Baden-Baden. . Der Diskus-Europameister Robert Harting ist zum Sportler des Jahres gewählt worden, doch er hätte lieber einen Wintersportler auf Platz eins gesehen.
Die Proklamation der Sportler des Jahres im Kurhaus von Baden-Baden hatte noch nicht begonnen, als Robert Harting sich gefordert sah. Bahnradsprinter Robert Förstemann war es in den Rücken geschossen, weshalb der nach einem Kreuzbandriss selbst noch gehandicapte Diskus-Dominator den Olympiadritten von London 2012 in ärztliche Obhut geleitete.
Mit seiner spontanen Hilfsaktion hätte Harting fast den Programmablauf durcheinander gebracht, weil hinter den Kulissen nicht nur medizinisches Personal auf einen Einsatz wartete, sondern auch seine Oma Renate Seidel. Harting bemerkte zum Glück für die folgende ZDF-Sendung seine Großmutter aber nicht, die als Überraschungsgast nach Baden-Baden geladen war, um ihrem Enkel die Trophäe für den Sportler des Jahres 2014 zu überreichen. Der Coup glückte: Verdutzt nahm Harting aus den Händen seiner Oma, auf deren mahnendes Wort er gehört und nach seinem Sieg bei der Europameisterschaft in Zürich das Trikot nicht wie sonst zerrissen hatte, die Gold-Figur entgegen.
Perplex war Harting aber nicht nur wegen des unerwarteten Familientreffens, sondern auch wegen des Hattricks. Zum dritten Mal hintereinander hatten rund 1200 Sportjournalisten den 30-Jährigen zum Meister aller Klassen gewählt. Stolz wie Oskar war der Berliner auf den Oscar des deutschen Sports nach seinem Olympiasieg 2012 und nach seinem dritten WM-Titel 2013 gewesen, doch diesmal fühlte sich Harting gar nicht wohl als Nummer eins.
Höfl-Riesch siegt bei den Frauen
Die erneute Titelverteidigung sei ihm „ein bisschen unangenehm“, gab Harting zu. Auch er hätte in diesem Jahr lieber einen Winterspiele-Sieger vorne gesehen, weil Olympia-Gold hochkarätiger sei als ein EM-Erfolg.
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Doch der Nordische Kombinierer Eric Frenzel und Rodler Felix Loch, für den in Sotschi gleich zweimal die Siegerhymne gespielt worden war, landeten nur auf den Rängen zwei und drei. „Umso schlimmer ist es, dass ich jetzt vorne stehe“, meinte Harting. Er habe sich „bei den Wintersportlern entschuldigt“.
Maria Höfl-Riesch, deren olympische Goldmedaille in der Super-Kombination sowie Silber im Super-G für ihre zweite Ehrung als Sportlerin des Jahres gereicht hatten, äußerte ebenfalls Unverständnis über das Votum pro Harting. „Wenn man bei den Herren schaut, finde ich es eher bedenklich, dass ein Europameister aus dem Sommer anscheinend mehr wert ist als ein Olympiasieger aus dem Winter. Vor allem, weil er es ja jetzt zum dritten Mal in Folge war“, befand Deutschlands erfolgreichste Skirennläuferin.
Auch wenn die Wahl akzeptiert werden müsse, sei das Ergebnis der Abstimmung „für den Wintersport eigentlich sehr traurig und ein bisschen ein Armutszeugnis.“ Eric Frenzel verpackte seine Enttäuschung in diplomatische Worte: „Jeder, der nominiert war, hätte den Sieg verdient gehabt.“
Fußball-Star Kramer mit Kurzbesuch
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Bei der 68. Wahl der Sportler des Jahres kam wieder einmal zum Ausdruck, dass Meriten im Wettkampf nicht das alleinige Kriterium sind für die Punktevergabe. „Ich weiß, dass das sportliche Ereignis nur ein Teil der Marke eines Sportlers ist“, sagte Harting. Sein Profil hatte der früher mit so mancher kruder Äußerung aufgefallene Leichtathlet in den vergangenen Jahren mehr und mehr geschärft als kritischer Geist, Mann der offenen Worte und auch der Tat wie die von ihm mitinitiierte Sportlotterie zur finanziellen Förderung von Athleten, die Ende Januar starten soll. Auch spontane Hilfsaktionen wie im Fall von Förstemann fördern Hartings starke Marke.
Als die Diskussion über den Ausgang der Wahl bei den Männern im Foyer des Kurhauses längst eröffnet war, hatte Fußballprofi Christoph Kramer seinen Kurzbesuch als einziger Spielervertreter des Weltmeisterteams längst beendet. Die traditionelle Absenz der deutschen Balltreter beim so genannten Familienfest des Sports hat nicht verhindert, dass das Team des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit haushohem Vorsprung zur Mannschaft des Jahres gewählt wurde.
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„Für uns ist das nach einem unheimlich schönen Jahr noch mal ein Höhepunkt“, sagte Bundestrainer Joachim Löw, der um Verständnis bat für das Fernbleiben der Spieler: „Klar, dass sie nach so einem langen Jahr jeden Tag Urlaub nutzen wollen. Ich glaube, ein bisschen Toleranz und Verständnis sollte man haben.“