Ruhrgebiet. Schon jetzt hat sich die Zahl der Schneetage im Ruhrgebiet halbiert. Werden wir in ein paar Jahren überhaupt noch Schnee erleben?

Erst kalt, dann warm, dann kalt – kann das Wetter jetzt mal Farbe bekennen?

Weiß! Okay, zumindest bis Freitag soll ein Teil des Schnees liegen bleiben. Der andere Teil wird zu Eis gefrieren, also Vorsicht auf den Straßen. Weiße Baumkronen, weiße Felder, weiße Straßen – genießen Sie es! Denn solche Schneetage kommen bereits heute nur noch einstellig vor in weiten Teilen des Ruhrgebiets. Meteorologe Thomas Kesseler-Lauterkorn vom Deutschen Wetterdienst erklärt, warum Schnee in Zukunft zur großen Ausnahme werden wird.

Wenn ich so aus dem Fenster schaue, ist die Schneedecke hier in Essen am Vormittag noch recht dünn, geschätzt zwei Zentimeter. Erleben wir damit schon einen Schneetag?

Thomas Kesseler-Lauterkorn: Ja, das würde ich sagen. Sobald eine geschlossene Schneedecke von einem Zentimeter liegt, sprechen wir in der Wetterbeobachtung von einem Schneedeckentag. Allerdings messen wir die Schneedecke nur einmal am Tag, in der Regel um sieben Uhr morgens. Das heißt, wir bekommen nicht zwingend mit, wenn tagsüber Schnee fällt, der dann bis zum nächsten Morgen wieder abtaut. Am vergangenen Sonntag zum Beispiel war die Schneedecke um sieben Uhr in Essen-Bredeney, wo auch unser Büro sitzt, noch nicht ausreichend dicht. Der Schnee ist zudem noch im Laufe des Vormittags weggeschmolzen. In Gelsenkirchen-Buer aber lag morgens schon ausreichend viel Schnee. Darum haben wir dort am Sonntag bereits den ersten Schneetag des Jahres gehabt, in Essen-Bredeney aber erst am Donnerstag.

Ein Schneetag ist im Flachland ein seltenes Ereignis geworden, oder?

Thomas Kesseler-Lauterkorn vom Deutschen Wetterdienst (DWD) .

„Wenn man mit Kunstschnee nachhilft, wird Wintersport auch in Zukunft möglich sein.“

Thomas Kesseler-Lauterkorn
Deutscher Wetterdienst (DWD)

Richtig. Im Tiefland kann man grob von einer Halbierung sprechen. Schneefall mit messbarer Schneehöhe wird immer seltener – ist aber nicht ausgeschlossen. Die Schwankungen von Jahr zu Jahr bleiben groß. In dieser Phase des Klimawandels gibt es also noch winterliche Abschnitte, sie werden nur seltener und kürzer. Aber einen Extremwinter wie 1962/63, als im Grunde der gesamte Winter zugeschneit war, den werden wir im Klimawandel vermutlich nicht mehr sehen.

Wir betrachten bei dieser Fragestellung nicht einzelne Jahre, sondern Mittelwerte, wobei auch fünf oder zehn Jahre wegen der starken Schwankungen noch nicht aussagekräftig sind. Wir nehmen darum den Mittelwert von jeweils 30 Jahren, das nennen wir Klimanormalperioden. Und so man kann sehen, dass im Flachland, zum Beispiel an der Station Kamen auf 60 Metern Höhe die Zahl der Schneetage zwischen 1961 und 1990 bei 19,5 lag. In den Jahren von 1991 bis 2020 waren es aber im Mittel nur noch 8,4 Schneetage.

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2010 war ein Ausnahmejahr mit ungewöhnlich vielen Schneetagen. Wenn wir auf die Zeit danach schauen, stellen wir noch mal einen deutlichen Rückgang fest. Zwischen 2011 und 2024 gab es in Kamen nur fünf Schneetage. Essen-Bredeney liegt etwas höher auf 150 Metern. Hier gingen die Schneetage von rund 24 Schneetagen auf 7 zurück, wenn man die Klimazeiträume ab den Sechziger und ab den 10er-Jahren vergleicht.

