Essen/Mülheim/Oberhausen. Trennung: „Kinder im Blick“ heißt ein Kurs der Essener Beratungsstellen für getrennte Mütter und Väter. Ein Ausstieg aus der Streit-Achterbahn.

Die Eltern leben getrennt, doch die Konflikte sind geblieben. Es kommt immer wieder zu Streit – und auch der Kontakt zum Kind ist belastet. Es hat sich verändert, zieht sich womöglich zurück. Hier hilft der Kurs „Kinder im Blick“.

Der Fachbereich „Psychologie und Pädagogik“ der Uni München hat zusammen mit einer Familienberatungsstelle den Workshop entwickelt. Er richtet sich an Eltern, die sich bereits getrennt haben, ob seit zwei Monaten oder seit zwei Jahren. Die sieben Beratungsstellen in Essen bieten diesen Kurs bereits seit fünf Jahren gemeinsam an. Dabei kooperieren sie auch mit den Caritas-Beratungsstellen in Mülheim und Oberhausen. Diese Kooperation sei etwas Besonderes, betont Martin Verfürth von „Familienraum“ in Essen-Borbeck. Bei diesem wichtigen Thema würden Fachkräfte der verschiedenen Beratungsstellen eng zusammenarbeiten. Im kommenden Jahr wird es das Angebot in Essen erstmals auch online geben.

Wer sich um andere kümmern möchte, muss bei sich selbst anfangen

Martin Verfürth und seine Kollegin Julia Seiffert von cse (Caritas-SkF-Essen) haben sich für den Online-Kurs fortgebildet. Der Kurs umfasst sieben Sitzungen je drei Stunden, online ist es ein Termin mehr. Die Teilnehmerzahl ist auf zehn Menschen beschränkt, um eine vertraute Atmosphäre zu schaffen und einen Austausch zwischen Müttern und Vätern zu ermöglichen. Eine Voraussetzung ist, dass die Eltern den Kurs zu unterschiedlichen Zeiten besuchen, dann können sie freier sprechen.

Der Kurs heißt zwar: „Kinder im Blick“. Doch die zugehörige Arbeitsmappe beginnt nicht bei dem Sohn oder der Tochter, sondern bei dem teilnehmenden Elternteil, bei der „Selbstfürsorge“. „Was hilft mir, um herunterzukommen?“, erklärt Martin Verfürth. Denn wenn der Ex-Partner eine Whatsapp schickt, die einen sonst aus der Haut fahren lässt, sei es gut, möglichst entspannt zu bleiben. Dann kann man das Kind wirklich besser im Blick behalten, so der systemische Familienberater. Und sich zentralen Fragen stellen: „Wie kann ich die Emotionen des Kindes auffangen? Wie kann ich die Beziehung zu meinem Kind gut gestalten?“

Essen: Martin Verfürth und Julia Seiffert in der CSE-Beratungsstelle
Die Arbeitsmappe zum Kurs „Kinder im Blick“. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Zum Beispiel, wenn der Sohn oder die Tochter sich sichtlich unwohl fühlt. Was steckt dahinter? Die Bandbreite der unangenehmen Gefühle reicht schließlich von ängstlich bis zornig. Da kann es zu Missverständnissen kommen, insbesondere, wenn Eltern über diese Gefühle schnell hinwegtrösten wollen, ohne auf den Grund zu gehen. Im Kurs lernen sie ein „Emotionscoaching“, wie sie dem Sohn oder der Tochter wirklich zuhören und helfen.

In vier Schritten Kindern bei ihren Emotionen helfen

Wenn das Kind unangenehme Gefühle hat, so steht es in der Arbeitsmappe, helfen diese Schritte:

  • Schenken Sie ihm die volle Aufmerksamkeit.
  • Erkennen Sie seine Gefühle und fassen sie in Worte.
  • Beschreiben Sie die Situation und stellen Sie behutsam Verständnisfragen.
  • Helfen Sie Ihrem Kind bei seiner Lösungssuche, sobald sich Ihr Kind wieder beruhigt hat.

So könne das Kind die eigenen Gefühle besser verstehen und schließlich auch selbst nach Lösungen suchen.

Der Pausenknopf für den Streit

Auch lernen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen, wie sie besser mit Streit umgehen. Ein Werkzeug, das sie im Kurs üben, ist der sogenannte „Pausenknopf“. „Eine kleine Stoppübung, ein Unterbrecher in einer Situation, in der man es gewohnt ist, schnell zu handeln“, so Julia Seiffert. Stattdessen drückt man gedanklich die Stopptaste – und atmet erstmal durch. „Ganz praktisch kann das so aussehen, dass ich ein Gespräch unterbreche: ,Moment, ich rufe gleich zurück.‘“

Martin Verfürth von der Beratungsstelle FamilienRaum am Dienstag, den 15. Oktober 2024, in der CSE-Beratungsstelle an der Dammannstraße in Essen. Wenn Eltern sich trennen: Wie begleiten Mütter und Väter am besten ihre Kinder? Erfolgreicher Workshop der Essener Beratungsstellen nun auch online. Foto: Uwe Ernst / FUNKE Foto Service

„Ich steige jetzt nicht ein, ich schreie nicht, sondern sage vielleicht in aller Ruhe: ,So lasse ich nicht mit mir reden, du kannst später noch mal anrufen.‘“

Familienberater Martin Verfürth zum Ausstieg aus der Streit-Achterbahn

Sonst wird es wie in der Achterbahn, erklärt Verfürth. Man fühlt sich vom Ex-Partner angegriffen, erwidert etwas, das ihn verärgert, woraufhin er lospoltert, was einen selbst auf die Palme bringt, und so weiter und so fort. Doch wenn man gar nicht erst in die Streit-Achterbahn einsteigt, kommt es womöglich nicht zum Kreislauf des Rumschreiens: „Ich steige jetzt nicht ein, ich schreie nicht, sondern sage vielleicht in aller Ruhe: ,So lasse ich nicht mit mir reden, du kannst später noch mal anrufen.‘“ Dafür sei der Kurs ebenfalls da, so der Pädagoge: „Ich versuche, anders zu reagieren.“ So kann der Kontakt zum anderen Elternteil neu gestaltet werden.

Am Kurs „Kinder im Blick“ können vornehmlich Menschen aus den drei genannten Ruhrgebietsstädten teilnehmen, das gilt auch für die Online-Version, da der kostenlose Kurs zum Großteil von der Stadt Essen finanziert wird. Es gibt aber noch weitere Beratungsstellen, die den Kurs ebenfalls anbieten, etwa in Düsseldorf.

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Die nächsten Präsenzkurse finden im Februar 2025 statt: ab 5. Februar mittwochs um 17 Uhr beim Kinderschutzbund, ab 7. Februar um 9 Uhr freitags beim Jugendpsychologischen Institut (JPI) und ab 26. Februar mittwochs um 16 Uhr bei cse.

Der Online-Kurs wird kurz nach den Osterferien starten. Die Berater haben dafür den Dienstag in den Blick genommen, die genaue Anfangszeit wird noch festgelegt. Anmeldungen und weitere Informationen bei den Beratungsstellen: kinder-im-blick.de