Köln. Bundestrainer Löw versammelt die deutsche Nationalmannschaft in Köln. Mit einem XXL-Kader stehen drei Spiele an - auch im Risikogebiet.

Joachim Löw lächelte. Zumindest sprach vieles dafür, der sichtbare Teil seines Gesichts rund um die Augen deutete entsprechende Bewegungen an. Mund und Nase allerdings waren vorschriftsmäßig von einer dunkelblauen Maske bedeckt. Dennoch war gut zu hören, wie der Bundestrainer die wartenden Journalisten freundlich grüßte, bevor er schnellen Schrittes im Hyatt-Hotel am Kölner Rheinufer verschwand.

Die gute Laune passte nicht so recht zum rheinischen Nieselregen. Und sie stand in scharfem Kontrast zu all den Widrigkeiten, denen sich Löw in den nächsten Tagen gegenüber sieht. Der 60-Jährige muss mit der Nationalmannschaft drei Spiele in sieben Tagen bestreiten: erst am Mittwoch in Köln das Freundschaftsspiel gegen die Türkei (20.45 Uhr/RTL), dann die Nations-League-Partien am Samstag in der Ukraine und am Dienstag wieder in Köln gegen die Schweiz (beide 20.45 Uhr/ARD). Das enge Programm, gepaart mit einigen Personalsorgen, wäre schon in normalen Zeiten eine Herausforderung. In Zeiten der Corona-Pandemie ist es das erst recht.

Bierhoff hofft auf Zuschauer

Denn die Ukraine ist Risikogebiet. Auch zwei Nationalspieler wurden gerade erst positiv getestet, vier weitere sind in Quarantäne. Und Probleme gibt es auch in Köln, die Sieben-Tage-Inzidenz lag am Montag bei 38,8 pro 100.000 Einwohner und damit über dem Grenzwert von 35. „Meine Hoffnung ist nicht so groß, dass wir vor Zuschauern spielen können“, meint Nationalmannschafts-Direktor Oliver Bierhoff.

Zurzeit glichen alle Planungen „einem Flug auf Sichtweite“, sagt Bierhoff. In Madrid etwa, wo es im November hingehen soll, schießen die Zahlen derart rasant nach oben, dass die Behörden die spanische Hauptstadt erst einmal abriegeln – und niemand weiß, was das für das Länderspiel im November bedeutet.

Glaube an Hygienekonzept

Sehr vieles ändert sich sehr rasant in diesen Zeiten, und so konzentriert man sich beim DFB auf das, was man selbst beeinflussen kann. Das eigene Hygienekonzept zum Beispiel. In Köln hat sich der Verband seine eigene kleine Blase zwischen Hotel, Trainingsplatz und Stadion errichtet, ind er sich die Spieler ausschließlich bewegen. Im Hyatt-Hotel sind zwei komplette Etagen belegt, um Kontakt zu anderen Hotelgästen zu vermeiden. Am Sonntag wurden die Betreuer auf Sars-CoV2getestet, bis Montagmittag die Spieler. Bis ein negatives Testergebnis vorlag, mussten sie auf den Zimmern bleiben – erst dann ging es zum Training. Der Trip in die Ukraine wird möglichst kurz gehalten: Hinflug am Freitag, Spiel am Samstag, Rückreise am Sonntagmorgen.

Auch in der Ukraine gelten die Hygieneregeln der Uefa. „Und ich gehe davon aus, dass die Vorgaben dort auch eingehalten werden“, sagt Bierhoff. Die positiven Tests beim Gegner sieht er eher als gutes Zeichen: „Die Ukraine bereitet sich gerade in Frankreich auf das Spiel vor, die betroffenen Spieler sind nicht mitgereist. Das zeigt, dass das Hygienekonzept auch dort greift.“

Türkei-Spiel kommt ungelegen

Bleiben die sportlichen Probleme. Bundestrainer Löw hat ja schon mehrfach klargemacht, dass er das Testspiel gegen die Türkei nicht gebrauchen kann, lieber würde er mit seiner Mannschaft im Umbruch trainieren. Aber die Europäische Fußball-Union Uefa legt eben die Termine fest, die Übertragungsrechte sind längst verkauft, Sponsorenleistungen gebucht – und so wird eben gespielt. Für den DFB geht es immerhin um einen zweistelligen Millionenbetrag.

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Löw hat auf die besonderen Umstände reagiert, indem er gleich 29 Spieler nominiert hat. Der Schalker Suat Serdar allerdings sagte verletzt ab, Timo Werner vom FC Chelsea ist wegen einer Erkältung noch nicht angereist. Leroy Sané, Ilkay Gündogan, Thilo Kehrer und Marc-Andre ter Stegen fehlen ohnehin. Auch so aber bleibt es ein XXL-Kader – oder eher anderthalb bis zwei Kader. Denn einige Spieler wie die Neulinge Mahmoud Dahoud und Jonas Hofmann sind ja explizit für das Testspiel gegen die Türkei dabei. Andere wie die zuletzt stark belasteten Profis des FC Bayern und von RB Leipzig sowie der angeschlagene Toni Kroos reisen erst am Dienstagabend an und sind für das Spiel am Mittwoch gar keine Option.

„Punkten, punkten, punkten“

„Gegen die Türkei haben wir die Möglichkeit, personell und taktisch gewisse Dinge auszuprobieren“, kündigt Assistenztrainer Marcus Sorg an. Zuletzt hatte das Trainerteam ja auch die Nations League als Experimentierlabor genutzt, weshalb nach zwei Spielen nur zwei Punkte stehen. Zu wenig, finden Löws Vorgesetzte: „Jetzt gibt‘s nur einen Weg: punkten und punkten!“, sagt DFB-Präsident Fritz Keller. „Wir können es uns nicht leisten, abzusteigen.“

Und auch Bierhoff erhöht den Druck: Natürlich habe es der Bundestrainer schwer, natürlich sei wenig Zeit zum Training. „Aber das ist keine Entschuldigung, damit müssen alle umgehen“, erklärt Bierhoff. „Es ist jetzt die Herausforderung für die Trainer, in kürzester Zeit eine Mannschaft auf den Platz zu bringen, die guten, leidenschaftlichen und erfolgreichen Fußball spielt.“

Allen Sorgen und Widrigkeiten zum Trotz.