Essen. Im Sport geht es vor allem um Rekorde und Titel, immer wieder begeistern Athleten aber auch durch Sportsgeist. Über das Fair Play. Eine Kolumne.
Beim Sport zählen Rekorde, Siege und Titel. In den Ruhmeshallen des Sports sind Athletinnen und Athleten verewigt, die besonders viele Rekorde gebrochen, die wichtige Titel gewonnen haben. Der Weg dorthin verblasst: Nicht der Mensch, die Leistung wird gewürdigt.
Fair Play in den Niederungen des Provinzsports
Und doch wollen wir manchmal mehr. Deshalb wurde vor einigen Tagen die Geschichte einer Jugendmannschaft aus dem niedersächsischen Peine wahrgenommen. Was war geschehen? Die C-Jugend des VfB Peine war in einen Unfall verwickelt worden, die Jugendlichen waren nicht mehr spielfähig. Der Trainer des größten Konkurrenten in der Liga startete daher einen Aufruf, nicht mehr gegen das Team des VfB Peine anzutreten, damit der Tabellenführer nicht um die bis dahin verdiente Meisterschaft gebracht würde. Sämtliche Gegner zogen mit.
Eine kleine Geste aus den Niederungen des Provinzsports, eine Geste, die aber auch für eine Hoffnung steht. Die Hoffnung, dass Menschen das Richtige tun, selbst dann, wenn es für sie selber einen Nachteil bedeutet. Fair Play eben.
Zyniker werden süffisant lächeln und anmerken, dass am Ende nur der Erfolg zählt, zählen darf. Pessimisten werden abwinken und aufzählen, dass bemerkenswertes Fair Play so selten vorkommt, dass jeder einzelne Fall nur deshalb gefeiert wird. Und doch arbeiten sich aus den Tiefen der Erinnerung Szenen in den Vordergrund, die für Aufsehen sorgten: Fußballprofi Aaron Hunt zum Beispiel, der in Diensten von Werder Bremen 2014 eine Schwalbe gestand und so auf einen Elfmeter verzichtete. Hunt ist gewiss kein Heiliger, aber entschied sich in einem Moment, das Richtige zu tun.
Große Gesten beim Profisport
In der zweiten englischen Liga ordnete Leeds-United-Trainer Marcelo Bielsa an, dass seine Spieler dem Gegner Aston Villa ein Tor ermöglichen sollten. Denn vorher hatten sie selbst eins erzielt – als ein Villa-Spieler verletzt am Boden lag.
Bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio stürzten beim 5000-Meter-Lauf die US-Amerikanerin Abbey D’Agostino und die Neuseeländerin Nikki Hamblin. D’Agostino lief nicht etwa dem Feld hinterher, sondern ging – selber verletzt – auf ihre Konkurrentin zu, um ihr aufzuhelfen. Diese wiederum revanchierte sich, als D’Agostino vor Schmerzen zu Boden ging.
Wer den Sport intensiv begleitet, wer lange Sport getrieben hat, der weiß um die Härte, die Skrupellosigkeit, mitunter sogar die Perfidie, mit der Sportler zum Erfolg zu kommen versuchen. Der weiß aber auch um die tausenden kleinen Gesten, mit denen Fair Play gelebt wird, ohne, dass Kameras das für ein Millionenpublikum einfangen.
Fair Play braucht keine, verdient aber Anerkennung
Realisten werden feststellen, dass sich beim Sport, bei dem sich die ganze Bandbreite zwischenmenschlichen Umgangs wie unter dem Mikroskop offenbart, schändliches und vorbildliches Verhalten in etwa die Waage halten. Optimisten werden dem Realisten zustimmen, daraus aber Kraft ziehen. Der Fair-Play-Gedanke bleibt unverwüstlich, obwohl dem Erfolg die prächtigeren Denkmäler gesetzt werden.
Tatsächlich braucht und erwartet der Sportler, der sich – ob überlegt, ob spontan – für Fair Play entscheidet, keine große Anerkennung. Jeder, der schon mal eine sportlich faire Geste probiert hat, weiß, wie gut sich das anfühlt. Und dennoch: großen Respekt für die Jugendkicker aus Niedersachsen.