Am Morgen teilt der Schnee die Welt bei Dortmund-Gartenstadt in Schwarz und Weiß.
Am Morgen teilt der Schnee die Welt bei Dortmund-Gartenstadt in Schwarz und Weiß. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Wie sieht’s im Hochland aus?

In höheren Lagen haben die Schneetage auch deutlich abgenommen, aber nicht so stark wie im Flachland – je nach Station beträgt der Rückgang zwischen 30 und 50 Prozent. Am Kahlen Asten liegt unsere Wetterstation auf 839 Metern Höhe. Dort ist die Zahl der Schneetage im 30-Jahres-Mittel von 137 auf nun 87 gesunken.

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Und wie lange kann man noch Ski fahren rund um Winterberg?

Die haben ja ganz schön investiert in die Kunstschneeproduktion. Dafür bin ich kein Fachmann. Was man sagen kann: Die steigenden Temperaturen werden dafür sorgen, dass weniger natürlicher Schnee fällt und die Wintersportsaison kürzer wird. Die Schneefallgrenze schiebt sich auch weiter nach oben. In der Eifel bei Monschau wurden Skilifte bereits aufgegeben, weil der natürliche Schnee nicht mehr ausreicht. Dieses Skigebiet lag auf rund 500 Meter Höhe. Aber wenn man mit Kunstschnee nachhilft, wird Wintersport auch in Zukunft möglich sein.

Warum fällt denn immer seltener Schnee?

Bei Winterberg freuen sich Skifahrer und die Tourismusindustrie.
Bei Winterberg freuen sich Skifahrer und die Tourismusindustrie. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Es ist eindeutig auf den Klimawandel zurückzuführen. Die Anzahl der Schneetage ist stark an die Temperatur gekoppelt. Aber die Schneeverhältnisse hängen auch von den Niederschlägen ab. Und die letzten beiden Jahre waren nach einer längeren Trockenperiode wieder niederschlagsreicher. Ob in Zukunft im Winter mehr oder weniger Niederschläge fallen, ist aus meiner Sicht noch nicht klar. Bei dieser Frage spielt die Abschwächung der Höhenwinde des Jetstreams eine große Rolle. Dies führt dazu, dass Hoch- und Tiefdruckgebiete langsamer über Europa ziehen, es wird mehr stationäre Wetterlagen geben. Aber das ist noch Gegenstand aktueller Forschung.

Wie sieht der Ausblick aus für Mitte des Jahrhunderts im Flachland des Ruhrgebiets?

Schneedeckentage werden zur großen Ausnahme. Aber wenn die Wetterlage passt, kann es auch in einem milderen Klima noch Schnee geben – ausnahmsweise.

Das Klima vor der Haustür

Im Klimaatlas.nrw.de des Landesumweltamtes kann man nachschauen, wie sich das Klima vor der eigenen Haustür entwickelt hat und weiter entwickeln soll. Für die Schneetage gibt es zwar keinen Ausblick in die Zukunft, wohl aber für Eistage, bei denen die Temperaturen komplett unter Null liegen.

In Bochum-Langendreer zum Beispiel ist die Zahl der Eistage bereits von 12 auf 9 zurückgegangen, wenn man die Mittelwerte der Zeiträume 1951-1980 und 1991-2020 vergleicht. Die Klimaprojektionen in einem Weiter-wie-bisher-Szenario sagen allesamt eine weitere Abnahme voraus. Gegen Ende des Jahrhunderts könnte es in Langendreer nur noch zwei Eistage geben

Die Abnahme der Schneetage hat auch Auswirkungen auf die Natur, erklärt Antje Kruse vom Landesumweltamt. „Die Wildschweine werfen im Sommer und im Winter. Wenn kein Schnee liegt, überleben im Winter mehr Frischlinge“, sagt die Leiterin des Fachzentrums Klima. „Die milderen Winter haben bereits dafür gesorgt, dass die Wildschweinpopulation stark angewachsen ist. Das begünstigt zum Beispiel auch die Übertragung von Krankheiten auf Hausschweine.“