Bochum. Bei dem Bochumer Anwalt fand man im August ein fortgeschrittenes Ösophagus-Karzinom. Fünf Monate später gilt der 65-Jährige als geheilt.

„Es ist wieder Krebs“, erklärten die Ärzte. „Und dieses Mal müssen wir operieren, in Brust- und Bauchraum.“ Dieter Wember schießen noch heute die Tränen in die Augen, wenn er von diesem Moment im August 2024 erzählt – als er erfuhr, dass in seiner Speiseröhre erneut ein Tumor gefunden worden war, ein Ösophagus-Karzinom. „Das sitzt“, sagt er. „Dem Tode nahe“ habe er sich gefühlt. Vorsorge, glaubt er heute, habe ihm das Leben gerettet.

Dieter Wember ist 65, Anwalt mit eigener Kanzlei in Bochum – und der „Vorsorge-Typ“, das erzählt er gleich beim ersten Telefonat. Hautarzt und Kardiologen sieht er regelmäßig, auch zum Urologen geht er „natürlich“. Wegen seiner Divertikulose, einer chronischen Darmerkrankung, lässt der Vater eines erwachsenen Sohnes zudem alle paar Jahre Darm- und Magenspiegelungen machen. Zu glauben: dass die Vorsorge verhindere, dass er erkranke – so naiv ist er indes nicht. „Ich bin kein Träumer“, erklärt er, „ich gehe die Dinge rational an.“

Mitte 2023 fielen im Rahmen einer Magenspiegelung Zellveränderungen in seiner Speiseröhre auf, Folge eines chronischen Reflux. Dass Magensäure in seine Speiseröhre zurückfließt, davon hatte er bis dato absolut nichts bemerkt. „Vielen Patienten geht das so“, erklärt Prof. Juris Meier, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie und Diabetologie der Bochumer Augusta Kliniken. In der Folge, wegen der ständigen Reizung der Schleimhaut durch die Magensäure, komme es aber oft zu solchen Zellveränderungen, der sogenannten „Barrett-Schleimhaut“.

„Wir arbeiten inzwischen fast wie unter dem Mikroskop“

In der obersten der vier Schleimhaut-Wandschichten von Dieter Wembers Speiseröhre steckte ein sogenanntes Frühkarzinom – das umgehend endoskopisch entfernt wurde. Technisch anspruchsvoll, aber wenig belastend für die Betroffenen. „Mit einer Elektroschlinge haben wir es herausgeschnitten, damit war es ausgestanden“, erläutert Experte Meier. Hightech mache das möglich, „wir arbeiten inzwischen fast wie unter dem Mikroskop.“ „Keine große Sache“, erinnert sich auch der Patient, „nach zwei Tagen war ich wieder zu Hause.“

Bochum - Dieter Wembel leidet an Speiseröhrenkrebs
Freuen sich alle drei über den „extrem erfreulichen Verlauf“ : Patient Dieter Wembel zwischen seinem Chirurg Benno Mann (l.) und dem Endoskopie-Spezialisten Juris Meier. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Doch solche Tumoren kommen an anderer Stelle gerne wieder zurück, „in 20 bis 30 Prozent der Fälle“, erläutert Meier. Weswegen engmaschige Kontrollen angesagt waren. Bei einer davon, im August vergangenen Jahres, schlugen die Ärzte Alarm. In Wembers Speiseröhre saß ein neues Karzinom. Und dieses Mal hatte es sich tief in die Schleimhautwand gefressen. Die Tumorkonferenz empfahl eine „radikale Resektion“. „Wir müssen operieren“, sagten die Ärzte also, „im Bauch- und im Brustraum.“ Und sie stellten klar: „Das wird nicht einfach, das ist ein sehr großer Eingriff.“ Aber es ist einer, den sie minimalinvasiv und Roboter-gestützt durchführen in den Augusta-Kliniken, die seit 8. November 2024 zertifiziertes Ösophaguskarzinom-Zentrum sind.

