Essen/Bochum. Ab 15. Januar beginnen die ersten Arztpraxen in NRW, die digitale Patientenakte zu testen. Was sich nun ändert und wie Daten geschützt werden.

Es soll so einfach sein: Wer künftig in der Notaufnahme behandelt werden muss oder die Hausarztpraxis wechselt, muss nicht erst seine Krankengeschichte erzählen. Der behandelnde Arzt findet alles Wichtige in der elektronischen Patientenakte, die digital hinterlegt ist. Jeder und jede gesetzlich Versicherte soll künftig solch eine Akte haben, die Praxen, Kliniken und man selbst mit Befunden, Medikamentenplänen oder Röntgenbildern befüllt. Wer das nicht will, muss aktiv widersprechen. Ziel: weniger Zettelwirtschaft, weniger Doppeluntersuchungen, mehr Transparenz für den Versicherten und mehr Daten für die Wissenschaft.

Doch bis es soweit ist, wird es nach Einschätzung von Fachleuten noch etwas dauern. Ab Mittwoch, 15. Januar, startet die ePa zwar offiziell in den Testlauf. Spüren werden das aber die wenigsten Versicherten. „Für die meisten Patienten wird sich direkt am Mittwoch erst einmal nichts ändern“, sagt Thorsten Hagemann, Digitalexperte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein.

Was geschieht am 15. Januar?

Zwei Dinge: Die elektronische Patientenakte wird nach und nach für alle Versicherten, die nicht widersprochen haben, freigeschaltet und der Testlauf in drei Modellregionen beginnt. Ursprünglich gab es zwei Testregionen. NRW ist als eigene Initiative der Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie der NRW-Krankenhausgesellschaft hinzugekommen.

Haben alle Versicherten am 15. Januar eine ePa?

Nein. In Deutschland gibt es rund 73 Millionen gesetzlich Versicherte. Ihre Daten können nicht auf einen Schlag übertragen werden. Das geschehe vielmehr schrittweise und zwar nach Postleitzahl-Gebieten, so Hagemann. Dazu sind zuerst Versicherte in den drei deutschen Modellregionen an der Reihe.

NRW ist eine Testregion. Haben dann alle Versicherten in NRW ab Mittwoch eine ePa?

Nein. In NRW wird die ePa in etwa 130 der knapp 18.000 Praxen und zehn der 340 Kliniken in einzelnen Städten getestet - darunter in Essen und Bochum sowie im Kreis Recklinghausen. In diesen Städten werden Patientinnen und Patienten also zuerst die neue elektronische Patientenakte erhalten. Allerdings wohl auch nicht alle am 15. Januar: Ärzte in den Test-Praxen gehen eher davon aus, dass es Tage dauern wird, bis alle digitalen Akten ihrer Patientinnen und Patienten angelegt sind.

Ich nutze schon eine frühere Version der elektronischen Patientenakte. Bringt das einen Vorteil?

Nach Darstellung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein kommen erst nach den Modellregionen Postleitzahl pro Postleitzahl Versicherte aus anderen Teilen Deutschlands an die Reihe. „Wer bereits jetzt eine alte ePa nutzt, wird aber wahrscheinlich schneller einen Zugang zur neuen bekommen“, sagt Hagemann.

Was kann man mit der ePa ab dem 15. Januar anfangen?

Außerhalb der Modellregionen zunächst nicht viel: Bis auf Weiteres könne nur in den Test-Praxen die ePA im Behandlungskontext genutzt werden, so Hagemann. „Die allermeisten Versicherten werden ab Mittwoch ihre ePa noch nicht bei ihren Ärztinnen und Ärzten benutzen können.“

Dennoch können Versicherte auf ihre ePa zugreifen, Standardeinstellungen verändern und eigene Befunde hochladen. Praxen haben anfangs 90 Tage nach dem Einlesen der Gesundheitskarte Zugriff auf die ePa - Versicherte können solche Einstellungen ändern. 

Wer die ePa nutzen will, benötigt eine App ihrer Krankenkasse – „diese ist nur über die Verifizierung gegenüber der Kasse erhältlich“, so Hagemann. In der Testregionen soll die ePa auf Herz und Nieren geprüft werden. In den Praxen und Kliniken übertragen behandelnde Ärztinnen und Ärzte neue Befunde, testen Schnittstellen und bekommen einen Eindruck von Schwachstellen und Bürokratie. Ältere Untersuchungsergebnisse können auf Antrag des Patienten von der Krankenkasse nachgeladen werden.

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Ich habe kein Handy und keinen Computer - was nun?

Wer kein Endgerät hat, kann auf Ombudsstellen bei den Krankenkassen zurückgreifen. Verbraucherschützer verweisen darauf, dass man alternativ auch eine Person als Vertretung benennen kann. Im Fall von Pflegebedürftigen können Betreuer die e-Akte verwalten. Bei Jugendlichen bis 16 Jahren tun das die Eltern.

Wie groß sind die Sicherheitsbedenken?

Unlängst haben IT-Fachleute des Chaos Computer Clubs gezeigt, wie leicht sie an fremde Gesundheitsdaten kommen, ohne das auch nur die Versichertenkarte des Betroffenen vorgelegen hat. Ein Grund war offenbar, dass die dazu nötigen Heilberufe- und Praxisausweise leicht zu beschaffen sind. Thorsten Hagemann von der KV Nordrhein betont, dass die Gematik, die halbstaatliche Betreibergesellschaft für die Digitalisierung im Gesundheitswesen, für den Testlauf nachgerüstet habe. „Die ePa wird für die Testregionen mit zusätzlichen Maßnahmen gesichert.“ Zunächst erhalten ausschließlich die an den Modellregionen teilnehmenden Praxen, Apotheken und Kliniken überhaupt Zugriff auf die Aktensysteme. 

Wann wird die ePa bundesweit im Einsatz sein?

Anfangs war die Testphase mit vier Wochen beziffert worden. Inzwischen heißt es, dass der Testlauf in den Modellregionen zunächst erfolgreich abgeschlossen sein soll. Kriterien dazu sind bislang öffentlich nicht genannt. Nach Angaben der Gematik wolle man im Februar mit dem Bundesgesundheitsministerium entscheiden, wie es weitergehe mit dem bundesweiten Roll-out.