Essen. Gentleman, Draufgänger und Diplomat im Fußball-Dress. In England wurde Bernd Trautmann früh zum Helden. Die Deutschen würdigten ihn spät.
Kein Zweifel, er war ein Gentleman. Es war die Art, wie er lächelte, wie er dich anschaute. Interessiert, freundlich, aber auch: souverän. Ein Mann, den eine Aura umgab. Bernd Trautmann gehörte während der Europameisterschaft 1996 in England zur Delegation des Deutschen Fußball-Bundes. Er wohnte im Mannschaftshotel, war während des Turniers Deutschlands bedeutendster Imagepfleger. Denn auf der Insel galt der frühere Torwart, den die Briten nicht Bernd, sondern „Bert“ nannten, als Ikone. Ihn treffen und mit ihm reden zu können, das war schon beeindruckend.
„Selbst Gordon Banks hat mir versichert, dass ich sein großes Vorbild sei“, erzählte der damals 72-Jährige. Der kürzlich verstorbene Banks war immerhin der englische Weltmeister-Keeper von 1966. Trautmann hingegen konnte kein einziges Länderspiel vorweisen. Weil man ihn nicht ließ. „Ich war sogar bei Sepp Herberger zu Hause“, erzählte Bernd Trautmann. „Aber der hatte Angst, mich zu berufen.“ Die öffentliche Stimmung sei in den Fünfzigern nicht danach gewesen, einen England-Legionär zum Nationalspieler zu befördern.
Cup-Gewinner mit gebrochenem Halswirbel
Von 1949 bis 1964 hütete der Hüne das Tor von Manchester City. Im Cup-Finale 1956 führte er sein Team zum Triumph über Birmingham – trotz eines gebrochenen Halswirbels! Seitdem war „Bert“ in Manchester ein Held.
Als Kriegsgefangener war der gebürtige Bremer nach England gekommen, der kleine Klub St. Helens erwirkte für seine Spiele eine Freistellung Trautmanns. Nach dessen Entlassung entdeckten ihn die Späher von Manchester City, dort bewies er seine ganze Klasse. Anfangs entrüsteten sich die Zeitungen noch über den „deutschen Kriegsverbrecher im Tor“, doch die Hetze wurde von Verehrung verdrängt: für einen Meister des Stellungsspiels, für einen furchtlosen Draufgänger. So wurde Bernd Trautmann zum Diplomaten im Fußball-Dress.
Würdigung während der EM 1996 in England
1996 wohnte er schon seit einigen Jahren mit seiner dritten Frau in Spanien. Er meinte, die Wärme dort sei gut für die lädierten Knochen, „auf die ich dreißigtausendmal geflogen bin“. Nun aber genoss er es, sich im Kreis der deutschen Spieler, die dann ja sogar das Turnier gewannen, aufhalten zu können. Er erzählte, es sei „ein großartiges Gefühl“ für ihn gewesen, dass Matthias Sammer sagte: „Wir freuen uns, dass Sie bei uns sind.“ Andreas Köpke regte auch noch ein Gespräch unter vier Torhüter-Augen an. Den älteren Herrn erfüllte es mit Stolz, „dass Deutschland Bernd Trautmann wiederentdeckt hat“.
Vor sechs Jahren verstarb er in Spanien, mit 89 Jahren. Wie sehr hätte er sich jetzt wohl darüber gefreut, dass seit dieser Woche in unseren Kinos „Trautmann“ läuft, der Film über sein Leben.
1996, das blieb noch in Erinnerung, war Bernd Trautmann auch zu einer Pressekonferenz eingeladen. Im Rathaus von Manchester, gemeinsam mit Nationalmannschafts-Kapitän Jürgen Klinsmann. Oberbürgermeister Derek Shaw äußerte nur einen Wunsch: ein Foto mit der Legende. Klinsmann, der Weltmeister, war ihm egal.