Zürich. . Der umstrittene Präsident des Fußball-Weltverbandes eröffnet den Wahl-Kongress mit Jodelmusik. Der Protest der Uefa kann Blatter nicht stoppen.

Der weltweit kritisierte Joseph „Sepp“ Blatter kann sich nach den turbulentesten Stunden seiner Dauer-Regentschaft auf eine fünfte Amtszeit als Fifa-Chef einrichten. Trotz des jüngsten Korruptionsskandals beim Fußball-Weltverband ist die für Freitag geplante Präsidenten-Kür des 79 Jahre alten Schweizers nach dem Boykott-Verzicht der Uefa wieder hochwahrscheinlich. Die Fifa steht nach Festnahmen und Suspendierungen aber mehr denn je am Pranger. Auch IOC-Präsident Thomas Bach nahm Blatter und Co. mit deutlichen Worten in die Pflicht, die moralische Krise zu beenden.

„Wir wissen, dass dieser Kampf herausfordernd und sehr schmerzhaft sein kann. Es gibt aber keinen anderen Weg, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen“, sagte der deutsche Olympia-Chef bei der Eröffnung des Fifa-Kongresses am Donnerstag in Zürich. „Alle Fans verfolgen diesen Kongress mit großer Aufmerksamkeit, ich bin einer von ihnen“, sagte Bach.

Die Boykott-Diskussionen der Uefa

Zur Ruhe kommt die Fifa so schnell definitiv nicht. Für den Fall des Blatter-Sieges baute Uefa-Boss Michel Platini eine enorme Drohkulisse auf und schloss einen WM-Verzicht aller Europäer nicht grundsätzlich aus. Bei einer Sondersitzung rund um das Champions-League-Finale in Berlin werde man in der kommenden Woche „alle Möglichkeiten ins Auge fassen“, sagte der Franzose.

Die Vollversammlung der 209 Fifa-Mitglieder begann mit der üblichen traditionellen Eröffnungsshow inklusive Jodelmusik und Techno-Klängen - fast als hätte es in den 36 Stunden zuvor keine sieben Festnahmen von Funktionären inklusive der Blatter-Vize Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo und knallharte Betrugsvorwürfe der US-Justiz gegeben.

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Die dramatische Dimension der Funktionärs-Auseinandersetzungen in den Stunden bis kurz vor dem Kongressstart wurde in der Eröffnungsrede Blatters deutlich, in der ausgerechnet der umstrittene Schweizer zum Kampf gegen korrupte Individuen aufrief. „Ich werde nicht erlauben, dass einige wenige die harte Arbeit der Mehrheit, die so hart für den Fußball arbeitet, zerstören“, sagte Blatter. Er befürchtet neue Enthüllungen: „Ich bin sicher, dass weitere schlechte Nachrichten folgen werden.“

Zuvor hatte Europas Anti-Blatter-Fraktion ihren Boykott-Gedanken für die Präsidenten-Wahl verworfen. Die Uefa-Delegierten werden am Freitag mitstimmen. Dann soll Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein so viele Voten wie möglich erhalten, um Blatter zumindest symbolisch zu schwächen. Der Machtkampf der Fußball-Alphatiere wird weitergehen und die Fifa in den kommenden Monaten vor eine Zerreißprobe stellen.

Der Gegenkandidat aus Jordanien

Nach seiner überraschenden Aussage zum möglichen WM-Verzicht konkretisierte Platini auf eine entsprechende Nachfrage, dass er einen Boykott zwar nicht ankündige, aber dass es ganz sicher „demokratische Entscheidungen“ der Landesverbände geben werde. Eine weitere Option, die Fifa-Maschinerie zu schwächen, ist ein kollektiver Austritt der europäischen Mitglieder aus dem Fifa-Exekutivkomitee. Mit diesen verbalen Grätschen will Platini den Druck auf Blatter hochhalten.

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„Ich bin entsetzt, enttäuscht. Ich habe keine Worte, zu viel ist zu viel“, sagte Platini zu den Skandalen. „Ich finde das wahnsinnig abstoßend.“ Für einen Kongress-Boykott gab es unter den Europäern aber keine Mehrheit. Einige Verbände sind gar pro Blatter. Platini hofft auf 45 bis 46 der insgesamt 53 Europa-Voten für Prinz Ali.

