Düsseldorf. Bundestagswahl 2025: Lavinia Esser aus Düsseldorf ist zu jung für die Wahl. Was treibt die 16-Jährige an, trotzdem für die SPD zu werben?

„Guten Tag, wir sind von der SPD. Wir möchten Ihnen gerne ein paar Infos zur Bundestagswahl geben“, sagt Lavinia Esser und hält dem Mann, an dessen Haustür sie geklingelt hat, einen Flyer entgegen. Dann fragt die junge Frau: „Wählen Sie am 23.?“ Der Mann an der Haustür antwortet: „Ja, aber nicht die SPD.“

Lavinia Esser darf am 23. Februar nicht wählen. Sie ist 16. Trotzdem setzt sie sich für ihre Partei ein. Sie ist in die SPD eingetreten, engagiert sich bei den Jusos. Sie hat an mehreren Wahlkampfschulungen teilgenommen, an Wahlständen die Menschen angesprochen, an Haustüren Flyer verteilt. Was treibt sie an?

Bundestagswahl 2025: Wahlprogramm und ein freundliches Wort

Lavinia Esser legt dem Mann an der Haustür das Wahlprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ans Herz. Einen Versuch, ihn zu überreden, die erste und die zweite Stimme der SPD zu geben, unternimmt sie nicht. Lavinia Esser: „Meinungsverschiedenheit ist ja auch gut.“

Lavina Esser engagiert sich im SPD Wahlkampf
„Guten Tag, wir sind von der SPD“, begrüßt Lavina Esser die Menschen an der Haustür. Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Natürlich wollen sie und ihre „Genossen“, die an diesem Tag von Tür zu Tür gehen, für die Partei werben. Aber vor allem: Mobilisieren! Die SPD hat in Reisholz, einem industriell geprägten Düsseldorfer Stadtteil, bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2021 am besten abgeschnitten. Nun sollen die Wähler den Gang zur Urne bloß nicht versäumen. Und dafür klingeln die „Genossen“ sowohl bei den Neubauten an als auch bei den Altbauten mit sechs Etagen ohne Aufzug.

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Immer in Zweier-Teams machen sie „TzT“, wie sie die „Tür zu Tür“-Strategie nennen. In den USA sei man damit sehr erfolgreich, so Adis Selimi – mit dem Bundestagskandidaten zieht Lavinia Esser los.

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„Meine Eltern waren schon immer auf der sozialdemokratischen Spur“, erzählt die junge Frau aus dem Düsseldorfer Stadtteil Heerdt und streicht sich eine Strähne ihres braunen Haars aus dem Gesicht. Sie habe mit ihnen schon früh regelmäßig die Tagesschau gesehen. Dann habe sie im Fernsehen erfahren, dass es immer mehr Kriege gibt, dass der Rechtsradikalismus zunimmt. „Ich habe gedacht: Ich muss etwas bewirken. Dann bin ich in die SPD eingetreten.“

Lavina Esser engagiert sich im SPD Wahlkampf
Ins Gespräch kommen, diskutieren. Das tun die Wahlkämpfer auch. Doch Lavina Esser und der SPD-Bundestagskandidat Adis Selimi wollen mit ihrem Haustürwahlkampf vor allem die Leute mobilisieren, am 23. Februar zur Wahl zu gehen. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Die Grundsätze der Partei haben sie überzeugt. „Das Soziale. Und dass wir mit voller Wucht mit unserer Meinung gegen Rechtsradikale steuern“, betont sie. „Und dass wir eine Arbeiterpartei sind.“ Es sei einfach nicht fair, dass eine Krankenschwester so wenig verdient, obwohl sie so schwer arbeitet. Lavinia Essers Mutter war lange Zeit als Erzieherin tätig und schult nun um. Ihr Vater ist Geschäftsführer in der Gastronomie.

Kämpfen lernt sie bei Wahlkampfschulungen

An drei Wahlkampfschulungen hat Lavinia Esser teilgenommen. Von den Jusos NRW, den Jusos Düsseldorf und der SPD Düsseldorf. Schließlich lernt man so etwas nicht in der Schule: „Wie man einen Wahlkampfstand plant, wie man Wahlkampf mit den Sozialen Medien macht.“ Auch wie man sich mit den Menschen persönlich unterhält, damit sie gut nachvollziehen können, warum sie ihre Partei wählen sollten. Und dass man sich niemals alleine aufmacht, hat Lavinia Esser auch gelernt. Immer zu mehreren. Das ist sicherer.

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Nächste Haustür. Eine Frau mit grauem Haar freut sich über den Besuch. Allerdings fügt sie hinzu: „Ich fände es gut, wenn die SPD wieder das würde, was sie mal war, als ich jung war.“

Lavina Esser engagiert sich im SPD Wahlkampf
Später möchte die 16-jährige Lavina Esser als Anwältin arbeiten. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Wie findet Lavinia Esser es, dass sie nicht wählen darf? „Auf der einen Seite finde ich es echt schade.“ Sie würde gerne ihre Partei auch mit ihren Kreuzchen unterstützen. „Auf der anderen Seite ist es schon richtig, weil viele in meinem Alter würden rechtsextreme Parteien wählen“, ist Lavinia Esser überzeugt.

