Köln. Retro-Videospiele sind wieder angesagt. Wo man sie spielen kann - und welche Kellerfunde Sie besser nicht in den Müll werfen sollten.
Manchmal ist so eine Zeitreise ja ganz einfach. Messe Köln, Halle 10.2. Treppe hoch, 30 Meter geradeaus und schon ist man im Jahr 1976. Zumindest, wenn dort die weltgrößte Videospielmesse läuft. So wie gerade wieder. Dann sieht man zwei Striche, die sich mit Drehknöpfen rauf und runter bewegen lassen, um einen kleinen blinkenden Punkt über ein imaginäres Netz zu schießen. Und schon ist man wieder auf Klassenfahrt nach England. Fähre von Calais nach Dover, Unterdeck. Vor einem einsamen, aber vorher nie gesehenen Videospielautomaten mit Namen „Pong“. Videospiel-Steinzeit. Aber unvergessen.
Von Pong zu Pitfall geht die Reise in die Videospiel-Vergangenheit
Ein paar Schritte weiter nur sind gut vier Jahre vergangen und man erinnert sich an das Atari VCS 2600, das 1980 unter dem Weihnachtbaum lag. Die Videospiel-Konsole, mit der man die „Space Invaders“ zurückschlug und später bei „Pitfall“ Krokodilen auf die Köpfe trat, um einen Fluss zu überqueren. Nächtelang und oft erfolglos. Und gleich daneben die „Brotkiste“, wie der Commodore C64 damals wegen seines Aussehens gerne genannt wurde.
Einer der ersten Heimcomputer, der so viele Joysticks und Handgelenke auf dem Gewissen hat, weil man bei den „Summer Games“ so heftig daran rütteln und reißen musste, um seine Sportler in Bewegung zu setzen. Aus heutiger Sicht eine grauenhafte Grafik, aber was für ein Spiel! Aus einem geplanten Zwischenstopp wird ein längerer Aufenthalt. Dabei warten in den Nachbarhallen supermoderne Virtual-Reality-Brillen und ultrarealistische Fußballspiele.
Oliver Traschütz erlebt das oft. „Fast jeder, der hier in die Halle kommt und etwas älter ist, schwelgt sofort in Erinnerungen“, hat er festgestellt. An den Amiga 500, das NES, das Sega Master System, Game Boys oder die Coleco Vision: All das können Besucher hier finden – dank der vielen Clubs und Sammler, die ihre „alten Schätzchen“ angeschlossen haben. „Bei uns ist immer etwas los, wenn die Gamescom läuft“, sagt der Kölner. Selbst jüngere Besucher blieben oft länger als geplant.
„Ich finde das alte Zeug einfach besser“
Traschütz ist Sammler. Der 45-Jährige zückt sein Smartphone, scrollt durch die Fotos, zeigt ein Bild seines Computer- und Videospielzimmers. Voll sind die Regale an den Wänden, kaum noch Platz ist in den Ecken. „Im Laufe der Zeit ist was zusammengekommen“, untertreibt der Kölner. Ja, eine Playstation 4 besitzt er auch. „Aber ich finde das alte Zeug einfach besser.“ Kein ewiges Hochfahren der Konsole, kein stundenlanges Installieren des Spiels. „Einfach den Einschaltknopf drücken und es geht los.“
Das fasziniert immer mehr Menschen. Laut einer Umfrage des deutschen Game-Verbands interessieren sich deutschlandweit bereits 14 Millionen. Spieler, also mehr als ein Drittel aller Gamer, für Computer- und Videospiele von älteren Plattformen. In den sozialen Medien gibt es Dutzende von Gruppen, im Internet tausende Seiten zum Thema. Und regelmäßig finden irgendwo kleine Conventions statt, wie etwa das Dortmunder Retro Computer Treffen DoReCo. (nächster Termin 2.-5. September). http://www.spacereh.de/drc/
„Retro-Games können oft in schnellen Runden gespielt werden, und viele Gamer lassen sich auf das nostalgische Spielgefühl gerne ein“, nennt game-Geschäftsführer Felix Falk einen Grund für die Begeisterung. „Irgendwie cool“ finden es Olli (28) und Melanie (26), die vor einer alten Konsole mit Pac-Man hängen geblieben sind. „Ganz einfach und trotzdem spannend.“
Neue Spiele für alte Hardware
Und sogar für Nachschub wird gesorgt. „Wir sehen auch viele Spieleentwickler und Hersteller, die beliebte Games-Klassiker oder die kultigen Konsolen der 1980er und 1990er in Retro-Optik mit moderner Hardware neu auflegen“, sagt Falk.
Einer davon ist Christian Gleinser, in der Szene besser bekannt als Dr. Wuro. „Dabei habe ich gar keinen Doktortitel“, sagt er und lacht. Dafür aber eine Leidenschaft für den C64. Und weil er auch noch programmieren kann, hat er in den letzten Jahren gut ein halbes Dutzend neuer Spiele im typischen alten Look entwickelt und sie teils kostenlos, teils gegen Bezahlung an die Community gegeben. „Ich liebe einfach den Look der Retrogames“, sagt er. „Zumal das Spiele sind, die jeder innerhalb von zehn Sekunden begriffen hat.“
Konsolen und Spiele aus dem letzten Jahrhundert werden hoch gehandelt
Das Problem ist dann auch weniger die Soft- sondern die Hardware. Alte Home Computer und Konsolen werden mittlerweile reichlich im Internet gehandelt. „Oft zu Fantasiepreisen“, weiß Oliver Traschütz und rät dazu, sich vor dem Kauf zu informieren. Zumal es auch viele Nachbauten gibt, oft mit vorinstallierten Spielen. Die Qualität sei unterschiedlich, heißt es in der Retro Area. „Manchmal ist nur Schrott drauf“, sagt ein Sammler. Wer Wert auf ein Original-System legt, der kann die meisten Games auch über sogenannte Emulatoren auf seinem modernen PC spielen. „Ein wenig Ahnung sollte man von der Materie aber dann schon haben“, sagt Dr. Wuro. Oder jemanden fragen, der sich auskennt: „Viele Sammler“, so der Doktor, „helfen ganz gerne.“
Mancher Schatz, da sind sich die Retro-Gamer einig, schlummert noch auf deutschen Dachböden und in Kellerräumen. „Vieles davon funktioniert noch“, hat Traschütz festgestellt. Und lässt sich dann meist auch gut verkaufen. Spezielle Seiten im Netz geben einen guten Überblick, zu welchen Preisen welches Spiel gehandelt wird. Die meisten Module bewegen sich zwar im unteren bis mittleren zweistelligen Euro-Bereich, Raritäten wie Mario Party 3 für den Nintendo 64 werden – wenn die Originalverpackung vorhanden ist – aber auch dreistellig gehandelt. Was allerdings immer noch Kleingeld ist im Vergleich zu den zwei Millionen Dollar, die ein Sammler für ein originalverpacktes Exemplar von Super Mario Bros. für das Nintendo Entertainment System (NES) auf den Tisch legte. Eine Ausnahme, klar, „aber“, sagt Traschütz, „werfen Sie besser nichts weg, was Sie an alten Spielen finden.“
Selbst den alten Röhrenfernseher von Opa nicht. Man könne die alten Konsolen zwar mithilfe von Adaptern auch an moderne Flachbild-TVs anschließen, aber den richtigen Look, da sind sich Sammler und Programmierer einig, den habe man nur auf einem Röhrengerät. Da zumindest gibt es keine Preisprobleme, im Gegenteil. „Die meisten Leute sind froh“, sagt ein Sammler, „wenn ich ihnen den aus der Wohnung hole.“