjährigen Verein.
Er darf sich nun als Stammkraft beim FC Bayern fühlen
Für diesen Eindruck stand auch, dass es in Bielefeld Davies war, der die meiste Zeit von der Bank aus zugeschaut hatte und erst kurz vor dem Abpfiff für Hernández eingewechselt worden war. Dieser hatte bei der Arminia die meisten Flanken geschlagen, die meisten Pässe in der gegnerischen Hälfte gespielt und die drittmeisten Ballkontakte gehabt. Und im Gegensatz zur Vorsaison, als Hernández in gerade einmal 25 von 52 Spielen zum Einsatz gekommen war und nur zwölf Mal von Beginn an, darf er sich nun als Stammkraft fühlen. In fünf der bisher sieben Saisonpartien stand er in der Startelf und spielte meist durch. Nur im Pokal gegen Düren fehlte er wegen seiner Länderspiele kurz zuvor sowie bei der 1:4-Niederlage in Hoffenheim. „Ich möchte das zeigen, was ich kann“, sagte Hernández am Dienstag. Das große Vertrauen, also die Rekordablöse, wolle er rechtfertigen.
Es ist ein Rollentausch mit Davies, auch wegen dessen Delle nach dem bemerkenswerten Aufstieg. „Dass er vielleicht ein bisschen ein Tief hatte, ist bei einem jungen Spieler nach so einer überragenden Saison normal“, sagte Flick. Wichtig sei, ihn nun zu unterstützen, damit er seine Stärken wieder einbringen könne. „Dafür muss er eine gewisse Fitness haben und natürlich auch eine mentale Frische.“ Über beides verfügt nun Hernández.