Geringe Mieten für Auszubildende

Von ihrer Generation wünscht sie sich, dass sie nicht auf Fake News hereinfallen. Lavinia Esser versucht sie zu überzeugen, mit dem Programm der SPD. Ein Beispiel: Das Wohnen soll für Auszubildende und Studierende bezahlbar werden, ein WG-Zimmer nicht mehr als 400 Euro kosten. Die Jusos entwickelten dazu die Idee der „400 €-WG-Garantie“.

Schüler erkennen Fake News nicht

Viele Jugendliche in Deutschland erkennen Fake News nicht. Weniger als die Hälfte (47 Prozent) der Schülerinnen und Schüler fühlt sich in der Lage, die Qualität der im Internet gefundenen Informationen zu beurteilen, wie eine von der Technischen Universität München veröffentlichte Sonderauswertung der jüngsten Pisa-Studie zeigt. „Sie haben einen erheblichen Nachholbedarf beim kritischen und reflektierten Umgang mit Informationen im Internet“, sagt Samuel Greiff, der die PISA-Studie in Deutschland leitet. Ein Drittel der Jugendlichen überprüft außerdem nicht, ob eine Information richtig ist, bevor sie in sozialen Netzwerken verbreitet wird.

„Sehr gut, macht weiter so!“, feuert ein Mann an einer Tür das Wahlkampfteam an. Eine Anwohnerin mit Kopftuch nimmt Lavinia Essers Flyer entgegen. Seit 50 Jahren wähle sie die SPD, erzählt die Frau. Aber dieses Jahr? Ihr Sohn sage, sie solle auch jetzt die SPD wählen. „Vielleicht können wir sie wieder überzeugen“, sagt Kandidat Adis Selimi.

Lavina Esser engagiert sich im SPD Wahlkampf
Von Tür zu Tür: Im Duo durch die Straßen. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Bei der Europawahl 2024, bei der erstmals schon 16-Jährige wählen durften, entschieden sich viele junge Menschen für die AfD. „Die Leute waren nicht zufrieden mit der Politik“, erklärt sich Lavinia Esser das Verhalten. Und: „Es liegt an den Sozialen Medien, an TikTok. Die AfD hat da frühzeitig etwas gerissen.“

Wahlkampf mit Memes und Videos

Sie selbst ist mittlerweile im Vorstand der Jusos Düsseldorf und „Medienbeauftragte“. Schlagwörter seien in den Sozialen Medien wichtig, „Memes kommen auch immer gut an“, nennt sie eine weitere Möglichkeit, junge Leute zu erreichen. „Videos zu posten, mit Untertiteln, ist auch sehr wichtig.“

Trotzdem zieht sie in diesen Tagen etwa zweimal in der Woche am Nachmittag in den Wahlkampf. Und auch an den Samstagen hat sie an Ständen mitgeholfen. Ist der Weg von Haustür zu Haustür nicht zu mühselig? Und braucht es für den direkten Kontakt nicht besonders viel Mut?

Lavina Esser engagiert sich im SPD Wahlkampf
Keiner da? Dann erinnert wenigstens ein Tür-Anhänger, dass die SPD da war. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

„Ich bin ein offener Mensch“, sagt die Gymnasiastin. Ihr liege es, sich für Dinge starkzumachen, die ihr etwas bedeuten. Ein Mann an einer Haustür meint: „Du hast deinen Vater gut im Griff!“ Nein, der 30-jährige Adis Selimi ist nicht ihr Papa. Die zierliche Lavinia Esser räuspert sich, bei der nächsten Tür klingt ihre Stimme noch fester. Ihre Worte zeigen Größe. „Es macht nichts aus, wie alt man ist, es kommt auf die Kommunikation an.“

Reaktionen von freundlich bis ablehnend

Ein Fenster öffnet sich, als Lavinia Esser und Adis Selimi auf eine Tür zugehen. „Was wollen Sie da machen?“, hält ein älterer Herr sie durchs Fenster rufend auf. Adis Selimi: „Wir wollen mit Ihnen ins Gespräch kommen, über die Bundestagswahl.“ Der ältere Herr: „Brauchen Sie nicht!“ Fenster zu.

Lavina Esser engagiert sich im SPD Wahlkampf
Zufrieden mit diesem Tag: die 16-jährige Lavina Esser wird ihre Partei bis zur Wahl weiter unterstützen. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Manche Menschen an den Türen sind abweisend. Aber die meisten reagieren freundlich. Und keiner ist an diesem Tag richtig unverschämt. Lavinia Essers Strategie in solchen Momenten: „Lächeln und ,Weiterhin einen guten Tag‘ wünschen. Man kann schließlich nichts dagegen machen.“

Es ist kalt, es ist nachmittags. Sie könnte sich in dieser Zeit auch mit Freunden im Warmen treffen. Nicht Lavinia Esser, die später als Anwältin arbeiten möchte. Ihr Ziel: „Ich finde es wichtig, dass sich viele Leute politisch engagieren. Jede Meinung zählt.“

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