Essen. Essen mit dem neuen Chef. Schwiegermutter in spe hat Geburtstag. Das sollten Sie laut Knigge wissen, wenn Sie gemeinsam am Tisch sitzen.

Hören Sie nicht auf Martin Luther. „Warum rülpset und furzet ihr nicht, hat es euch nicht gesmacket?“, hat der Kirchenreformator angeblich mal gesagt. Soll schon damals ironisch gemeint gewesen sein und ist davon ab längst überholt. „Tischmanieren sind wieder in“, sagt Corinna Schüngel. Nicht immer, aber immer noch oft genug. Schüngel (www.knigge.ruhr/#av-magazine-1) muss es wissen, denn sie ist IHK zertifizierte Knigge-Trainerin, mit der Erfahrung aus vielen Seminaren.

Zeiten haben sich verändert

„Natürlich haben sich die Zeiten verändert“, sagt sie. Vieles sei lockerer geworden. Im Grunde müsse man sich heutzutage immer fragen, „mit wem bin ich gerade unterwegs und warum bin ich mit ihm unterwegs.“ Beim Grillabend mit den engsten Freunden ist Herr Knigge jedenfalls sehr selten zu Gast. Es sei denn, Ihre Familie feiert für gewöhnlich im Garten von Windsor Castle. „Etikette bedeutet aber auch, sich immer ein wenig höflicher zu verhalten, als es die Situation eigentlich von mir fordert“, sagt Schüngel. „Und im Berufsleben sind Tischmanieren ohnehin elementar.“ Genau wie der Dresscode. Wobei letzterer je nach Branche variiert.

Und es gibt da noch ein anderes Problem. „In vielen Fällen wird heute ja viel weniger gemeinsam gegessen als früher.“ Eltern beide berufstätig, Kinder den ganzen Tag in der Schule, „man sitzt kaum noch zusammen am Tisch“. Weniger Gelegenheit also, dem Nachwuchs beizubringen, was sich gehört und was nicht.

Vor dem Essen

Oft gibt es einen Sektempfang. „Halten Sie ihr Glas dabei in der linken Hand“, rät Schüngel. „Dann haben Sie die Rechte frei, um jemanden zu begrüßen.“ Und das Sektglas immer am Stiel halten. „Sonst erwärmt sich der Inhalt.“ Und hässliche Fingerabdrücke gibt es auch. Außerdem gilt: Getränk austrinken und nicht mit zum Tisch mitnehmen. Und Platz genommen wird erst, wenn der Gastgeber oder die Gastgeberin dazu auffordern. Bevor es dann losgeht, bleibt Zeit für die richtige Platzierung der Serviette. „Die wird einmal gefaltet auf den Schoß gelegt“, erklärt die Expertin. „Am besten falten Sie etwa ein Drittel und legen die geknickte Seite zum Tisch hin. Zum Abtupfen lässt sich dann die innenliegende Seite verwenden. So vermeidet man, dass der verschmutze Teil der Serviette mit der Kleidung in Berührung kommt.“

Früher wurde mehr Wert auf Etikette gelegt
Früher wurde mehr Wert auf Etikette gelegt © picture alliance / Heritage Images | British Pathe Ltd

Die Suppe kommt...

…und ist oft extrem heiß. „Trotzdem nicht kühl pusten“, sagt Schüngel. Lieber vorsichtig etwas rühren oder warten, bis sie sich von allein abgekühlt hat. Dann den Löffel nur zu zwei Dritteln füllen, aufrecht sitzen und den Löffel zum Mund führen. Nicht umgekehrt! Ist die Suppe in einer Henkeltasse serviert worden, darf man den Rest austrinken. Bei Suppentellern ist das umstritten. Schüngel gehört zum Team „Macht man nicht.“ Den Löffel nach Verzehr der Suppe immer auf der Untertasse ablegen.

Besteck Memory

Welches Messer, welche Gabel, welche Gläser und Teller gehören wozu? Ganz einfach: Das Besteck wird Gang-weise von außen nach innen benutzt. Das Besteck zum Dessert liegt über dem Teller. Das kleinste Glas ist das Wasserglas, das Weinglas zum Hauptgang ist über der Messerspitze platziert.

Einen Toast ausbringen

Das Wichtigste vorab: „Nicht mit einem Besteckteil ans Glas klopfen“, sagt Schüngel. Am besten: „Sich hinstellen und Präsenz ausstrahlen.“ Nach der Rede reicht es, sich zuzuprosten. Anstoßen ist nach Ansicht vieler Experten aus der Mode gekommen und auch nicht mehr nötig. Im Mittelalter stieß man seinen Becher kräftig mit den anderen zusammen. Dadurch schwappte der Inhalt über und vermischte sich mit dem Getränk des vermeintlichen Freundes. Zierte der sich daraufhin zu trinken, war offenbar Gift im Becher. „Aber diese Art von Tötungsdelikten hat heute stark nachgelassen.“ Zugeprostet werden darf heute übrigens auch mit nicht-alkoholischen Getränken

Früher wurde penibel darauf geachtet, wie das Besteck gehalten wurde
Früher wurde penibel darauf geachtet, wie das Besteck gehalten wurde © Getty Images | maystra

Auch nicht mehr zeitgemäß

Viele alte Regeln sind überholt. Dazu zählen die sogenannten „Anstandsreste“, die man auf dem Teller zurücklässt. „Macht man nicht mehr.“ Und anders als früher sei es auch nicht mehr zwingend notwendig, Weißwein nur zu Fisch und Geflügel und Rotwein nur zu rotem Fleisch zu trinken, erklärt die Expertin.

Grundsätzlich gilt:

Zahnstocher nach dem Essen nicht am Tisch benutzen. „Dafür geht man auf Toilette“, sagt Schüngel. Wo man auch das Make-up auffrischt, wenn es nötig ist. Noch unbeliebter machen sich nur Raucher, die unmittelbar nach dem letzten Bissen vor die Tür verschwinden. „Das gehört sich einfach nicht.“ Mindestens ebenso schlimm ist der Griff zum Smart-Phone, während die Gesellschaft am Tisch sitzt. Ausnahmen gibt es für Schüngel nur wenige. Bereitschaftsdienst im Rettungswesen etwa. Oder eine hochschwangere Ehefrau zu Hause. „Aber das muss man erklären am Tisch“, stellt die Knigge Expertin klar. „Ansonsten gehört das Telefon stumm geschaltet, besser noch, man macht es ganz aus. Sonst zeigt man ganz deutlich, dass die Hauptaufmerksamkeit nicht dem Gegenüber gilt .“

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