Ottawa. . Für Nationaltorhüterin Nadine Angerer beginnt am Sonntag in Kanada ihre fünfte und letzte WM. Auftaktgegner Elfenbeinküste ist krasser Außenseiter.

Wenn es eine weiß, dann die Weltenbummlerin. Ottawa sei eine „gechillte Stadt“, hat Nadine Angerer in ihrem eigenen Sprachgebrauch festgestellt. Sie hätte aber auch von einer „coolen City“ sprechen können. Ein „super“ hätte auch gepasst. Tatsächlich ist es ja so: Wer aus dem Chateau Laurier Hotel am Parliament Hill „zweimal links“ (O-Ton Angerer) geht, der landet direkt im belebten Byward Market, im In-Viertel der kanadischen Kapitale, in der sich ohne größere Mühe viele Typen finden lassen, die ähnlich ticken wie das freiheitsliebende Aushängeschild der deutschen Frauen-Nationalmannschaft.

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Klar, dass die Kapitänin und Torhüterin schon einen Abstecher gemacht hat, „auch wenn wir ziemlich vollgepackt sind mit Terminen“. Nach den von Fifa-Seite obligatorischen Belehrungen in Sachen Regelkunde und Antidoping am Donnerstagvormittag hat die DFB-Delegation am Freitagmorgen eine Bootstour der etwas anderen Art unternommen. Amphibusse nennen sich die knallroten, voll verglasten Gefährte, die zunächst durch die Hauptstadt juckeln, ehe sie mit Schwung in den Ottawa River driften. Doch keine Angst: Die Dinger sind garantiert wasserdicht und vor allem für die asiatischen Touristen unentwegt im Einsatz.

Zeitvertreib vor dem Auftakt

Der zweimalige Weltmeister kann sich vor dem Turnierstart einen solchen Zeitvertreib leisten, auch wenn die Torfrau martialisch den „Kampfmodus“ ausgerufen hat, um das erste Gruppenspiel gegen die Elfenbeinküste (Sonntag 22 Uhr MESZ/live bei ZDF und Eurosport) erfolgreich zu bestreiten. Obgleich die 36-Jährige vor ihrem 140. Länderspieleinsatz pflichtschuldig von einem „sehr robusten, sehr physischen Gegner“ warnt, so dürfte auch sie wissen, dass die Westafrikaner ihr vermutlich nicht allzu nahe kommen werden.

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Aber die Meinungsmacherin muss halt mehrere Rollen spielen. Es ist nicht mehr allein damit getan, Bälle zu fausten oder zu fangen. Für Bundestrainerin Silvia Neid, die wie die Torhüterin bald vom Nationalteam scheidet, ist sie die mit Abstand wichtigste Ansprechpartnerin. Und die kann auf Knopfdruck erzählen, wie der dritte Stern nach Deutschland geholt werden soll: „Wir haben eine Vision. Jedes Mal, wenn wir ein Etappenziel erreicht haben, werden wir ein Häkchen machen. Wenn wir alle Ziele erreichen, haben wir auch die große Mission geschafft.“

Lob für die Jüngeren

Schon beim EM-Triumph 2013, als sich ein stark verjüngtes deutsches Nationalteam rechtzeitig zusammenraufte, diente sie als große Schwester, die bei Bedarf mal auf den Tisch haut, aber ansonsten die meisten Streiche mitmacht. Was aus den Küken von damals geworden sei, wurde sie gefragt. Spontane Antwort: „Vorschulkinder!“ Denen müsse sie aber mal ein richtiges Kompliment machen: „Das sind super Charaktere, total unbefangen, unglaublich lernwillig – und man kann mit denen lachen.“

Die meisten von ihnen wollen nicht glauben, dass ihre Anführerin nach ihrer fünften WM aufhört. Angerer („Ich verspüre keine Wehmut“) hat das vollständig auch noch nicht realisiert, wie sie gesteht: „Die machen schon Scherze, dass ich dann bald mit dem Bus hinterherfahre und die Beurteilungen schreibe.“