Wuppertal. Drei Männer sollen der Familie Bilder des pflegebedürftigen Ex-Weltmeisters angeboten haben – für 15 Millionen Euro. Nun ist das Urteil gefallen.
Im Fall der gescheiterten Erpressung der Familie von Ex-Formel-1-Rennfahrer Michael Schumacher hat das Amtsgericht Wuppertal alle drei Angeklagten zu Haftstrafen verurteilt. Der Hauptangeklagte (53) muss für drei Jahre hinter Gitter – wegen versuchter Erpressung in einem besonderen Fall. Sein Sohn (39), der seinem Vater geholfen haben soll, erhielt ein halbes Jahr auf Bewährung. Ein ehemaliger Sicherheitsmitarbeiter der Familie, der intimes Bildmaterial vom Anwesen der Schumachers entwendet haben soll, bekam wegen Beihilfe zur Erpressung zwei Jahre Haft auf Bewährung.
Es ging um Fotos und Videos, die eigentlich niemand kennen soll. Weil außerhalb des Anwesens der Familie in der Schweiz keiner weiß, wie es Michael Schumacher geht. Elf Jahre nach dem schweren Skiunfall des siebenmaligen Weltmeisters war es weitgehend gelungen, die Öffentlichkeit über den Gesundheitszustand des 56-Jährigen im Unklaren zu lassen. Bis ein Erpressungsversuch bekannt wurde: Jemand bot einer Mitarbeiterin der Schumachers Bilder des Formel-1-Fahrers an. 15 Millionen Euro wollte der Mann haben, dafür wollte er das Material zurückgeben. Für ihn fordern die Ankläger am Mittwoch eine Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen versuchter Erpressung in einem besonders schweren Fall.

Bilder zeigen „hilflosen und pflegebedürftigen“ Schumacher
Seither sind Polizisten in der Schweiz und in Deutschland eingeweiht, Richter, Rechts- und Staatsanwälte – und offenbar mehrere Personen aus der Unterwelt, die allesamt versucht haben sollen, die brisanten Dateien auf zwei Festplatten zu Geld zu machen. Einem Zeugen sollen sie für eine halbe Million angeboten worden sein, offenbar ist der Preis später gestiegen. Im Prozess vor dem Wuppertaler Amtsgericht hörte auch das Publikum: Michael Schumacher sei krank, so viel sei auf Fotos zu sehen, die den „hilflosen und pflegebedürftigen“ Familienvater zeigen, im Krankenbett oder im Rollstuhl. „Sichtlich gezeichnet durch den Unfall.“ Die Datenträger, von denen einer weiterhin verschwunden sein soll, enthielten mehr als 1000 Bilder und Videos, eine Krankenakte, die Medikamentenliste.
Besorgt haben soll alles ein 53-Jähriger aus Wuppertal, der als Sicherheitsmann für die Schumachers gearbeitet haben, nach Unstimmigkeiten aber entlassen worden sein soll. Ein gleichaltriger Türke aus Wülfrath, mit dem Securitymann aus der Türsteherszene bekannt, soll mithilfe seines mitangeklagten Sohnes die Daten angeboten haben – angeblich nur, um diese zurückzugeben. Dass der Erpressungsversuch scheiterte, lag nach Ansicht der Staatsanwaltschaft daran, dass er „dilettantisch“ war: Es sei zudem „keine besonders schlaue Idee“ gewesen, „eine so prominente Familie zu erpressen“. Er habe auch gar nicht erpressen wollen, behauptete der Hauptverdächtige am ersten Prozesstag im Dezember, lediglich die Bilder zurückgeben und damit ein „Geschäft“ machen. Er habe aber wohl „Scheiße gebaut“. „Widerlich“ sei das gewesen, ergänzt er am Mittwoch.
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Sein „Lieferant“ hat im Prozess alle Vorwürfe bestritten. Er sei bei den Schumachers „Mädchen für alles gewesen“, sei später unsanft aus dem Dienst entfernt worden. Mit dem Diebstahl der Bilder habe er indes nichts zu tun. Auch nicht mit einer ebenfalls entlassenen Pflegekraft, die als Dritte im Bunde mit dem „Verkauf“ zu tun gehabt haben soll und gegen die der Staatsanwalt zwischenzeitlich auch ermittelte. Der Wuppertaler gab an, nichts zum Verbleib des Materials zu wissen, er wolle sich auch „nicht an Spekulationen beteiligen“. Für ihn forderte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch wegen Beihilfe zur Erpressung ein Jahr Haft auf Bewährung. Die Nebenklage im Auftrag von Ehefrau Corinna plädierte sogar auf vier Jahre: am Amtsgericht die höchstmögliche Strafe. Für sie ist der 53-Jährige der Haupttäter. Dagegen kommt für den Verteidiger nur Freispruch infrage.

Die Opferfamilie gab sich von Anfang an überzeugt, dass der 53-Jährige schuldig sei, sogar die treibende Kraft. Das große Problem sei, sagte Managerin Sabine Kehm als Zeugin: „Wo zieht man die Grenze zwischen Vertrauen und Misstrauen?“ Sie selbst habe auch dem Angeklagten, einem „sehr netten und hilfsbereiten Menschen“, vertraut. Nach den ersten verdächtigen Anrufen war sie es, die Anzeige erstattete. Und mit Schumachers Ehefrau Corinna, die sich im Prozess als Nebenklägerin von Anwälten vertreten ließ, eine Absprache traf: „Wir lassen uns niemals erpressen.“
Der Prozess war von großem Interesse der Öffentlichkeit begleitet, auch Presse aus England oder Japan blickte nach Wuppertal. Dort machten einige Zeugen es dem Amtsgericht schwer: Sie widersprachen sich, widerriefen Aussagen oder erschienen erst gar nicht. (mit dpa)