Dortmund. „Meine Freunde sind für die Zukunft des Landes gestorben“, sagt Syrer Qussai (28) aus Dortmund. Was er sich nun von der neuen Regierung erhofft.

Qussai Shikh Suliman hat 2015 sein Heimatland Syrien verlassen. Er wollte nicht in den Krieg ziehen, keine Unschuldigen töten. Vom Assad-Regime wollte er sich nicht instrumentalisieren lassen. Nun ist die Regierung nach 50 Jahren von der islamistischen Rebellenallianz gestürzt worden. Für den IT-Berater aus Dortmund war das ein „emotionaler Moment.“

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Wie wird sich das Leben für ihn und seine Familie und Freunde nun verändern? Im Protokoll teilt der 28-Jährige seine Gedanken:

„Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten viel gelitten. Und die Hoffnung auf ein Ende des Assad-Regimes schon fast aufgegeben. Nun hat die Diktatur ein Ende, und die hunderttausenden Menschen, die in dieser Zeit verschwunden sind, können hoffentlich gefunden werden.

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Unter ihnen ist auch mein Onkel. Er wurde aus uns unerklärlichen Gründen festgenommen. Gerade erst wurde mir ein Foto zugeschickt. Darauf ist ein Mann zu sehen, der nur noch aus Haut und Knochen besteht. Er könnte mein Onkel sein. Als ich das Foto mit einem alten Foto von ihm verglichen habe, musste ich weinen.

Einige Bekannte von mir haben sich nicht getraut, den Kontakt zu mir zu halten, weil ich mich aktivistisch engagiere und an Demos teilnehme. Einige haben Bilder von Assad an ihre Türen gehängt, obwohl sie ihn gehasst haben – aus purer Angst.

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Freunde von mir haben sich den Rebellen angeschlossen – und sind im Kampf gestorben. Das ist alles schwer zu ertragen. Aber ich will stark bleiben, durchhalten für mein Land. Das Ende von Assad ist das Ende der Hölle auf Erden. Jetzt kann die schöne Zeit beginnen.

Deshalb akzeptiere ich auch die Rebellen. Ich hoffe, dass wir in Zukunft keine militärische, sondern eine zivile Regierung haben werden. Jetzt ist es wichtig, dass die internationalen Kräfte mithelfen, die Infrastruktur im Land neu aufzubauen, die ist nämlich völlig zerstört. Außerdem sind noch Anhänger des Regimes im Land, die mir große Sorgen machen.

Obwohl ich mich in Deutschland zu Hause fühle, möchte ich irgendwann gerne wieder nach Syrien zurückkehren. Noch ist das allerdings sinnlos, ohne Regierung und Infrastruktur. Wo soll ich denn da leben? Die Hälfte des Landes ist zerstört. Meine Freunde sind für die Zukunft des Landes gestorben. Wenn sich die Situation vor Ort beruhigt hat, möchte ich diese Zukunft mitgestalten und beim Wiederaufbau helfen.“

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