Köln. Nach dem 3:3 gegen die Türkei hat Bundestrainer Joachim Löw eine Mängelliste erstellt. Seine Vorgesetzten beim DFB erhöhen den Druck.
Es fehlte nur noch, dass aus den Lautsprecherboxen im Kölner Stadion „I got you, babe“ von Sonny and Cher geplärrt wäre. Aber auch so musste sich Bundestrainer Joachim Löw nach dem 3:3 (1:0) im Testspiel gegen die Türkei fühlen wie im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Wie der Hauptsteller, der immer wieder durch dieses Lied geweckt wird und dann immer wieder denselben Tag erlebt.
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Löws Murmeltiertag sieht so aus: Seine Mannschaft geht in Führung, sie verpasst Chancen auf die Vorentscheidung, und sie kassiert dann noch den Ausgleich, gerne in der letzten Minute. So war es gegen Spanien (1:1), so war es gegen die Schweiz (1:1) und so war es nun auch im Testspiel gegen die Türkei, die Führungstreffer von Julian Draxler (45.+1), Florian Neuhaus (58.) und Luca Waldschmidt (81.) wurden jeweils egalisiert durch Ozan Tufan (50.), Efecan Karaca (67.) und Kenan Karaman (90.+4).
DFB-Team lässt in allen Bereichen zu wünschen übrig
„Ich bin enttäuscht und angefressen“, gab ein angemessen grimmig dreinblickender Löw nach dem Spiel zu Protokoll und erstellte gleich eine variable Mängelliste: Spielkontrolle, Chancenverwertung, Organisation, Ballverluste, defensive Ordnung, Mentalität – in allen Bereichen hatte die Mannschaft einiges zu wünschen übrig gelassen gegen einen alles andere als übermächtigen Gegner.
Natürlich, auch die DFB-Auswahl war ein bunt durchmischter Haufen ohne 13 verletzte oder geschonte Spieler. Doch das wollte nicht einmal der sonst so nachsichtige Bundestrainer als Entschuldigung gelten lassen. „Das Problem besteht schon seit längerer Zeit“, sagte er. „Das ist mit den anderen Spielern auch schon passiert.“
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Die deutsche Nationalmannschaft hat das Gewinnen verlernt, sie kann keine Vorsprünge über die Zeit bringen, weil es ihr an Ruhe und an Effizienz in den Aktionen mangelt – das ist die bisherige Lehre aus dem Länderspieljahr 2020. Und deswegen will Löw nun, da er endlich alle Spieler wieder beisammen hat, auch gründlich in die Aufarbeitung gehen.
DFB-Auswahl reist mit mulmigen Gefühlen nach Kiew
Viel Zeit ist nicht vor den Nations-League-Spielen in der Ukraine am Samstag und gegen die Schweiz in Köln am Dienstag (beide 20.45 Uhr/ARD). Gerade der Trip nach Kiew wird von mulmigen Gefühlen begleitet. Die Ukraine ist Corona-Risikogebiet, weshalb Linksverteidiger Robin Gosens am Freitag „mit großem Respekt“ in den Charterflieger steigen wird. Wohl niemand aus dem DFB-Tross weiß besser als er, wie verheerend dieses Virus wüten kann – Bergamo, wo Gosens spielt, war eine der am härtesten betroffenen Regionen Europas.
„Das war eine der schlimmsten Erfahrungen, die ich bisher miterleben musste, das hat mich tief erschüttert“, erzählt er. Zwar fühle er sich in der DFB-Blase mit minimalem Kontakt zur Außenwelt ziemlich sicher. „Aber natürlich ist dieser unsichtbare Gegner immer irgendwie präsent und immer da.“ Und er macht auch vor dem Fußball nicht halt: Mehrere ukrainische Nationalspieler wurden zuletzt positiv getestet, gleich drei Torhüter waren betroffen – so dass im Testspiel gegen Frankreich (1:7) der 45-jährige Assistenztrainer Alexander Schowkowski als zweiter Torhüter auf der Bank saß und dies wohl auch gegen Deutschland tun wird.
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Werner und Kroos in der Ukraine dabei
Zudem sind mehrere Leistungsträger verletzt, weshalb alles andere als ein klarer Sieg für die DFB-Auswahl eine Enttäuschung wäre. Denn Löw kann wieder auf die gegen die Türkei geschonten Spieler des FC Bayern und von RB Leipzig zurückgreifen, auch die zuletzt angeschlagenen Timo Werner (Infekt) und Toni Kroos (Muskelprobleme) sind dabei. Dafür wurden Nico Schulz, Mahmoud Dahoud, Nadiem Amiri, Niklas Stark und Benjamin Henrichs aussortiert.
Mit dieser abermals neu formierten Mannschaft muss es dann gelingen, den negativen Trend bei Ergebnissen und Stimmung wieder zu drehen. Löws Vorgesetzte Oliver Bierhoff und Fritz Keller haben den Druck erhöht, fordern endlich den ersten Sieg in der Nations League. Denn ein Abstieg aus der A-Liga wäre verheerend; sportlich, finanziell und für das Ansehen.
Abwärtstrend bei der TV-Quote
Darum ist es ohnehin nicht mehr zum Besten bestellt, nicht nur wegen der vielen Affären rund um den DFB. Am Mittwoch gegen die Türkei sahen im Schnitt gerade einmal 5,82 Millionen Fans am Fernseher zu. Damit war das Spiel immer noch die meistgesehene Sendung des Tages, die 21,6 Prozent Marktanteil aber waren der niedrigste Wert in der über 14-jährigen Ära Löw. Schon gegen Spanien und die Schweiz hatte es einen Abwärtstrend gegeben – die Nationalmannschaft droht ihren Status als letztes Lagerfeuer, um das sich die Nation versammelt, zu verlieren.
Auch dieser Abstieg wird sich nur über guten, mitreißenden und erfolgreichen Fußball verhindern lassen.