Essen. Erschöpfte Mutter befürchtet, keine gute Mama mehr zu sein. Die Krankenkasse gibt das Okay für eine Kur – doch die Essenerin findet keinen Platz.
Sie hatte gehofft, sich bald während einer Mutter-Kind-Kur erholen zu können. Doch als die Zusage für die Kostenübernahme der Krankenkasse kam, wurde es erst richtig stressig. Eine Betroffene aus Essen, Mitte 40 und Mutter einer Tochter, erzählt:
„Ich habe gejubelt: Die Zusage der Krankenkasse für meine Mutter-Kind-Kur ist da! Als ob mir jemand einen Rettungsring zuwerfen würde. So sehr habe ich mich darüber gefreut. Ich fühle mich schon so lange erschöpft, schlafe jede Nacht schlecht, die Schulter schmerzt. Ein paar freie Tage halfen da nicht. Und dann kamen die vielen, vielen Infekte. Meine Tochter musste nur einmal hüsteln, dann hatte ich schon die nächste Bronchitis am Hals. Meine Hausärztin hat mich früher kaum gesehen, aber dann war ich Dauergast. So sehr war meine Immunabwehr geschwächt.
Meine Ärztin meinte, dass eine Mutter-Kind-Kur die Lösung sein könnte und füllte den Antrag aus. Ich hatte zunächst Skrupel, die Verordnung bei der Kasse einzureichen. Drei Wochen sollte ich von meiner Arbeit fernbleiben? Kann ich das bringen? Aber dann fühlte ich mich wieder mies.
Wer krank ist, kann keine gute Mutter sein
Wenn man krank ist, macht man keine gute Arbeit. Und schlimmer noch: Dann ist man auch keine gute Mutter. Es fallen einem keine lustigen Lösungen ein, wenn das Kleinkind zu allem sagt: Nein! Nein! Nein! Dann ist die Zündschnur einfach verdammt kurz. Das wollte ich nicht mehr!
Wenige Wochen später hielt ich also in diesem Sommer die Zusage der Krankenkasse in der Hand. Ein Jahr hätte ich nun Zeit, die Kur anzutreten. Ein Jahr? Ich brauchte dringend jetzt Erholung. Im Briefumschlag lag eine lange Liste mit möglichen Kliniken. Ich habe mir am selben Abend die Klinik-Seiten im Internet angeschaut. Wegen meiner vielen Atemwegserkrankungen wollte ich gerne an die Küste fahren. Da gab es so manche Adresse, die mir gefiel.
„Die Krankenkassen wissen doch, dass keine Plätze frei sind“
Ich habe am nächsten Tag bei einem Klinik-Verband angerufen, um zu erfahren, wann welche Klinik einen Platz frei hat. Da ich mit meinem Kita-Kind nicht auf die Ferien angewiesen bin, träumte ich von einem Aufenthalt im Spätsommer oder Herbst. Doch die freundliche Frau erklärte, da sei nichts zu machen. Alle Kliniken, die sie vertritt, sind bis Ende 2025 komplett ausgebucht. Nicht nur die Kliniken am Meer, auch die anderen, die zum Beispiel im Schwarzwald liegen. Die Frau sagte: ,Ich verstehe nicht, warum die Kassen so viel genehmigen. Sie wissen doch, dass keine Plätze frei sind!‘
Was für ein Dämpfer! Die Frau sagte noch, dass es Mütter mit nur einem Kind besonders schwer haben. Natürlich ist eine Mutter mit zwei Kindern oder drei und mehr Kindern stärker gefordert als eine Mutter mit einem Kind. Aber das allein kann doch nicht das entscheidende Kriterium sein. Ist man alleinerziehend? Ist man berufstätig? Gibt es Großeltern, die unterstützen? Wie fordernd ist das Kind? Das muss man doch auch berücksichtigen. Dann riet die Frau mir: ,Wenn Ihnen irgendjemand einen Platz anbietet: Nehmen Sie ihn.‘
Ein Kurplatz? Alles ausgebucht!
Eine Freundin empfahl mir daraufhin eine Klinik an der Ostsee, in der sie vor ein paar Jahren mit ihren Kindern Kraft getankt hat. Ich rief dort an – und erfuhr: Ende 2025 gebe es wieder Plätze. Eine andere Freundin munterte mich auf: ,Es muss ja nicht unbedingt das Meer sein. Kleine Kliniken an nicht so angesagten Adressen geben sich bestimmt besonders viel Mühe.‘ Sie nannte mir eine Adresse im Schwarzwald. Ebenfalls ausgebucht bis Ende 2025.
