Berlin. Islamistenführer Ahmed al-Scharaa kämpfte einst an der Seite von Al-Qaida. Heute gibt er sich moderat. Kann man ihm vertrauen?
- Baschar al-Assad ist Geschichte
- Die HTS-Miliz hat Syrien im Handstreich genommen
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Den Turban der Dschihadisten hat er schon lange abgelegt. Heute tritt Ahmed al-Scharaa (früherer Kampfname: Mohammed al-Dschaulani) in Militäruniform auf. Er gibt Erklärungen ab und spricht mit internationalen Medien. Zuletzt gab er der „New York Times“ ein Video-Interview. Der 42-Jährige steht an der Spitze der islamistischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS). Er ist der politische Kopf der Rebellengruppen, die das Regime von Syriens Langzeit-Diktator in weniger als zwei Wochen zum Einsturz brachten.
Al-Scharaa will moderat klingen, das Image des islamistischen Extremisten ablegen. Mit dem Appell an seine HTS-Truppen, Zivilisten zu schonen und Minderheitenrechte zu achten, hat er wohl auch die internationale Öffentlichkeit im Blick. Es geht schließlich um viele Milliarden Dollar für den Wiederaufbau des durch den langjährigen Bürgerkrieg geschundenen Landes.
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In der Provinz Idlib im Nordwesten Syriens befindet sich die Bastion des HTS. Man bemüht sich um Modernität. HTS-Vertreter empfangen ihre Gäste in Anzügen. Die Stromversorgung funktioniert ebenso wie das Telefonnetz oder die Straßenbeleuchtung. Es gibt sogar Shopping-Malls. Dennoch gilt auch in Idlib das islamische Recht der Scharia – selbst wenn es nicht so radikal umgesetzt wird wie etwa durch die Taliban am Hindukusch. Auch in Idlib gibt es Gefängnisse und Folter. Widerständler gegen die Islamisten-Regierung werden nicht geduldet. Der Wissenschaftler Thomas Pierret von Frankreichs nationalem Forschungsinstitut CNRS nennt al-Scharaa einen „pragmatischen Radikalen“.
Al-Dschaulanis Weg zum Dschihadisten
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan unterstützt rund ein Dutzend islamistische Rebellengruppen, auch den HTS. Geld, Waren und möglicherweise Waffen kommen vom nördlichen Nachbarn, heißt es.
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Geboren wurde Ahmed al-Scharaa in Saudi-Arabien. Seine Familie stammte ursprünglich von den Golanhöhen. Er wuchs aber in Masseh auf, einem wohlhabenden Stadtteil von Damaskus. Sein Vater war ein säkularer Gegner des Assad-Regimes und verbrachte viele Jahre in syrischen Gefängnissen, bevor er ins Exil ging.
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Als Dschihadist nahm sein Sohn den Kampfnamen Abu Muhammad al-Dschaulani an. Seine Radikalisierung vollzog sich lange vor dem Bürgerkrieg in Syrien. Nach der US-Invasion im Irak 2003 verließ er seine Heimat, um im Nachbarland zu kämpfen. Im Irak schloss er sich Al-Qaida an und wurde in der Folge fünf Jahre lang inhaftiert.
Ob al-Dschaulani in Syrien eine moderate Politik betreibt?
Im März 2011, als die Revolte gegen das Regime von Baschar al-Assad in Syrien begann, kehrte er in sein Heimatland zurück und gründete die Al-Nusra-Front – den syrischen Ableger von Al-Qaida, aus dem später der HTS hervorging. 2013 weigerte er sich, Abu Bakr al-Baghdadi, dem späteren Führer der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS), die Treue zu schwören.
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Auch mit Al-Qaida hat Al-Scharaa vor Jahren öffentlichkeitswirksam gebrochen. Er tat dies, wie er erklärte, um dem Westen keine Gründe zu geben, seine Organisation anzugreifen. Diesen Imagewechsel beobachtet auch der ägyptische Militärexperte Mohamed Abdel Wahed: „Die Aufständischen haben ihre früheren dschihadistischen Taktiken aufgegeben.“ Ob auf al-Scharaa gemäßigte Rhetorik auch eine moderate Politik folgt, muss Syriens Mann der Stunde allerdings erst noch beweisen.
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