Blatter dürfte die Mehrheit von mindestens 105 Delegiertenstimmen sicher sein. Das bedeutet dann seine Wiederwahl. (dpa)

Fifa-Skandale unter Blatter

Die Präsidentschaftwahl 1998: Der damalige FIFA-Generalsekretär Joseph Blatter gewinnt die Präsidentschaftswahl gegen UEFA-Präsident Lennart Johansson (links) kurz vor WM-Beginn in Frankreich. Bis heute stehen Vorwürfe über angebliche Zahlungen von je 50 000 Dollar an afrikanische Delegierte in einem Pariser Hotel im Raum, die Blatter beharrlich zurückweist.
Die Präsidentschaftwahl 1998: Der damalige FIFA-Generalsekretär Joseph Blatter gewinnt die Präsidentschaftswahl gegen UEFA-Präsident Lennart Johansson (links) kurz vor WM-Beginn in Frankreich. Bis heute stehen Vorwürfe über angebliche Zahlungen von je 50 000 Dollar an afrikanische Delegierte in einem Pariser Hotel im Raum, die Blatter beharrlich zurückweist. © Imago
Der ISL-Skandal: Blatters Präsidentschafts-Vorgänger Joao Havelange (rechts) und dessen ehemaliger Schwiegersohn Ricardo Teixera kassierten Millionen Schmiergeld für WM-Marketing-Deals mit dem später Pleite gegangenen Vermarkter ISL. Blatter wurde von allen Verdächtigungen freigesprochen, obwohl er 1997 als Generalsekretär eine Zahlung an Havelange von 1,5 Millionen Schweizer Franken persönlich zurücküberwiesen und somit offenbar zumindest Kenntnis vom System hatte.
Der ISL-Skandal: Blatters Präsidentschafts-Vorgänger Joao Havelange (rechts) und dessen ehemaliger Schwiegersohn Ricardo Teixera kassierten Millionen Schmiergeld für WM-Marketing-Deals mit dem später Pleite gegangenen Vermarkter ISL. Blatter wurde von allen Verdächtigungen freigesprochen, obwohl er 1997 als Generalsekretär eine Zahlung an Havelange von 1,5 Millionen Schweizer Franken persönlich zurücküberwiesen und somit offenbar zumindest Kenntnis vom System hatte. © Imago
Auch die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften nach Russland...
Auch die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften nach Russland... © Imago
...und Katar sorgte für Ärger. Schon vor der Doppel-Vergabe an Russland und Katar wurden zwei FIFA-Exekutivmitglieder wegen nachgewiesener Bestechlichkeit suspendiert. Die Vorwürfe gegen die beiden künftigen Gastgeber wurden schließlich aufwändig von der FIFA untersucht, aber von den Ethikhütern ohne maßgebliche Ergebnisse eingestellt. Der Generalverdacht wurde aber nie entkräftet. Vom damaligen Exekutivkomitee sind künftig wohl nur noch acht von damals 22 Mitgliedern in dem mächtigen Gremium
...und Katar sorgte für Ärger. Schon vor der Doppel-Vergabe an Russland und Katar wurden zwei FIFA-Exekutivmitglieder wegen nachgewiesener Bestechlichkeit suspendiert. Die Vorwürfe gegen die beiden künftigen Gastgeber wurden schließlich aufwändig von der FIFA untersucht, aber von den Ethikhütern ohne maßgebliche Ergebnisse eingestellt. Der Generalverdacht wurde aber nie entkräftet. Vom damaligen Exekutivkomitee sind künftig wohl nur noch acht von damals 22 Mitgliedern in dem mächtigen Gremium © Imago
Ebenfalls recht dubios lief Blatters Wiederwahl im Jahr 2011 ab. Seinerzeit trat Blatters langjähriger Weggefährte Mohamed bin Hammam gegen den Schweizer an.
Ebenfalls recht dubios lief Blatters Wiederwahl im Jahr 2011 ab. Seinerzeit trat Blatters langjähriger Weggefährte Mohamed bin Hammam gegen den Schweizer an. © Imago
Lange schien es, als könne der Katarer Blatter tatsächlich gefährlich werden. Dann stolperte der Funktionär kurz vor der Abstimmung über konkrete Bestechungsvorwürfe aus der Karibik. Die 35 Stimmen aus der CONCACAF-Zone galten als entscheidend. Blatter hatte den Verbänden eine Million Dollar als offizielle FIFA-Zuwendung versprochen. Bin Hammam versuchte es inoffiziell mit 40 000 Dollar pro Verband - und flog auf, weil ihn andere mittlerweile der Korruption überführte Funktionäre anschwärzten.
