London. 20 Jahre nach Steffi Graf könnte wieder eine Deutsche in Wimbledon gewinnen. Doch vor dem Endspiel hat auch Serena Williams zu alter Stärke gefunden.

Als Serena Williams vor 14 Jahren mit ihrer ersten Wimbledonschale posierte, ging Angelique Kerber in Kiel zur Realschule, sie war die beste Tennisspielerin der Gegend und gewann auch gegen deutlich ältere Mädchen. Natürlich wusste sie längst, wo Wimbledon liegt und dass dort um den wichtigsten Tennistitel der Welt gespielt wird. Und natürlich dachte sie daran, wie es wäre, irgendwann mit dieser wunderschönen Schale in der Hand auf dem Rasen zu stehen. Der Tag ist gekommen.

Sechs Titel hat Serena Williams schon

Pünktlich um 15 Uhr deutscher Zeit (Sky) wird sie am Samstag, 9. Juli 2016, mit Serena Williams zum Finale der 130. All England Championships den Platz betreten, vom wärmenden Beifall der 14 979 Zuschauer empfangen. Für Williams wird es das neunte Finale auf dem grünen Centre Court sein, sechsmal gewann sie den Titel, zuletzt im vergangenen Jahr. Sie wäre auch diesmal die große Favoritin – gäbe es da nicht die ziemlich frische Erinnerung an jenes Spiel vor sechs Monaten in Melbourne. Damals hatten fast alle gedacht, sie werde sich den 22. Grand-Slam-Titel schnappen, doch Kerber hatte im Endspiel der Australian Open kaum ein Zeichen von Nervosität gezeigt. Nun treffen sich die beiden innerhalb eines halben Jahres wieder.

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Angelique Kerber hatte die Stimmen nach der Niederlage in der ersten Runde der French Open vernommen, sie hatte Zweifel und Kritik herausgehört. Aber jetzt, sagt sie, müsse sie keinem mehr etwas beweisen, keiner könne sagen, der Erfolg von Melbourne sei ein Einzelfall. Sie war von Anfang an entspannter als vor ein paar Wochen in Paris, sie wirkt selbstbewusst, wenn auch auf ihre eher zurückhaltende Art, und man sollte ihr zutrauen, wieder einen so couragierten Auftritt hinzulegen wie im australischen Sommer in Melbourne. Aber wenn nicht alles täuscht, dann wird Serena Williams diesmal eine andere Gegnerin sein.

Nach längerer Zeit wirkt Williams wieder dominant

Beim Sieg im Halbfinale gegen Jelena Wesnina wirkte die Titelverteidigerin zum ersten Mal seit langer Zeit – zum ersten Mal vielleicht seit ihrer überraschenden Niederlage im Halbfinale der US Open im vergangenen Jahr gegen Roberta Vinci aus Italien –, wieder markerschütternd dominant, so wie in der ersten Hälfte anno 2015. „Ich habe das Gefühl, die richtige Serena ist wieder da“, meinte deren französischer Coach Patrick Mouratoglou im Gespräch mit der New York Times, und er kennt sie nach vier Jahren der gemeinsamen Arbeit inklusive einer Zeit einer privaten Beziehung extrem gut.

„Wenn sie gut spielt, dann schießt sie jede vom Platz, dann ist sie unschlagbar“, sagt Bundestrainerin Barbara Rittner, die auch beim Finale in Kerbers Abteilung der Spielerbox sitzen wird. Jelena Wesnina kam nach ihrem Halbfinale zum gleichen Schluss; sie hatte das Gefühl, überrollt worden zu sein, und das, so sagte sie, habe nicht nur mit dem mächtigen Aufschlag der Amerikanerin zu tun. „Das ist natürlich ihre stärkste Waffe, und sie verlässt sich auch darauf. Aber sie an der Grundlinie sehr gut mit dem Tempo der Bälle um, sie spielt mit wechselndem Drall, sie spielt die Bälle nicht nur flach, dann wieder versucht sie es mit einem Slice. Und ihr Vorhand-Return cross ist so schnell, dass du kaum mit dem Aufschlag fertig bist und ihr Ball schon an dir vorbei rauscht.“

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Auf all das ist Angelique Kerber vorbereitet, schließlich hat sie schon siebenmal gegen Williams gespielt und zweimal gewonnen. Die Erinnerung an das Spiel in Melbourne hilft, keine Frage. „Ich werde wie in Australien versuchen, ihr zu zeigen, dass ich auch da raus gehe, um das Spiel zu gewinnen“, sagt sie. „Aber es ist neues Match; wir spielen auf Gras, sie hat beim letzten Mal gegen mich verloren, und ich weiß, dass sie alles versuchen wird, um mich zu schlagen.“

Unabhängig von Chancen und Aussichten auf den ersten Wimbledonsieg einer deutschen Spielerin seit dem letzten Triumph von Steffi Graf vor genau 20 Jahren ist es spannend, die echte Serena Williams wiederzusehen. Mit all ihrem guten, alten Selbstbewusstsein. Drei Grand-Slam-Finals innerhalb eines Jahres seien ja nicht so schlecht, meinte jemand, und sie antwortete: „Klar für jeden anderen auf diesem Planeten wäre das eine wunderbare Leistung. Aber mir reicht das nicht, und genau das macht den Unterschied. Das bin ich, Serena.“