Dortmund. Vom 19. bis 23. Juni findet in Dortmund der 37. Deutsche Evangelische Kirchentag statt. Ein Interview mit Kirchentagspräsident Hans Leyendecker.
Das Motto des Kirchentags lautet ,Was für ein Vertrauen‘. Warum wurde diese Losung gewählt?
Hans Leyendecker: Unsere Gesellschaft steckt in einer Vertrauenskrise. Überall wird häufig nur das Schlechte gesehen, das Gute fällt oft hintenüber. Daher passt die Losung, die aus dem 2. Buch Könige stammt, ganz gut in diese Zeit. Sie versteht sich als Aufforderung, Vertrauen haben zu dürfen und Vertrauen zu geben. Ich selbst hatte immer viel Gottvertrauen, das war stets mein Anker.
Allerdings laufen den Kirchen die Gläubigen weg. Haben diese Menschen kein Vertrauen mehr?
Zur Klarstellung: Der Kirchentag ist eine Laienbewegung und nicht die Kirche. Tatsächlich leidet die Institution Kirche unter einem starken Mitgliederschwund, aber dagegen kann sie etwas tun. In ihrer langen Geschichte hat sie viele Veränderungen erfahren und manche Umwandlung hat sogar geholfen. Der Kirchentag selbst war schon immer Tankstelle für diejenigen, die in der Gesellschaft etwas bewegen möchten und sich oft auch in den Gemeinden engagieren. Der Kirchentag ist ein fröhliches Glaubensfest, das gesellschaftliche Vorgänge kritisch hinterfragt.
Wie passt dann der geplante, Pavillon der guten Nachrichten‘ zum Kirchentag?
Es gibt in unserer Gesellschaft sicherlich viele Dinge, die nicht richtig rund laufen. Allerdings ging es nicht nur unserem Land und seinen Menschen noch nie so gut wie heute. Dennoch erleben wir Miesmacher und Schwarzmaler. Überall werden Probleme gesehen. Der ,Pavillon der guten Nachrichten‘ soll zeigen, dass die Lage sehr viel besser ist, als manch einer meint.
Auf welche Weise wollen Sie das erreichen?
Indem wir deutlich machen, dass sich bei uns und überall auf der Welt in allen Bereichen in den vergangenen Jahrzehnten eine ganze Menge verbessert hat. Einerseits ist beispielsweise die Kindersterblichkeit so gering wie nie. Davon hören wir wenig. Andererseits gibt es Meldungen zu Terroranschlägen. Die beherrschen uns dann tagelang. Informationen darüber sind natürlich wichtig. Aber wir sollten nicht vergessen, dass weltweit weniger Krankheiten auftreten als je zuvor, wir ein höheres Lebensalter erreichen und, und, und. Gleichzeitig werden Menschen im Pavillon beschreiben, was sich in ihrer persönlichen Situation zum Guten verändert hat.
Kehren wir kurz zum Thema Vertrauen zurück. Für WestLotto, das den Kirchentag unterstützt, spielt dieser Begriff ebenfalls eine große Rolle. Denn ohne Vertrauen ist kein Glücksspiel möglich.
Das ist richtig. Ich bin übrigens sehr dankbar dafür, dass WestLotto sich für den Kirchentag engagiert. Denn wir brauchen Unterstützer aus allen Bereichen unserer Gesellschaft. Gut ist dabei auch, dass aus WestLotto-Erträgen das Gemeinwohl gefördert wird. Ich möchte das Thema aber weiter fassen, denn es ist wichtig, dass alle Organisationen, Firmen und Menschen um Vertrauen werben und sich gleichzeitig als vertrauenswürdig erweisen. Vertrauen ist wie die Schaukel, auf der wir sitzen. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass die uns sicher trägt.
Der Kirchentag bietet mehr als 2000 Veranstaltungen, die schafft niemand.
Sie müssen sich natürlich entscheiden, welche Sie besuchen möchten. Ähnlich wie bei den Lottozahlen, da müssen Sie sich auch festlegen, wo die Kreuzchen gesetzt werden. Mit dem umfangreichen Programm berücksichtigen wir die unterschiedlichsten Wünsche der rund 100.000 Besucher.
Kritiker halten den Kirchentag für eine Veranstaltung, auf der zunächst viel Euphorie herrscht und man anschließend wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehren muss. Das sorge im Nachhinein für Frust und Enttäuschung.
Sind es denn wirklich ,Tatsachen‘, die uns zurückholen? Der Kirchentag gibt unglaublich viele Impulse und Anregungen, sich davon eben nicht wieder einfangen zu lassen und im Alltag vielleicht doch das ein oder andere zu ändern. Statt Frust und Enttäuschung spüren wir dann eher Motivation und stellen fest, dass es uns eigentlich ganz gut geht.
Sie haben vorhin die guten Nachrichten angesprochen. Weitere Kernthemen des Kirchentags sind Klima und Umwelt. Müssten dazu nicht eher Hiobsbotschaften verkündet werden?
Auf den Kirchentagen sagen wir immer ganz routiniert, uns gehe es um Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Doch was kommt auf uns, unsere Kinder und Enkelkinder zu, wenn wir daran denken, wie wir mit der Schöpfung umgehen? Die gute Nachricht ist, dass dieses Thema stärker als zuvor in unseren Köpfen verankert ist. Es ist richtig gut, dass sich so viele junge Menschen für Klima und Umwelt intensiv einsetzen.
Der Kirchentag funktioniert nur mit vielen Menschen, die ihn vorbereiten und sich um das Drumherum kümmern. Was rufen Sie diesen Ehrenamtlichen zu?
Ehrenamtliche haben für unsere Gesellschaft eine riesengroße Bedeutung. Ohne sie würde es vieles nicht geben. Und das ist nicht ausreichend im Bewusstsein unserer Gesellschaft hinterlegt. Bei diesen Menschen müssen wir uns jeden Tag aufs Neue bedanken. Und ohne sie wäre ein Kirchentag nicht möglich und bestimmt nicht so bunt und vielfältig.
Das Interview führte Martin Gruse
Zur Person: Wer ist Hans Leyendecker?
Der Journalist Hans Leyendecker ist Präsident des 37. Deutschen Evangelischen Kirchentages. Bereits seit 2011 gehört er der Präsidialversammlung des Kirchentages an. Leyendecker, der am 12. Mai 70 Jahre alt wurde, ist bundesweit vor allem durch seine Tätigkeit als investigativer Journalist für den „Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ bekannt geworden. Er deckte viele politische Affären in Deutschland und im Ausland auf.
>>> WestLotto auf dem Kirchentag
Dortmund ist nach 1963 zum zweiten Mal alleiniger Veranstaltungsort eines Kirchentages. Rund 100.000 Menschen jeden Alters, unterschiedlicher Religionen und Herkunft kommen zusammen, um ein Fest des Glaubens zu feiern und über die Fragen der Zeit zu diskutieren. Der Kirchentag lädt alle ein, sich einzumischen. Es gehe nicht darum, was richtig oder falsch ist, sondern um einen offenen Dialog, heißt es dazu auf der Internetseite. Während der fünf Veranstaltungstage wird es rund 2000 Veranstaltungen geben. Auch Westlotto beteiligt sich:
• WestLotto-Stand „Messe im Markt“ (Westfalen Hallen/Halle 5 Südwest/Standnummer 5A-28): 20. bis 22. Juni von 10.30 bis 18.30 Uhr
• WestLotto-Talk im Zentrum Jugend (Lady Grammophon, Eberstr. 30, 44145 Dortmund): 21. Juni von 11 bis 12.30 Uhr