Sinsheim. Borussia Dortmund hat die Saison mit einer 1:3-Niederlage bei der TSG Hoffenheim beendet. BVB-Profi Nuri Sahin fand danach deutliche Worte.
Nuri Sahin, darf man Borussia Dortmund trotz der 1:3-Niederlage bei der TSG Hoffenheim zur Champions-League-Qualifikation gratulieren?
Nuri Sahin: Ich habe da zwei Sichtweisen. Emotional bin ich froh, dass das Minimalziel erreicht ist. Auf gut deutsch: Leck mich am Arsch, wir haben uns qualifiziert. Aber nüchtern betrachtet war sehr, sehr viel Schlechtes dabei - nicht nur heute. Ein Trainerwechsel vor der Saison, ein Trainerwechsel in der Saison, ein streikender Spieler, der für uns sehr, sehr wichtig war. Dann wollte Aubameyang weg, der uns von der Qualität her in einigen Spielen gefehlt hat. Mit ihm hätten wir mindestens zwei, drei Punkte mehr gehabt. In der Hinrunde hatten wir sehr viele Probleme, auch in der Kabine. Disziplinarische Probleme, die immer Energie kosten. Wir haben alle zusammen zu viel Energie verloren, im Verein, in der Mannschaft, im Trainerteam. Wir konnten uns fast nie in Ruhe auf unsere Spiele fokussieren. Deshalb stehen wir auf dem vierten Platz, mehr war ehrlich gesagt in dieser Saison nicht drin. Wenn man als Borussia Dortmund am letzten Spieltag noch um Platz drei kämpft, passt irgendwas nicht. Ich wünsche uns allen sehr viel Selbstkritik, ehrliche Analyse, dass wir nächstes Jahr zurückkommen und wieder unser wahres Gesicht zeigen. Wir müssen wieder zueinander finden. Mir tut es weh, wenn wir zur Kurve gehen, uns bei den Fans nicht für die Unterstützung bedanken können. Wir müssen wieder zueinander finden, das Stadion muss wieder ein Tempel werden, eine Festung werden. Wir müssen viel besser Fußball spielen, uns viel besser vorbereiten auf die Spiele. Es wird sehr viel Selbstkritik geben.
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Trauen Sie das allen zu?
Sahin: Sonst hätten sie ihren Beruf verfehlt. Nicht nur wir Spieler, jeder einzelne muss Selbstkritik üben, von A bis Z. Und ich denke, dass da alle ehrlich genug sein werden. Ich weiß, wo ich ansetzen muss und dass viele Jungs wissen, woran sie ansetzen müssen. Alles Andere wäre in die Tasche gelogen.
Was macht Sie zuversichtlich, dass das in der Sommerpause besser klappt als in den vergangenen Wochen?
Sahin: Ruhe. Wir werden uns jetzt sechs Wochen nicht sehen, man kriegt eine ganz andere Sichtweise, wenn man im Urlaub ist und etwas Abstand hat. Dann schauen wir mal, was die Vorbereitung bringt. Ein bisschen Qualität wird wohl dazu kommen, das schadet ja auch nicht.
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Das Spiel heute war wieder ein Wechselbad der Gefühle…
Sahin: Stimmt. Die erste Halbzeit war ganz ordentlich. Aber nach dem 1:2 war es vorbei. Ich war der Erste, der zur Bank geguckt und nach dem Spielstand bei Leverkusen gefragt hat. Das ist absolut menschlich, dass man das nicht mehr aus der Hand geben will. Nach dem 1:1 dachte ich: Okay, vielleicht wird es jetzt besser. Aber dann kassieren wir das Tor…
Wie ging es dann in den letzten Minuten, als Leverkusen deutlich führte und es aussah, als könnten sie vorbeiziehen?
Sahin: Deswegen hatten wir Kontakt zur Bank. Ich wünsche es niemandem, ich will gar nicht wissen, wie sich Mannschaften fühlen, die gegen den Abstieg spielen. Ich musste immer wieder rübergucken zur Bank. Auch da Selbstkritik: Wir hätten das nicht erst am letzten Spieltag, sondern schon letzte Woche klar machen müssen.
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Sie gehören zu den Führungsspielern. Haben Sie zu spät erkannt, welche Strömungen sich in der Mannschaft entwickeln?
Sahin: Wenn etwas eine Eigendynamik nimmt, ist es sehr schwer, das zu stoppen. Wir sind nicht frei von Kritik. Ich lese viel, dass wir Wortführer sind, dass wir Politik machen. In der Kabine gab es Probleme, die gibt es nicht mehr. Aber wir haben keine Leistung mehr auf den Platz gebracht. Das hat viel mit Vorbereitung zu tun, viel mit dem Kopf - das sind Dinge, die wir anpacken müssen.