„Noch erfolgen 95 Prozent solcher Eingriffe in Deutschland offen“

Seit 2014 setzt Benno Mann, der 2003 von der Charité in Berlin nach Bochum kam, als Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie/Robotic Surgery, den „Da Vinci“-Roboter bei Speiseröhrenkrebs-Operationen ein. „Er war der erste in Deutschland“, sagt Meier. Noch heute würden 95 Prozent solcher Eingriffe hier „offen“ (über einen Bauchschnitt) gemacht. Was für den Patienten, die Patientin fünf bis sieben Tage Intensivstation und drei bis vier Wochen Krankenhaus bedeute – „wenn alles glattläuft und es keine Komplikationen gibt“.

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Mann operierte auch Dieter Wember. Er entfernte mit Roboter-Assistenz dessen Tumor großräumig, schnitt ihm dazu 25 Zentimeter aus der insgesamt nur 40 Zentimeter langen Speiseröhre. Teile des Magens zog er anschließend als Schlauch hoch, als neue Verbindung zur Speiseröhre. Fünf Stunden lang Wember auf dem OP-Tisch, eine Nacht auf der Intensivstation; nach 13 Tagen durfte er heim; sechs Wochen später war er zurück in der Kanzlei. Nur fünf kleine Schnitte im Bauch und vier in der Brust zeugen noch von der Operation. „Das Schlimmste war die Thoraxdrainage“, erinnert sich Dieter Wember.

Fleisch schmeckt nicht mehr, Bier geht gar nicht: „Damit lässt sich leben“

„Ein Bilderbuch-Verlauf“, sagt Benno Mann, „kein typischer Fall.“ Nur, weil er die Vorsorge und die Kontrolluntersuchungen wahrgenommen habe, denkt Wember, „wurde das erste Karzinom überhaupt, und das zweite so rechtzeitig erkannt, dass es noch therapierbar war.“ „Die meisten Patienten kommen tatsächlich erst, wenn sie nicht mehr schlucken können“, ergänzt Juris Meier. „Und dann ist die Prognose deutlich schlechter, dann brauchen 90 Prozent zudem schon vor dem Eingriff Chemo- oder Strahlentherapie.“ Dieter Wember brauchte auch danach keine und seine Prognose ist hervorragend: „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist er von diesem Krebs geheilt“, sagen seine Ärzte.

Dieter Wember leidet an Speiseröhrenkrebs - der früh erkannt wurde, dennoch zurückkam. Das er noch lebt, verdankt er der Vorsorge, sagt der Anwalt aus Bochum. Interview mit Patient Wembel und den beiden Ärzten Prof. Dr. Juris Meier (Kittel) und Dr. Benno Mann (Shirt)  in der Augusta-Klinik in Bochum am Donnerstag den 16.01.2025.  Foto: Lars Heidrich / FUNKE Foto Services

„Die meisten Patienten kommen tatsächlich erst, wenn sie nicht mehr schlucken können.“

Prof. Juris Meier
 Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie und Diabetologie der Bochumer Augusta Kliniken

Wember erzählt, dass er schon wieder bei drei großer, statt sechs kleiner Mahlzeiten am Tag sei. Aber dass es nicht wie früher sei. Fleisch etwa schmecke ihm nicht mehr; wenn er zu schnell esse, bilde sich sofort ein dicker Kloß im Magen; Bier gehe „gar nicht“; schlafen könne er nur auf einem speziellen „Keilkissen“. „Der Magen arbeitet eben nicht mehr wie früher“, erklärt Meier. Der einst „große Sack“ sei nun ein „dünner Schlauch“, Nerven seien durchtrennt worden. Mit diesen Einschränkungen ließe sich aber sehr gut leben, findet sein dankbarer Patient.

Geholfen habe ihm im Übrigen auch der Anschluss an eine Selbsthilfegruppe in Köln. „Ist eigentlich nicht mein Ding, im Kreis zu sitzen und zu reden“, erzählt der Anwalt. Seine Frau habe ihn „hingeschleppt“. Aber dann „tat das doch sehr gut“: „30 Leute da und alle haben das, was ich habe. Aber längst nicht alle hatten so viel Glück wie ich.“ Fünf Monate nach dem Tag, da er sich „dem Tode nahe“ fühlte, überschattet seine Erkrankung sein Leben nicht mehr. „Der Gedanke an den Krebs kommt noch auf“, sagt Dieter Wember, „aber er regt mich nicht mehr auf.“