Bochum. Viele Syrer in NRW jubeln: Das Assad-Regime ist zerstört. Leila aus Bochum steht vor der Frage, ob sie wieder zurückkehren wird. Ein Protokoll.

Bei Leila Kayyali vermischt sich in diesen Tagen Angst mit Euphorie. Das Assad-Regime in Syrien wurde nach 50 Jahren von der islamistischen Rebellenallianz gestürzt. Die 25-Jährige ist 2015 mit ihren Eltern und Geschwistern vor dem Krieg nach Deutschland geflohen, heute lebt sie in Bochum. „Seitdem habe ich auf diesen Moment gewartet, dass der Terror durch die Assad-Regierung endlich ein Ende hat“, sagt die Politikwissenschaftlerin. Doch die Lage in ihrem Heimatland ist chaotisch. Leila Kayyali befürchtet auch, dass es nun durch die islamistischen Gruppierungen in den Dörfern und Städten ihres Heimatlandes zu Konflikten kommen könnte.

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Wie wird sich das Leben für die Menschen in Syrien verändern? Im Protokoll teilt Leila Kayyali ihre Gedanken:

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„Wir stehen immer noch unter Schock. Es ist schwer zu begreifen, dass es die syrische Regierung jetzt nicht mehr gibt und dass Assad wirklich das Land verlassen hat. Ich meine, das muss man sich mal vorstellen: Innerhalb von sieben Tagen wurde ein Regime gestürzt, das uns Syrerinnen und Syrer 50 Jahre lang unterdrückt hat. Das macht die Menschen im Land sehr verletzlich. Ihre Zukunft ist noch ungewiss. Von meinen Verwandten in Syrien weiß ich, dass gerade viel Propaganda und Fake-News kursieren. Alles ist unsicher, niemand weiß, wie die Milizen die Menschen behandeln werden.

Das Wichtigste ist jetzt, dass die politischen Gefangenen im Land jetzt so schnell wie möglich befreit werden. Denn mit jedem Menschen, der freikommt, kommt ein Stück Meinungsfreiheit wieder. Fast jede syrische Familie vermisst mindestens ein Familienmitglied, das in politischer Gefangenschaft ist. Bei mir ist das der Cousin meines Vaters. Seit zwölf Jahren hatten wir keinen Kontakt mehr zu ihm. Wir wissen nicht, ob er noch lebt.

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Ich hoffe sehr, dass das Chaos nicht zu lange andauert. Die Menschen müssen schnell wieder in ihren Alltag zurückfinden, zur Schule und Arbeit gehen können, genug zu essen haben und Zugang zu Strom. Außerdem müssen die Syrerinnen und Syrer, die in Nachbarländer geflohen sind, sicher zurückkehren können.

Mein größter Wunsch: Dass die Menschen wieder zueinander finden. Syrisch zu sein hat auch lange bedeutet, sich untereinander fremd zu fühlen. Unterschiedliche Religionen und Ethnien haben die Menschen auseinandergetrieben. Flucht hat Familien zerrissen.

Der Sturz von Assad ist eine offene Einladung an alle Syrerinnen und Syrer, wieder in ihr Heimatland zurückzukehren. Sie alle haben jetzt die Chance, das Land neu zu gestalten. Meine Eltern wollen auf jeden Fall zurück. Ob ich Deutschland wieder verlassen werde, kann ich gerade noch nicht sagen. Erstmal möchte ich beobachten, wie sich die Situation vor Ort entwickelt. Aber ich weiß auch, dass mein Land mich jetzt braucht. Ich bin ein Teil davon und fühle mich verantwortlich, meine Heimat wieder mit aufzubauen.“

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