Essen. Die erste Runde des DFB-Pokals bereitet dem Fußballfan immer wieder Überraschungen, oft auch Unangenehme. Eine Kolumne.
Es hilft dem Fußballfan im Leben, wenn er die Stärke besitzt, Häme ertragen zu können. Ich selber brauche diese Kraft sogar, wenn ich Selbstgespräche führe. Das sieht nämlich gelegentlich so aus: Das Organisatoren-Ich: „Jungs, wir haben noch keine Kolumne. Das ist nicht gut.“ Reporter-Ich: „Am Wochenende startet der DFB-Pokal. Wie wäre es mit einer Pokalkolumne?“ Das Organisatoren-Ich (gelangweilt): „Och nee. Den holen doch eh wieder die Bayern.“ Reporter-Ich (ungewohnt fleißig): „Wie wäre es, wenn ich etwas über meine persönlichen Erfahrungen mit Werder im Pokal schreibe? Die haben doch da tolle Erfolge gefeiert.“ Recherche-Ich (kühl): „Na ja, wenn es um die letzten Jahre geht, wird es eher eine Kurzgeschichte. Die fliegen doch immer in der ersten Runde raus.“ Das Reporter-Ich (wütend): „Ey, Du Penner, bekomm’ Du erst mal die Fakten auf die Reihe. Du arbeitest ja schlampig wie immer.“ Der Rest des Dialoges ist dann nicht mehr jugendfrei.
Man merkt, ich habe es nicht leicht mit mir. Tatsächlich schaue ich nur ungern den DFB-Pokal. Ich bin gebürtiger Bremer, lebe zwar seit über dreißig Jahren nicht mehr an der Weser, bekomme aber beim Fußball noch immer erhöhten Puls, wenn die Grün-Weißen spielen, auch wenn ich mittlerweile meist nicht mehr so genau weiß, wer die jungen Menschen eigentlich sind, die da auf dem Platz stehen.
Bremens unselige Pokal-Historie
Werder Bremen hat im DFB-Pokal schöne Erfolge gefeiert, aber in der jüngeren Vergangenheit häufiger bereits in der ersten Runde gegen unterklassige Mannschaften derart die Segel streichen müssen, dass man – vornehm formuliert – von peinlichen Blamagen sprechen kann. Beispiele: 2016 gegen Lotte: 1:2, 2014 in Saarbrücken: 1:3, 2013 in Münster: 2:4, 2012 in Heidenheim: 1:2. 2011 war immerhin erst in der zweiten Runde Schluss: 1:2 gegen Bayern München. Okay, das Spiel kann man mal verlieren.
Seit zehn Jahren, seit dem Finalsieg gegen Leverkusen, schreibt Werder im Pokal eher eine Leidensgeschichte, wenn man mal vom unglücklich verlorenen Halbfinale im April absieht. Dass renommierte Fußball-Klubs an Elbe, Main oder Neckar ebenfalls dramatische Einakter mit tragischem Ausgang produzieren, tröstet wenig. Selbst die wohl peinlichste Blamage der Pokalhistorie, das 0:1 der Bayern gegen Vestenbergsgreuth 1994, die auch noch live im ZDF zu besichtigen war, hilft dem Norddeutschen nur unwesentlich bei der Frustbewältigung.
Peinliche Blamagen und glanzvolle Auftritte
Nun hat es in Bremen ja seit Otto Rehhagel schöne Tradition, dass sich peinliche Blamagen und glanzvolle Auftritte nahtlos aneinanderfügen. Aber in der Tradition der „Wunder von der Weser“ in europäischen Wettbewerben beim Pokalauftakt gegen den Fünftligisten auf ein „Wunder an der Delme“ gegen Atlas Delmenhorst hoffen zu müssen, hat beinahe schon etwas Demütigendes. Und ein Rückspiel, auf das ich meine Hoffnungen setzen könnte, gibt es ja ohnehin nicht. Also am besten einfach erst mal wieder nicht hingucken.
Bleibt für mich die zarte Hoffnung, und davon leben Fußballfans ja sehr oft, dass es in diesem Jahr für Bremen endlich wieder einmal eine epische Geschichte, vielleicht eine mit einem Happy End in der Hauptstadt wird. Dann wäre auch mal Ruhe im Kopf.