Essen/Salzburg. Patrick Lange hat zweimal den Ironman auf Hawaii gewonnen. Im Interview spricht er über die Kritik seiner Gegner und die Doppel-WM 2021.
Kurz vor dem Gespräch entschuldigt sich Patrick Lange für einen Augenblick. Der 33-Jährige nimmt einen Schluck Espresso, denn vor einigen Minuten hat der Triathlon-Profi seine erste Schwimmeinheit seit zwei Monaten absolviert. Entsprechend müde ist der zweimalige Sieger des legendären Ironmans auf Hawaii. Des Rennens, das in diesem Jahr nicht ausgetragen wird. Statt im Oktober 2020 wird die Weltmeisterschaft auf Big Island, das Highlight jedes Triathlon-Jahres, im Februar ausgetragen. Im Interview spricht Mit-Favorit Lange, für den die vergangene Saison eine extrem bittere war, über neue körperliche Herausforderungen, seine umstrittene Aussage zum Ironman Hawaii ohne Amateur-Sportler und die Motivation, es Kritikern und Konkurrenten zu zeigen.
Herr Lange, wie sieht Ihr Zeitplan für die weitere Saison aus?
Patrick Lange: Noch gibt es keinen genauen Zeitplan, aber wir werden im Team eine Strategie erarbeiten. Es ist weiterhin schwierig abzusehen, wann ein komplett normales Leben möglich ist. Außerdem sind wir Athleten viel unterwegs und müssen daher beachten, welche Vorschriften in den jeweiligen Ländern gelten. Wenn es nach mir geht: Es könnte sofort losgehen (lacht).
Es wird 2021 zwei Weltmeisterschaften geben. Sind diese Strapazen – schließlich werden zusätzlich Qualifikationsrennen dazwischen liegen – zu verkraften?
Lange: Tatsächlich sind das meine größten Bedenken: Ich muss innerhalb eines Jahres vier Ironman-Rennen machen. Zwei Qualifikationsrennen und die beiden Weltmeisterschaften. Das ist eine ganz neue Herausforderung, eine ganz neue Belastung für den Körper. Ich kann noch nicht abschätzen, wie ich darauf reagiere. Allerdings sehe ich viel Potential zum Lernen, wir alle werden schließlich neue Erfahrungen machen.
Sie haben vor einigen Wochen darüber gesprochen, die Weltmeisterschaft ohne Hobby-Athleten, also ohne Altersklassen-Starter, auszutragen. Warum?
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Lange: Prinzipiell muss ich sagen, dass der Ironman Hawaii ohne Agegrouper (Altersklassen-Athleten, Anm. d. Red.) nicht das wäre, wofür unser Sport steht. Daher war meine Aussage in diese Richtung falsch. Was mich zu der Aussage verleitet hat, war die Annahme, dass 3000 Athleten an der Startlinie ein höheres Infektionsrisiko bedeuteten als 75 Profi-Starter.
Wäre eine Austragung ohne Hobby-Triathleten überhaupt das richtige Signal gewesen?
Lange: Nein, und es ist mir wirklich wichtig, dass ich meine Aussage entsprechend revidieren kann. Ohne Agegrouper ist für mich der Ironman Hawaii und der Mythos, den das Rennen ausmacht, undenkbar.
Sie sind für den Ironman Frankfurt gemeldet, der Veranstalter sucht nach einem Alternativ-Termin. Wie wichtig ist Ihnen dieses Rennen, das Ihnen in der Vergangenheit offenbar so schwer gefallen ist?
Lange: Es gibt in der Tat keinen Wettkampf auf dieser Welt, mit dem ich schlechter verknüpft bin. Ich bin gebürtiger Hesse und sehe den Ironman Frankfurt als mein Heim-Rennen, aber in den vergangenen Jahren lief es dort für mich überhaupt nicht gut. In dieser Saison würde ich mich unter dem Stern des Neustarts gern dem Dämon stellen. Ich habe einen neuen Trainer, gewisse Veränderungen angestoßen und würde gern die mentale Herausforderung annehmen, um mir zu zeigen, dass ich es auch dort kann.
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Sie und viele Ihrer Konkurrenten müssen sich noch für die WM auf Hawaii qualifizieren, indem Sie ein Ironman-Rennen absolvieren. Platzierungen sind dabei allerdings nachrangig. Nimmt das nicht Prestige aus der Triathlon-Saison?
