Dortmund. Prozess gegen fünf Polizisten in Dortmund dauert mindestens ein Jahr. Was Waffenexperten vor Gericht über Pistole und Pfefferspray sagen.

Der Prozess vor dem Dortmunder Landgericht gegen fünf Polizisten geht nicht, wie bislang vorgesehen, im September zu Ende. Ein 30-jähriger Beamter ist angeklagt, Mouhamed Dramé, einen jungen Flüchtling aus dem Senegal, erschossen zu haben; ein Kollege (35) und zwei Kolleginnen (29, 32) sollen ihn zuvor mit Pfefferspray und Elektroschockern schwer verletzt haben. Der Älteste (56) soll als Einsatzleiter den Befehl zu all‘ dem gegeben, also „angestiftet“ haben. