Zürich. . Jeder Verband hat eine Stimme - gleichgültig ob er die 3,9 Millionen DFB-Mitglieder vertritt oder die Fußballer der niederländischen Antillen.
Grönland zum Beispiel: Kein einziger Rasenplatz, aber Mitglied der Fifa sein wollen: Da muss der Präsident des Weltfußballverbandes doch den Kopf schütteln, oder? Blatter aber reiste nach Grönland, ließ sich aufs ewige Eis fliegen, weihte einen Kunstrasenplatz ein und verkündete stolz, dass mittlerweile für werdende Nationen wie das nach Unabhängigkeit strebende Grönland fast wichtiger sei, in die Fifa aufgenommen zu werden als in die UNO.
Und zahlenmäßig hat die Fifa die Nase vorn: 209 Fußballverbände sind mittlerweile Mitglied, die UNO zählt 193 Staaten. Eines der jüngsten Mitglieder ohne Nationalstatus: Deutschlands EM-Qualifikationsgegner Gibraltar. Fußballzwerge wie Grönland oder Gibraltar sind nicht umsonst Mitglied der Fifa: Sie sind die Säulen des Systems Blatter, viele kleine Säulen, biegsam und leicht zu beeinflussen.
Selbst wenn sich Südamerika und Europa zusammentun, die Fußballverbände, die sämtliche Weltmeisternationen stellen, können sie die für heute geplante Wiederwahl des 79-Jährigen nicht verhindern. Sie haben gerade mal knapp 63 der 209 Stimmen. Denn jeder Fifa-Mitgliedsverband, sei es der DFB mit seinen 3,9 Millionen Mitgliedern oder der Fußballverband der Niederländischen Antillen, hat genau eine Stimme.
„Für die Menschen, für die Welt, für den Frieden“
Insofern war Blatters gestrige Eröffnungsrede stimmig inszeniert: Die 209 Fußballverbände versammelten sich mit ihren Fahnen hinter Blatter, der die Verhaftungen und Korruptionsvorwürfe als bedauerliche Fehler Einiger abtat und der sich heute unter Tagesordnungspunkt 17 wiederwählen lassen will. „Für die Menschen, für die Welt, für den Frieden“, so der Präsident dieser bestens organisierten Nebensache der Welt.
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Wie Sport zur Ware wird, hat sich Joseph Blatter schon zu Zeiten seines ebenfalls berüchtigten Vorgängers João Havelange angucken können: Als Fifa-Generalsekretär war er seit 1981 dessen rechte Hand, ehe er 1998 zum Präsidenten aufrückte.
750 000 Dollar Bonus – einfach so
Fifa-Mitglied zu sein, ist lukrativ: Weil jeder Verband eine Stimme hat, werden auch die Milliarden-Einnahmen der Fifa aufgeteilt. Ob die einzelnen Fußballverbände damit ihren lokalen Präsidenten eine Suite bauen oder für die Nachwuchskicker im Land Bolzplätze anlegen, wird nicht oder nur sehr lax geprüft. Jüngst erst kündigte Blatter einen Bonus von 750 000 Dollar pro Verband an. Einfach so. Für den DFB nicht so arg viel, der Verbandspräsident von Trinidad & Tobago jedoch wird das eventuell anders bewerten.
Neue, möglichst arme Länder aufnehmen, sich deren Dankbarkeit und Stimme sichern und so die eigene Macht zementieren: Das ist das System Blatter, das seit Mittwoch zwar heftig ins Wanken geraten ist, aber noch immer nicht stürzen will.
Die Stimmen aus Afrika, Asien und Ozeanien reichen zur Wiederwahl
Die fußballerischen Nobodys aus Asien und Ozeanien und die in Treue festen Afrikaner, die bereits bekundet haben, Blatter erneut zu wählen, haben 111 Stimmen. Im zweiten Wahlgang reicht das aus, um den Walliser bis zu dessen 83. Lebensjahr im Amt zu halten. Was auch daran liegen kann, dass am Tag danach über die Zahl der Startplätze der sechs Verbände bei den nächsten Weltmeisterschaften diskutiert wird. Und alle sechs Verbände wollen einen Startplatz mehr...
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Was machen die Fifa-Machenschaften mit unserem Fußball?
Ich denke, dass dies im Amateurbereich keine Auswirkungen hat, wenngleich natürlich alle auf und neben dem Platz darüber diskutieren. Aber in den oberen Rängen und im Verband ist der Ärger sehr groß. Längst hätte bei der Fifa aufgeräumt werden müssen. Wenn die Vorwürfe gegen die Herrschaften tatsächlich stimmen, und danach sieht es ja aus, dann müssen sie sofort verschwinden. Und dann müssen endlich die an die Spitze, die sich wirklich für den Fußball engagieren. Die anderen brauchen brauchen wir nicht.
Was tun?
Ich bin froh, dass große Sponsoren jetzt auf Distanz gehen. Da steckt eine Menge Geld dahinter und damit auch Einfluss. Und auch DFB-Chef Wolfgang Niersbach hatte schon vor geraumer Zeit angekündigt, Herrn Blatter nicht mehr zu unterstützen. Das ist gut.
Müsste der DFB nicht noch deutlicher werden?
Die DFB-Aussage ist klar und deutlich, und wir sind der stärkste Verband. Problematisch ist, dass kleinste Verbände wie etwa die Fidschi-Inseln genauso viel Stimmrechte und also Einfluss haben wie wir. Bei diesem Wahlverfahren muss sich dringend etwas ändern. In vielen Bereichen haben wir den Proporz, innerhalb der Fifa würde er großen Sinn machen.
So zementiert sich bei der Fifa eine Greisenherrschaft wie man sie aus der Sowjetzeit kannte und von der mittlerweile sogar Päpste Abschied nehmen können. Vielleicht hat deshalb der Vatikan bislang keinen Antrag auf Aufnahme in die Fifa gestellt.