Essen/Bedburg. Bahman Afzali aus dem Rheinland gehört zu den wenigen Ärzten, die die neue elektronische Patientenakte testen. Worauf er sich freut
Kurz vor dem Start eines der größten Digitalisierungsprojekte im deutschen Gesundheitswesen ist Dr. Bahman Afzali überraschend gut gelaunt: Am 15. Januar geht die neue elektronische Patientenakte in den Testlauf und der 35 Jahre alte Allgemeinmediziner aus dem Rheinland gehört zu den ersten seines Fachs, die diese neue ePa testen dürfen.
„Das ist ein absoluter Gamechanger, auf den wir uns richtig freuen“, sagt Afzali. „Gerade für uns Hausärzte wird die elektronische Patientenakte viele Vorteile bringen.“ Wolle ein Patient den Befund seiner Darmspiegelung wissen, müsse er als behandelnder Hausarzt den Ergebnissen nicht länger hinterhertelefonieren. Wisse ein anderer nicht mehr, welches Medikament der Facharzt verschrieben hat, reiche ein Blick in die neue Patientenakte. „Das macht die Dinge so viel leichter.“
Schluss mit Zettelwirtschaft: Neue ePa wird in NRW-Praxen getestet
Die neue Digitalakte soll Schluss machen mit der Zettelwirtschaft im Gesundheitswesen. In der Akte sollen Befunde, Medikationslisten, Arztbriefe und bildgebende Diagnostik gebündelt werden. Patientinnen und Patienten erhalten über eine App ihrer Krankenkasse Zugriff darauf, können ihre Daten verwalten und Befunde hochladen. Versicherte können der ePa widersprechen. Zunächst wird die Akte in NRW in einzelnen Städten und rund 130 Praxen sowie einigen Kliniken getestet, erst im Anschluss soll sie bundesweit von behandelnden Ärztinnen und Ärzten genutzt werden.
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Die Skepsis war im Vorfeld vielerorts groß. Niedergelassene Medizinerinnen und Mediziner befürchten einen bürokratischen Mehraufwand und auch Sicherheitsbedenken sind zuletzt wieder laut geworden. Afzali indes erzählt, dass er sich als einer der ersten gemeldet habe, als Pilotpraxen gesucht worden seien. „Wir wollen mitreden und mithelfen zu erkennen, was funktioniert und was nicht.“ Der Mediziner findet: Zu oft würde den Praxen Digitalisierung aufgedrückt. Er wolle lieber aktiv daran teilnehmen und habe deshalb auch schon eine vorherige Version der elektronischen Patientenakte getestet.
„Wir wollen mit dem System warm werden, die einzelnen Funktionen testen und gucken, wo das System dumm ist. “
Nun gehört der 35-Jährige sicher nicht zu den typischen Haus- und Landärzten: Wenn er gerade keine Patienten behandelt, arbeitet Afzali als Mitgründer des Dienstleisters „Docport“ daran, anderen niedergelassenen Medizinerinnen und Medizinern den Weg zur digitalen Praxis zu ebnen.
Skepsis im Team: Wie aufwendig wird es sein, die neue ePa zu füllen?
In der eigenen Praxis, einem medizinischen Versorgungszentrum in Bedburg im Rheinland, arbeiten neben Afzali eine Ärztin und sechs Fachangestellte. Die Beschäftigten und auch Patientinnen und Patienten habe er im Vorfeld des Testlaufs angesprochen und vorbereitet. Gerade die Sorge, dass die ePa mehr Arbeit mache als sie Zeit spare, sei im Praxisteam zu spüren gewesen.
Afzali sieht diese Gefahr nicht, aber er habe mit der alten ePa auch bereits Erfahrungen gesammelt. Der Hausarzt beschreibt den Aufwand so: Die neue ePa werde an die Software der Praxis angedockt. „Dann schiebe ich Daten aus meinem System in die ePa.“ Fertig? Nicht ganz: „In den letzten sechs Monaten hatten wir sechs Patienten, die eine alte Version der elektronischen Patientenakte genutzt haben. Künftig wird jeder Patient prinzipiell eine ePa haben können.“ Die Herausforderung werde also sein, wie praxistauglich das System ist und wie hoch der Beratungsaufwand.
Alte Befunde lädt die Praxis nicht selbst hoch
Am Anfang geht es darum auszuprobieren. „Wir wollen mit dem System warm werden, die einzelnen Funktionen testen und gucken, wo das System dumm ist. Wir werden das Ding auseinandernehmen.“ Alles, was im Testlauf auffällt, auch Tipps im Umgang mit der ePa, sollen der Gematik gemeldet werden, der Betreibergesellschaft für die Digitalisierung im Gesundheitswesen.
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Überhöhte Erwartungen von Patienten will Afzali gleich ausräumen: Die ePa werde kein Tagebuch - übertragen würden nur Befunde und Informationen, die der Patient brauche - wie etwa das Langzeit-EKG, bei dem ein Vorhofflimmern festgestellt worden ist. Alte Befunde würden in der Praxis nicht hochgeladen. „Das ist ja eine patientengeführte Akte“, sagt Afzali. „Wir übernehmen nicht das Krankheitsmanagement.“ Wenn ein Patient Dokumente über einen wichtige Befund zu Hause habe, die er selbst nicht hochladen kann, erhalte er aber Hilfe in der Praxis: „Wir werden niemanden wegschicken.“
Auf den ersten Patienten mit ePa freue er sich jedenfalls schon: „Wir werden eine kleine Party feiern“, sagt er. Wann das sein wird, darüber ließe sich aber nur spekulieren. „Ich nutze selbst als Versicherter eine alte ePa und wohne in einer Modellregion. Und ich gehe nicht davon aus, dass ich Mittwoch eine ePa haben werde. Das wird sich einige Tage hinziehen.“