New York. Der Warsteiner Jan-Lennard Struff trifft bei den US Open am Freitag auf Top-Star Novak Djokovic. Die Zeit der Zurückhaltung ist vorbei.
Jan-Lennard Struff braucht nicht lange, um die Angelegenheiten in der Tenniswelt zu erklären. Auch, was Novak Djokovic angeht, den Besten der Welt, hat der 30 Jahre alte Warsteiner eine kurze Analyse parat: „Ein irre guter Spieler, unfassbar zäh. Er kann dich verrückt machen. Er bringt ja fast jeden Ball zurück.“
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An diesem Freitag (Eurosport) trifft Struff, die deutsche Nummer zwei, den Serben beim Grand-Slam-Turnier in New York wieder, erst letzte Woche hatte er ihm als Verlierer beim Vorbereitungs-Masters im Big Apple gegenüber gestanden. Nun also die US Open, und leider spielt sich das Wiedersehen mit dem schillernden Nummer-eins-Mann schon in der dritten Runde ab. „Irgendwie eine dumme Sache“, sagt Struff, in der Weltrangliste an Position 29 geführt und deutscher Überraschungsprofi der letzten beiden Jahre, „aber ich gehe raus im Glauben, dass ich es packen kann.
“ Struff war nicht immer von so viel Selbstbewusstsein erfüllt. Aber neben seinem früheren Phlegma und einer guten Spur Genügsamkeit hat der 1,96-Meter-Turm aus dem Sauerland auch die falsche Bescheidenheit auf dem langen Weg nach oben zurückgelassen. Struff weiß, was er kann. Und er versteckt seine Ambitionen nicht mehr.
Im Kreis der Elite angekommen
„Das Gefühl, die Gewissheit, jeden der Jungs da draußen schlagen zu können, habe ich mir hart erkämpft.“ In New York kann Struff sozusagen auf Schritt und Tritt spüren, wohin es ihn in seiner Arbeitswelt getragen hat. Als an 28 gesetzter Spieler bewohnt er eine abgeschiedene Suite nahe dem Centre Court, ein Refugium, das ursprünglich dem Sponsor New York Times samt Gästen zugestanden hätte. „Tolle Sache“, sagt Struff. „Kühlschrank, Massagebank, Sofa, Kaffeeautomat, alles da.“ Ganz nebenbei kann er aus erhabener Höhe auch die Matches im Ashe-Stadion verfolgen, die Partien der Großen und Starken und Prominenten.
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An diese Elitegruppe hat er sich in den vergangenen Jahren selbst immer weiter herangespielt. Langsam und beharrlich ging es immer weiter nach vorne, mit unglaublich viel Trainingsaufwand, mit hohem körperlichen Einsatz, mit dem Drang, jede Übungseinheit optimal ausnutzen zu wollen. „Hey, das reicht nicht mehr“, habe er sich innerlich mal zur Ordnung gerufen, sagt Struff, „du kannst nicht happy sein, wenn du mal eine Runde bei einem Topturnier gewinnst, wenn du nur gut aussiehst bei großen Matches.“
Michael Kohlmann: "Er ist ganz anderer Spieler geworden"
Gemeinsam mit dem Trainer Carsten Arriens feilte der ehrgeizigere Struff an seinem Spiel und an seiner Haltung zu seinem Beruf. Motto: keine Angst vor großen Namen. Und: 100 Prozent Einsatz, in jedem Spiel, in jeder Sekunde. „Mächtig“ habe Struff an Statur gewonnen, sagt Davis-Cup-Chef Michael Kohlmann. „Er ist ein ganz anderer Spieler geworden. Auch, weil er mit viel mehr Dynamik und Emotionen agiert.“ Längst ist aus Struffi, dem etwas belächelten Riesen, Struff geworden.
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Struff, den auch seine Elternrolle mit Freundin Madeleine bei Söhnchen Henri reifer gemacht hat, leistet sich nur noch selten grobe Fehltritte auf der Wandertour der Tennisnomaden. „Er gewinnt das, was er gewinnen muss als Topspieler. Und sorgt auch für Überraschungen gegen noch stärkere Rivalen“, sagt DTB-Herren-Boss Boris Becker. „Er holt wirklich das raus, was geht.“
Struffs Aufschlag ist noch stärker geworden
Der Gelobte hat effizient an ein paar Stellschrauben gedreht, um seine Karriere noch mal zu beschleunigen. Der Aufschlag war stets seine wertvollste Waffe. Aber seit ein, zwei Jahren fürchten die Kollegen sein Service noch viel mehr, Breaks gegen den Hünen sind weitaus seltener geworden. Das hat auch sein nächster Gegner registriert: „Wenn du nicht hellwach bist, kann er dich mit dem mächtigen Service und den mächtigen Schlägen schwer unter Druck setzen“, sagt Djokovic. Struff bereitet sich jedenfalls darauf vor, den letzten Punkt des Matches zu machen: „Das wäre dann der Wahnsinn.“