Essen. Raus aus dem Becken und rein ins Freiwasser: Isabelle Härle hat sich den Traum von der Olympiaqualifikation erfüllt. Parallel dazu schwimmt sie sich derzeit auch im Berufsleben frei: Per „Zwillingskarriere“ der Sportstiftung NRW hat sie beim Landessportbund NRW angedockt.
2011 verließ Isabelle Härle das heißgeliebte Hallenbecken und wechselte ins Freiwasser. „Das war kein leichter Schritt für mich. Freiwasserschwimmen ist schließlich etwas völlig anderes“, sagt die Bad Saulgauerin, die nach einer Zwischenstation in Heidelberg seit 2012 für die SG Essen startet und auch dort lebt. „Aber ich musste mir eingestehen, dass ich im Freiwasser deutlich besser bin. Und grundsätzlich macht man lieber das, worin man erfolgreich ist“, sagt die 28-Jährige.
Karriere neben der Karriere
Derzeit schraubt Isabelle an ihrer Karriere nach dem Sport. Seit September 2015 arbeitet die angehende Masterstudentin der Bewegungs- und Gesundheitswissenschaft einmal wöchentlich im Referat Leistungssport beim Landessportbund in Duisburg. Die Sportstiftung NRW hatte die 28-Jährige im Rahmen der „Zwillingskarriere“, einem eigens konzipierten Baustein der dualen Karriere im Sport, dort unterbringen können.
Bei den Deutschen Meisterschaften 2011 holte sie zwar über 400 (4:12,81 Minuten), 800 (8:34,83 Minuten) und 1500 Meter Freistil (16:20,17 Minuten) das inoffizielle Titel-Triple. Doch zur Qualifikation für die Beckenwettbewerbe der Schwimmweltmeisterschaften in Shanghai reichte es nicht – und auch der Traum von der Olympia-Teilnahme rückte in weite Ferne. Bis Stefan Lurz, Bundestrainer für das Freiwasserschwimmen, ihr einen Platz in seinem WM-Dreier-Team für die Fünf-Kilometer-Distanz schmackhaft machte. Härle sagte zu. Und kraulte auf Anhieb zu Bronze.
Im Freiwasser eine der Schnellsten
Fehlt ihr im Becken laut Bundestrainer Henning Lambertz ein wenig die Grundschnelligkeit, so ist sie im Freiwasser eine der Schnellsten. Und nach dem deutlich verpassten Olympia-Ticket für London 2012 sah auch Isabelle ein, dass der Weg nach Rio für sie nur übers Freiwasser führen konnte. Ihre Leistungen bestätigen das: Bei der Schwimm-WM 2013 in Barcelona holte sie gemeinsam mit Thomas Lurz und Christian Reichert Gold im Team-Wettbewerb, bei der EM in Berlin siegte sie im Einzelwettbewerb über fünf Kilometer in 57:55,7 Minuten. In Rio peilt sie die 10-Kilometer-Strecke im Einzel an. „Das ist vergleichbar mit einem Marathonlauf – ganz schön anstrengend“, sagt die Felix-Award- Gewinnerin von 2014.
Info
Viele Projekte und Organisationen in Nordrhein-Westfalen werden mit Lotterie-Einnahmen unterstützt. So auch die Sportstiftung NRW als gesellschaftlicher Träger. Rund 40 Prozent der Spieleinsätze fließen bei Westlotto in Form von Steuern und Abgaben an den Landeshaushalt, aus dem die Bereiche Breiten- und Spitzensport, Wohlfahrt und Soziales, Natur-, Denkmalschutz und Heimatpflege sowie Kunst und Kultur gefördert werden. Über 26 Milliarden Euro sind auf diese Weise in den vergangenen 60 Jahren erwirtschaftet worden, 2015 allein 654 Millionen Euro.
Steiniger Weg nach Rio
Doch schon der Weg nach Brasilien sollte sich als unwegsam erweisen, denn beim Freiwasserschwimmen geht es um mehr als nur die persönliche Leistungsfähigkeit. „Das Gerangel auf der Strecke ist nicht zu unterschätzen. Das kannte ich aus dem Hallenbecken natürlich nicht, und damit musste ich umzugehen lernen“, sagt Härle. Auch die Bedingungen sind nicht immer leicht: sehr kühles Wasser, Strömungen und tote Ratten oder Sperrmüll im Meer wie bei der WM im Hafenbecken von Barcelona. Manches Rennen entpuppt sich als wahrer Abenteuertrip. Doch wer sein „Wofür?“ kennt, blendet das „Wie?“ aus.
Isabelle Härle schwamm Wettkämpfe rund um den Globus, unter anderem in Hongkong, Ungarn und Abu Dhabi. Für zwei Stunden Wettkampfschwimmen ging es schon mal 19.000 Kilometer hin und zurück nach Mexiko – binnen vier Tagen. Doch der Aufwand sollte sich lohnen: Bei den Freiwasser-Weltmeisterschaften in Kazan im Sommer vergangenen Jahres kam sie über zehn Kilometer als siebte ins Ziel und hatte das Olympiaticket für Brasilien in der Tasche. Dort wartet mit dem Wettkampf direkt an der Copacabana ein weiterer Karrierehöhepunkt – dank der touristischen Lage vermutlich ohne böse Überraschungen im Wasser.