Wie kann das sein? Meine Zusage gilt für ein Jahr! Aber die Kliniken sind schon eineinhalb Jahre im Voraus ausgebucht.
Beim nächsten Klinik-Verbund bekam ich die Antwort: ,Manche Kassen bewilligen einen Zeitraum von zwei Jahren.‘
Die Klinik erinnert an ein Kloster
Ich bin dann zu einer Beratungsstelle des Müttergenesungswerks gegangen, die einmal in der Woche nachmittags eine Kurberatung anbietet. Die freundliche Frau hatte zum Glück Zeit. Sie schaute in ihrem Computer nach: Ja, es gebe noch ein paar freie Plätze. Auch noch am Meer. Also wird es doch noch klappen?
Ich wollte es mir nicht ganz aus der Hand nehmen lassen und bat um die Adressen, um erstmal im Internet nach den Kliniken und den Bewertungen zu schauen. Es gab ein paar nette Häuser. Aber eines erinnerte mich mit seinen dunklen Möbeln und Kreuzen in den Zimmern an ein Kloster. Mir ist klar, dass man eine Kur in einer Klinik macht und nicht in einem Hotel. Trotzdem: Meine Kleine und ich, wir wollen uns doch auch wohlfühlen. Außerdem konnte man sich nicht bei allen Häusern direkt anmelden. Man musste Stichtage abwarten, um für bestimmte Zeiträume im Jahr 2025 zu reservieren. Diese Stichtage waren aber erst in Wochen. Und die Krankenkasse wollte bereits vorher wissen, für welche Klinik ich mich entscheide.
Die Vergabe der Kurplätze erinnert an eine Lotterie
Ich habe dann bei einem weiteren Klinik-Verbund angerufen. Da machte man mir Hoffnung: Rufen Sie im August an, dann vergeben wir die Plätze für unsere Kliniken – in einem Jahr. Alle Kliniken seien möglich, ob an Nord- oder Ostsee, in Bayern oder im Schwarzwald. Ich schöpfte wieder Hoffnung. Ich müsste nur am 1. August anrufen und auf den Anrufbeantworter sprechen. Nicht vorher. Auch E-Mails würden das Ganze nicht beschleunigen.
Ich habe mir dann alle Kliniken dieses Verbundes im Netz angeschaut und mich in eine an der Ostsee verliebt. Die Therapien klingen gut, die Bewertungen sind toll, vor allem für die Kinderbetreuung. Nun, habe ich gedacht, dann wollen wir mal sehen, ob wir bei dieser Lotterie gewinnen. Ich habe abends vor dem 1. August versucht, den AB zu erreichen. Nichts zu machen. Dann also pünktlich morgens zu den Öffnungszeiten. Und ich kam und kam nicht durch. ,Der gewünschte Gesprächspartner ist zurzeit nicht verfügbar. Versuchen Sie es später noch mal.‘
Man sucht Erholung und fühlt sich gestresst
Das ganze Bemühen um die Kur hat insgesamt viele Stunden und noch mehr Nerven gekostet, abends oder während meines Urlaubs, in dem ich mich eigentlich erholen wollte. Einige Anrufe habe ich gemacht, als ich im Homeoffice saß. Ich frage mich: Wie regelt das eine Mutter, die an der Supermarktkasse sitzt? Die hat doch tagsüber gar keine Zeit, sich darum zu kümmern. Man sucht Erholung – und fühlt sich nur noch mehr gestresst.
Immer, immer wieder habe ich es an dem Tag versucht, den AB zu erreichen. Endlich konnte ich draufsprechen. Ein paar Stunden später bekam ich schließlich einen Rückruf vom Klinik-Verbund. Ein Platz in meiner Wunsch-Klinik? Ausgebucht!
Eine lange Zeit, wenn man dringend auftanken muss
Die freundliche Frau bot mir aber andere Plätze an. Und da war sogar einer an der Nordsee dabei. Den nehme ich! Die Frau: ,Wollen Sie sich die Klinik nicht noch mal im Internet anschauen?‘ Dann ist der Platz aber womöglich weg? ,Ja, das könnte sein.‘ Ich habe dann sofort fest gebucht.
Ich habe meine Krankenkasse angerufen und sie hat mir zum Glück das Ganze bestätigt. Denn eigentlich liegt der Termin kurz nach dem gewährten Zeitraum. Nun warte ich noch auf die schriftliche Zusage. Ich freue mich darüber, dass ich doch noch einen Platz bekommen habe. Ich atme richtig auf. Trotzdem: Ein ganzes Jahr lang muss ich warten. Eine lange Zeit, wenn man eigentlich sofort dringend auftanken muss.“