Essen. Der Puls geht hoch bei den Bayern, wenn es um den Ex-Schalker Leroy Sané geht. Die Spannung rund um den Transfer steigt. Wirklich? Eine Kolumne.
Vor 25 Jahren, im Sommer 1994, hat sich ein kleines Reptil als kleiner Bruder des Ungeheuer von Loch Ness versucht. Genauer gesagt büxte in Dormagen der kleine Kaiman Sammy beim Spaziergang seinem Herrchen aus und verschwand. Spurlos. Jagdfieber brach aus. Mit allen Mitteln versuchten die Mitarbeiter der Behörden, Sammy im Baggersee einzufangen. Vergeblich. Nicht einmal ein Brunftrufimitator konnte das Tier hervorlocken. Wie beim historische Vorbild aus dem Schottischen verhielten sich tatsächliche Sichtungen und spekulative Berichterstattung umgekehrt proportional. Sammy war jedenfalls das Thema des Sommers 1994 – und der wurde nie mehr gesehen.
Sommerphänomen seit dem Jahr 565
Sammy ist nicht alleine. Die Mutter aller Sommerphänomene ist Nessie. Wenn man den Chroniken glauben darf, tauchte das Ungeheuer von Loch Ness erstmals im Jahr 565 auf, beschrieben von einem Mönch in den „Vita Columbae“. Zuletzt sorgte „Nessie 2014 für sommerliche Aufregung, weil es auf den Karten des Tech-Giganten Apple zu sehen gewesen sein soll.
Eine verrückte Woche
Zurück in die Gegenwart mit den aktuellen Nachrichten. Sonntag: „Kovac zu Sané-Transfer. Bin sehr zuversichtlich.“ Montag: „Matthäus sieht Sané als 1-a-Lösung für den FC Bayern.“ Dienstag: „Medien: Manchester City bereitet sich auf den Sané-Wechsel vor“, „Rummenigge kritisiert Kovac wegen Sané.“ und „Kovac entschuldigt sich für Aussagen zu Sané-Transfer.“ Mittwoch: „Münchner Schweigegelübde zu Kovac.“ Donnerstag: „Bayern verschieben Mannschaftsfoto. Wegen Sané?“ Freitag: „Bayern dementieren Angebot für Sané.“
Was für eine Woche. Der Puls geht in diesen Tagen mindestens bei den Bayern, aber auch weit darüber hinaus besonders hoch, so scheint es zumindest. Alle sind völlig außer Atem. Bereits seit Mai mäandert der Name Leroy Sané im Zusammenhang mit dem Rekordmeister durch die Schlagzeilen. Dass mediale Herzrasen in dieser Woche hängt vermutlich mit einem sehr einfachen Tatbestand zusammen: Es sind in ganz Deutschland Sommerferien.
Ernster Hintergrund eines Sommertheaters
Nach Nessie und Sammy jetzt also Sané. Die Zerren um den Transfer des Ex-Schalkers und den öffentlichen Wirbel darum, hat natürlich den ernsten Hintergrund, dass den Bayern in ihrer Umbruchphase erstens ganz konkret eine potente Offensivkraft und zweitens ein präsentabler Königstransfer fehlt. Das allein wuchtet schon ein Zentnergewicht Verantwortung auf die Schultern eines 23-Jährigen, der zufällig sehr gut Fußball spielen kann. Nun ahnt man ja, dass der Ex-Schalker in Diensten des Premier-League-Klubs Manchester City so ganz grundsätzlich selbstbewusst ist, und das, was man landläufig als „coole Socke“ bezeichnet, aber ob ihn der Rummel um seine Person, die Überhöhung zum Heilsbringer eines Fußballklubs, oder gar einer Fußballnation, wirklich völlig kalt lässt? Ist er eher Motte oder Reh? Ziehen ihn Blitzlichter und Scheinwerfer an oder verscheuchen sie ihn?
Den Fans des FC Bayern München wäre zu wünschen, dass für sie wegen des Rummels Sané nicht zu Sammy oder Nessie des Jahres 2019 mutiert, also zum Phänomen, das viel beschrieben, mythisch verklärt, aber nie gesehen wurde.