Lange: Zum Glück schreiben die Regeln vor, dass man die Rennen als Profi kompetitiv gestalten muss. Das spiegelt auch wider, was ich in meiner Wettkämpfer-Natur nach außen transportieren will. Wenn ich eine Startnummer trage, geht das Tuch runter, dann ist der Tunnelblick angesagt – dann will ich gewinnen.
Werden Sie trotz der langen Phase ohne Wettkämpfe gut gerüstet sein für die beiden Weltmeisterschaften auf Hawaii?
Lange: Ich werde alles tun, um bestmöglich gerüstet zu sein. Es ist möglich, erfordert aber andere Gedanken.
2019 sind Sie nach 60 Kilometer auf dem Rad krankheitsbedingt ausgestiegen. Wie sehr schmerzt Sie der Gedanke daran noch?
Lange: Er schmerzt nicht mehr, er motiviert mich, es beim nächsten Mal besser zu machen. Das Rennen im vergangenen Jahr war sicher der Tiefpunkt meiner Karriere, aber ich habe diesen Tiefpunkt als Startpunkt gesehen, um Dinge neu zu machen. Diese Einstellung hat viele positive Dinge angestoßen.
Im Anschluss an dieses Rennen haben sich unter anderem Ihre Konkurrenten Jan Frodeno und Sebastian Kienle geringschätzig über Sie geäußert. Hat Sie das berührt?
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Lange: Ich habe mich in den ersten Tagen zurückgezogen, dann aber sind einige dieser Aussagen an mich herangetragen worden. Es war schade, zu hören, dass einige Gegner infrage gestellt haben, ob ich wirklich krank gewesen und dass mein Aufgeben vorherzusehen gewesen sei. Das hat mich gekitzelt, es denen im nächsten Jahr heimzuzahlen und den Jungs zu sagen: „So haben wir nicht gewettet.“ Denn ich war in der Öffentlichkeit immer ehrlich und habe es nie für nötig gehalten, hinter dem Rücken etwas Schlechtes über andere Athleten zu sagen.
Sie haben einen neuen Trainer. Was hat sich für Sie verändert, seit Björn Geesmann Sie coacht?
Lange: Seine Herangehensweise ist viel analytischer. Wir haben klare spezifische Schwächen herausgepickt und sie bearbeitet. Ich habe mich in den vergangenen Jahren als Sportler entwickelt, nun wird es immer anspruchsvoller, die nächsten Prozent herauszuholen. Mein Trainer hat dafür gesorgt, dass alles besser zu planen ist. Das Training, aber auch Dinge wie zum Beispiel Interviews und Sponsoren-Termine.
Lässt Sie das insgesamt ausgeglichener werden?
Lange: Absolut. Dazu trägt aber auch mein Mentaltrainer Stefan Westbrock bei. Mit ihm arbeite ich seit Dezember zusammen. Er hilft mir in der ungewissen Zeit, aber auch in meiner persönlichen sportlichen Situation.
Haben Sie eine Strategie entwickelt, um eventuelle verbale Attacken von außen zu parieren?
Lange: Tatsächlich haben wir uns darüber schon Gedanken gemacht. Wir werden uns spezifisch auch auf diese Herausforderung einstellen. Was im vergangenen Jahr gelaufen ist, ist angesprochen und bearbeitet worden.
Brauchen Sie Harmonie, um erfolgreich zu sein?
Lange: Ja, sehr. Ich bin ein harmoniebedürftiger Mensch. Das kam auch im Analyse-Gespräch heraus.
Sie wollten der erste Deutsche sein, der drei WM-Titel holt. Das hat allerdings Jan Frodeno vor Ihnen geschafft. Holen Sie sich 2021 die Doppel-WM auf Hawaii?
Lange: (lacht) Zu der Aussage lasse ich mich nicht hinreißen, von daher werde ich neutral bleiben und sagen, dass ich alles dafür tun werde. Mit meinem Trainer habe ich das Ziel gesetzt, innerhalb der nächsten drei Jahre Hawaii zu gewinnen. Aber die Konkurrenz ist bärenstark, nicht nur die deutsche. Außerdem ist Hawaii schlecht planbar. Am Tag X muss man einfach alles abrufen können. Wenn ich die Chance bekomme, werde ich sie nutzen.