Essen. Der Kampf um die Fußball-Talente wird immer härter. Jetzt haben Bayern München, der BVB, der HSV und Werder Bremen auch noch den bislang bestehenden Solidarpakt der Bundesligisten verlassen.
Das Vorgehen der Bayern aus München beim Einkauf des Talents Toni Kroos war vorbildlich. In Absprache mit Hansa Rostock, dem Verein des Juniorenspielers, hatten sie diesen ein Jahr lang intensiv beobachtet. 2006 wechselte der damals 16-jährige Kroos von Nord nach Süd. Sein Ausbildungsverein Rostock durfte sich über ein Ablösespiel sowie Prämien für Einsätze und Tore von Kroos und damit am Ende eine siebenstellige Summe freuen. Ein „Trans-fair” mit Win-Win-Win-Situation: Kroos, inzwischen nach Leverkusen ausgeliehen, die Bayern und Rostock waren zufrieden.
Solidarpakt wurde aufgekündigt
Künftig heißt es im deutschen Profifußball, zumindest wenn es um Talente geht, aber wilder Westen statt Kuschelkurs. Die seit neun Jahren zwischen Erst- und Zweitligisten bestehende Absprache, sich gegenseitig keine Juniorenspieler abzuwerben, wurde aufgekündigt.
Neben Bayern München und Borussia Dortmund werden sich nach Informationen dieser Zeitung auch der Hamburger SV und Werder Bremen nicht mehr an den Solidarpakt halten.
"Wir bilden hier aus und dann kommen die Engländer"
„Es macht für unseren Verein keinen Sinn mehr. Auf internationaler Ebene gilt dieser Pakt nicht, Klubs aus England, Italien und Spanien dürfen überall wildern. Wir aber nicht”, erklärt Bayern-Sportdirektor Christian Nerlinger. Vom BVB kommt dieselbe Begründung: „Wir bilden hier aus und dann kommen die Engländer, baggern an den Jungs rum und wedeln mit Scheinen. Und da fallen halt immer mal junge Spieler um”, schimpft Sportdirektor Michael Zorc. Seit 2005 wechselten drei seiner Junioren, gegen überschaubare Ausbildungsentschädigungen, auf die Insel.
Auf der Insel wird nur in 50 km Umgebung gescoutet
In der dortigen Premier League gibt es eine Regel, laut der die Vereine innerhalb Englands nur in 50 Kilometer Umgebung Spieler scouten dürfen. Deshalb kaufen Klubs wie der FC Arsenal oder der FC Liverpool im europäischen Ausland ein. „Von den meisten Spielern hörst du nie wieder was. Denen wird was von Youth Academy erzählt, dann finden sie sich in Kadern mit 68 anderen Spielern wieder”, sagt Zorc.
Zorc: Transfers von Spielern unter 18 Jahren verbieten
Bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) wurde das Ende des Talent-Pakts mit Bedauern verfolgt. Allerdings hat man in Frankfurt die Hoffnung nicht aufgeben, dass die 38 Profivereine doch wieder zusammenrücken. In Absprache mit dem Verband der europäischen Profi-Ligen (EPFL) sowie den Fußballverbänden Fifa und Uefa sollen grenzüberschreitende Transfer-Bedingungen festgeschrieben werden. „Die beste Lösung wäre, wenn man Transfers von Spielern unter 18 Jahren untersagt. Dann hätten wir Ruhe”, glaubt Zorc. Die Fifa überwacht bereits Transfers von Minderjährigen. Die Uefa will in Europa internationale Wechsel von Spielern unter 18 verbieten. Das ist allerdings kaum möglich: Eine solche Regel würde der Freizügigkeit bei der Wahl des Arbeitsplatzes widersprechen.
In der Bundesliga wartet man nicht auf Vorgaben, man hat reagiert. So wie der VfL Bochum. „Wir statten wesentlich mehr junge Spieler als bisher mit Drei-Jahres-Förderverträgen aus. Das erschwert Wechsel erheblich”, erklärt Thomas Ernst. Der VfL-Sportvorstand hat beobachtet, „dass sich in der Branche viel tut und dass immer mehr Beobachter zu unseren Junioren-Spielen kommen”. Vor allem den englischen Klubs und ihren engmaschigen Scouting-Netzwerken entgeht kaum ein Talent. Und zu diesen könnten sich in Bochum, Duisburg oder Oberhausen künftig wieder vermehrt Scouts aus Hamburg, München, Bremen oder Dortmund gesellen.
BVB und VfL geben mehr Jugendlichen Förderverträge
Der BVB hält es ähnlich wie der Reviernachbar VfL und hat in den letzten Monaten ein halbes Dutzend Junioren mittelfristig an den Verein gebunden. Das dürfte künftig nicht mehr so einfach sein. Talentierte 16-Jährige und ihre zur Vertragsunterschrift berechtigten Eltern werden sich vor finanziell attraktiven Versprechungen kaum retten können.
Da wird man sich nicht nur beim BVB mit Wehmut an den fairen Talent-Wettbewerb um Nationalspieler Marko Marin erinnern. In dem unterlagen die Dortmunder 2005 denkbar knapp der Borussia aus Mönchengladbach.