Lange schien es, als könne der Katarer Blatter tatsächlich gefährlich werden. Dann stolperte der Funktionär kurz vor der Abstimmung über konkrete Bestechungsvorwürfe aus der Karibik. Die 35 Stimmen aus der CONCACAF-Zone galten als entscheidend. Blatter hatte den Verbänden eine Million Dollar als offizielle FIFA-Zuwendung versprochen. Bin Hammam versuchte es inoffiziell mit 40 000 Dollar pro Verband - und flog auf, weil ihn andere mittlerweile der Korruption überführte Funktionäre anschwärzten. © Imago
Ein ganzes Land im Fußballwahn. Die WM 2006 wurde in Deutschland zum Fußball-Fest. Doch auch dieses Turnier hatte seinen eigenen FIFA-Skandal.
Ein ganzes Land im Fußballwahn. Die WM 2006 wurde in Deutschland zum Fußball-Fest. Doch auch dieses Turnier hatte seinen eigenen FIFA-Skandal. © Imago
Denn FIFA-Vizepräsident Jack Warner trieb es 2006 auf die Spitze, als er die Vermarktung in seinem für das Turnier in Deutschland qualifizierten Heimatland Trinidad und Tobago übernahm. Sein Familienunternehmen strich angeblich 900 000 Dollar Provisionen ein. Die FIFA-Untersuchungen konnte keine Verdachtsmomente gegen Warner, sondern nur gegen dessen Sohn ergeben. Warner senior kam mit einer Verwarnung davon. Warners Exko-Kollege Ismail Bhamjee aus Botswana wurde 2006 überführt, zwölf WM-Karten auf dem Schwarzmarkt verkauft zu haben. 2014 in Brasilien gab es Berichte über vermutlich illegal veräußerte WM-Karten aus dem Besitz des mittlerweile verstorbenen argentinischen Topfunktionärs Julio Grondona.
Denn FIFA-Vizepräsident Jack Warner trieb es 2006 auf die Spitze, als er die Vermarktung in seinem für das Turnier in Deutschland qualifizierten Heimatland Trinidad und Tobago übernahm. Sein Familienunternehmen strich angeblich 900 000 Dollar Provisionen ein. Die FIFA-Untersuchungen konnte keine Verdachtsmomente gegen Warner, sondern nur gegen dessen Sohn ergeben. Warner senior kam mit einer Verwarnung davon. Warners Exko-Kollege Ismail Bhamjee aus Botswana wurde 2006 überführt, zwölf WM-Karten auf dem Schwarzmarkt verkauft zu haben. 2014 in Brasilien gab es Berichte über vermutlich illegal veräußerte WM-Karten aus dem Besitz des mittlerweile verstorbenen argentinischen Topfunktionärs Julio Grondona. © Imago
Nun rollt der nächste Skandal auf die FIFA zu. Sechs Funktionäre wurden festgenommen. Die Vorwürfe: Betrug, Erpressung, Geldwäsche.
Nun rollt der nächste Skandal auf die FIFA zu. Sechs Funktionäre wurden festgenommen. Die Vorwürfe: Betrug, Erpressung, Geldwäsche. © dpa
Der neuerliche Skandal trifft FIFA-Präsident Sepp Blatter zur Unzeit. Am Freitag wollte der Schweizer sich für eine weitere Periode im Amt des FIFA-Präsidenten bestätigen lassen. Blatters Wahl galt als sicher.
Der neuerliche Skandal trifft FIFA-Präsident Sepp Blatter zur Unzeit. Am Freitag wollte der Schweizer sich für eine weitere Periode im Amt des FIFA-Präsidenten bestätigen lassen. Blatters Wahl galt als sicher. © Imago
FIFA-Sprecher Walter De Gregorio versuchte deshalb sein bestes, den umstrittenen Präsidenten am Mittwoch aus der Schusslinie zu holen. Im Rahmen einer Pressekonferenz stellte er klar, dass nicht gegen Blatter ermittel werde. Der Schweizer sehe das Verfahren deshalb
FIFA-Sprecher Walter De Gregorio versuchte deshalb sein bestes, den umstrittenen Präsidenten am Mittwoch aus der Schusslinie zu holen. Im Rahmen einer Pressekonferenz stellte er klar, dass nicht gegen Blatter ermittel werde. Der Schweizer sehe das Verfahren deshalb "ganz entspannt". © Imago
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