Rio. Diskuswerferin Frederike Koleiski auf dem Weg zu den Paralympics nach Rio de Jeneiro.
Nach einem verregneten Vormittag kommt gegen Abend endlich die Sonne durch. Auf dem Trainingsgelände der Eintracht Duisburg bereitet sich die Diskuswerferin Frederike Koleiski auf ihren bisher wichtigsten Wettkampf vor: die Paralympics in Rio de Janeiro.
„Don’t stop me now“ schallt es aus Frederike Koleiskis knallroter Lautsprecherbox, als sie mit ihren ersten Trainingswürfen startet. Der Queen-Song ist Programm: Nichts und niemand kann die Sportlerin aufhalten – auch nicht ihre Behinderung. Mit der Teilnahme an den Paralympics 2016 in Rio de Janeiro erfüllt sich die 29-Jährige einen Traum. Ihre Paradedisziplin Kugelstoßen gehört in Brasilien zwar nicht zum Programm, aber auch beim Diskuswerfen belegt die Spitzen-Athletin derzeit Platz vier in der Weltrangliste – und kann sich durchaus Hoffnungen auf eine Medaille machen.
„Persönliche Bestleistung ist Pflicht“, sagt Frederike, die fast jeden Tag trainiert. Ihre persönliche Bestweite liegt bei 31,43 Metern. In Rio soll die Scheibe noch etwas weiter fliegen. Doch bei allem Ehrgeiz – die Begeisterung für den Sport und die Freude an der Bewegung stehen für die Leichtathletin im Vordergrund. Denn lange Zeit war daran gar nicht zu denken.
Eine echte Kämpfernatur
Frederike Koleiski war das, was man ein Naturtalent nennt: mit vier Jahren beim ersten Leichtathletiktraining, später Sportinternat und der Sprung in den Bundeskader. Mit Anfang 20 der Schock: Die junge Frau wird plötzlich krank. Nach schweren Bandscheibenvorfällen bildeten die Wirbelkörper in ihrem Rücken einen Knick und drückten in das Rückenmark. Ihre Wirbelsäule musste künstlich versteift werden, um den Prozess aufzuhalten. Dank der schnellen Operation sitzt Frederike heute nicht im Rollstuhl, dennoch kann sie den rechten Unterschenkel und Fuß nicht mehr bewegen, muss mit eingeschränkten Organfunktionen leben und ist permanent auf Schmerzmedikamente angewiesen.
Doch Frederike kämpft sich zurück. „Ohne Sport geht es nicht. Das ist eine der wichtigsten Säulen in meinem Leben“, sagt sie heute. Als Trainerin bei Eintracht Duisburg gibt sie ihre Erfahrungen an Kinder und Jugendliche weiter, führt sie an den Leistungssport heran – und springt auch schon mal als persönliche Beraterin und Seelentrösterin ein. Nicht umsonst hat sie sich für ein Studium der Psychologie entschieden. Auch die Verbandsarbeit reizt die engagierte Sportlerin, die gerade ein freiwilliges Praktikum beim Behinderten- und Rehabilitationssportverband Nordrhein-Westfalen absolviert hat.
Engagement für den Behindertensport
„Der Behindertensport verdient mehr Aufmerksamkeit“, sagt Frederike Koleiski. Trotz aller Erfolge – unter anderem gewann sie die Bronzemedaille im Kugelstoßen bei der Leichtathletik-WM für Sportler mit Behinderungen 2015 in Doha, Katar – kann sie ihren Sport nicht ohne Rückendeckung der Eltern finanzieren. „Glücklicherweise gibt es die Sportstiftung Nordrhein-Westfalen, die mich monatlich unterstützt, zumindest bis Rio.“ Diese Förderung macht auch das Lotto-Prinzip möglich. Rund 40 Prozent der Spieleinsätze der Tipper bei Westlotto gehen an das Land Nordrhein-Westfalen, das daraus wiederum das Gemeinwohl unterstützt. So auch die Sportstiftung oder den Behinderten- und Rehabilitationssportverband.
Bei dem Gedanken an die Spiele strahlen Frederikes Augen. „Wenn ich ehrlich bin – ein bisschen Gänsehaut habe ich schon, wenn ich mir vorstelle, mit dem Team ins Stadion einzulaufen“, schmunzelt die Werferin. Sie hat alles getan, um auf den Punkt fit zu sein. Jetzt braucht es noch ein bisschen Glück, und dabei soll ihr blauer Diskus helfen, mit dem sie bereits die Qualifikation für die WM in Doha und für die Paralympics in Rio geworfen hat. Und natürlich geht auch das rote Radio mit auf die Reise: „Don´t stop me now“ – jetzt heißt es Daumen drücken!