Bochum. Die Heilungschancen sind in frühen Stadien exzellent. Doch Ösophagus-Karzinome werden meist zu spät erkannt. Was man über diesen Krebs wissen muss.

In Deutschland erkranken jährlich rund 6100 Männer und 1800 Frauen an Speiseröhrenkrebs – und zwei Drittel der Tumoren werden erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Wie erkennt man ein Ösophagus-Karzinom rechtzeitig, wie kann man sich schützen, wie wird dieser Krebs behandelt? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist ein Ösophagus-Karzinom?

Ein Krebs in der Speiseröhre (Ösophagus) oder am Übergang von Speiseröhre zu Magen. Man unterscheidet zwei Hauptformen: Plattenepithel- und Adenokarzinome. Plattenepithelkarzinome entstehen in der oberen Schicht der Speiseröhrenschleimhaut. Bis vor 25 Jahren waren sie die dominierende Variante, dreimal häufiger als Adenokarzinome – erläutert der Chirurg und Privatdozent Benno Mann, Chefarzt der Augusta-Kliniken in Bochum, spezialisiert auf Roboter-gestützte Speiseröhrenkrebs-Operationen. Adenokarzinome gehen von den Schleim-produzierenden Zellen aus, 2024 machten sie 80 Prozent der Fälle aus.

Wie häufig kommt diese Erkrankung vor?

Der Deutschen Krebsgesellschaft zufolge ist Speiseröhrenkrebs in Deutschland mit jährlich knapp 8000 Neu-Betroffenen eine relativ seltene Tumorerkrankung. Im Durchschnitt sind Frauen bei der Diagnose 71, Männer 67 Jahre alt (und zudem deutlich häufiger betroffen). Bei immerhin fünf Prozent der Bevölkerung finde man eine „Barrett-Schleimhaut“, erläutert Prof. Juris Meier, Chef-Gastroenterologe der Augusta-Kliniken. Sie gilt als Vorstufe des Speiseröhrenkrebses.

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Was sind die ersten Symptome?

„Schluckstörungen“, sagt Meier. Folge der tumorbedingten Verengung der Speiseröhre. Später komme ein „Schmerz hinter dem Brustbein“ dazu, doch dann sei der Tumor oft schon sehr groß.

Speiseröhre
6100 Männer und 1800 Frauen erkranken jährlich an Speiseröhrenkrebs. Schluckbeschwerden sind oft das erste Anzeichen. © Anastasiia - stock.adobe.com | stock.adobe.com

Wie erfolgt die Diagnose?

Über Magenspiegelung und Gewebeproben. Bestätigt sich der Verdacht, sind weitere Untersuchungen erforderlich, um festzustellen, wie weit sich der Tumor bereits verbreitet hat: etwa eine Computertomografie oder eine Endosonografie, eine endoskopische Ultraschalluntersuchung.

Wie sieht die Therapie aus?

Die Ergebnisse der Untersuchungen werden „in jedem Fall“ dem Tumorboard der Klinik vorgelegt, in dem Vertreter unterschiedlicher medizinischer Disziplinen sitzen, erläutern Mann und Meier. Die Spezialisten diskutieren den Fall, entscheiden gemeinsam über das weitere Vorgehen. Wird das Ösophagus-Karzinom frühzeitig erkannt, ist eine komplette Heilung das Ziel und die Entfernung des Tumors „Therapie der Wahl“ – unter Umständen kann diese Operation sogar endoskopisch erfolgen.

Bei fortgeschritteneren Tumoren müssen meist Teile der Speiseröhre mit entfernt und die verbleibenden neu mit dem Magen verbunden werden – auch das kann minimalinvasiv, also ohne Öffnung von Brust- oder Bauchraum passieren. „Aber nur zehn Prozent der Patienten“, erläutert der Bochumer Experte Benno Mann, „können wir direkt operieren.“ 90 Prozent brauchen vor der OP (neoadjuvant) eine Chemo- und/oder eine Strahlentherapie, um den Tumor zu verkleinern. Hat der Krebs bereits in andere Organe gestreut, ist laut Deutscher Krebsgesellschaft eine Heilung oft nicht mehr möglich. Bei bestimmten Verläufen kommen zudem Antikörper- oder zielgerichtete Krebstherapien in Betracht.

Dieter Wembel leidet an Speiseröhrenkrebs - der früh erkannt wurde, dennoch zurückkam. Das er noch lebt, verdankt er der Vorsorge, sagt der Anwalt aus Bochum. Interview mit Patient Wembel und den beiden Ärzten Prof. Dr. Juris Meier (Kittel) und Dr. Benno Mann (Shirt)  in der Augusta-Klinik in Bochum am Donnerstag den 16.01.2025.  Foto: Lars Heidrich / FUNKE Foto Services

„Ein Drittel der Patienten erreicht uns dann, wenn gar nicht mehr operiert werden kann.“

Privatdozent Benno Mann
Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie/Robotic Surgery an den Augusta-Kliniken Bochum

Wie lautet die Prognose?

In frühen Stadien der Erkrankung sei die Prognose „exzellent“, sagt Juris Meier. In mittleren liege die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei rund 54 Prozent und in noch weiter fortgeschritteneren sei die Prognose „sehr schlecht“. Durchschnittliche Fünf-Jahres-Überlebensraten von 25 beziehungsweise 24 Prozent berechnet das Robert-Koch-Institut für betroffene Frauen und Männer; es zählt das Ösophagus-Karzinom zu den „Krebs­erkran­kungen mit ungünstigen Über­lebens­aussichten“. Der Grund: Nicht einmal jeder dritte Tumor wird in einem noch frühen Stadium diagnostiziert. „Und ein Drittel der Patienten erreicht uns erst dann, wenn gar nicht mehr operiert werden kann“, erläutert Mann.

Was sind die Risikofaktoren?

Viel Alkohol und Nikotin – vor allem in Kombination – gelten als wichtigste Risikofaktoren für das Plattenepithelkarzinom; Rückfluss von Magensäure (Reflux) als Hauptursache für das Adenokarzinom. „Ab und zu“ nach einem schweren Mahl unter Reflux zu leiden, sei aber „völlig normal“, sagt Meier. „Jede Woche ist nicht normal.“ Übergewicht, ergänzt er, gehe zudem ebenfalls mit einem höheren Risiko auch für diesen Krebs einher.

Kann man vorbeugen?

In Japan, so Meier, stehe eine gastroskopische Vorsorge jedem Versicherten zu. In Deutschland ist das ohne entsprechende Indikation nicht der Fall, die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen hier (über 50-Jährigen) lediglich die Darmspiegelung. „Wir fänden es sinnvoll, wenn jeder mit 50 auch einmal eine Magenspiegelung machen ließe“, sagt Meier. Um zugleich anzuhängen: „Aber wo? Auf Termine beim Gastroenterologen warten Sie doch heute schon oft ein halbes Jahr.“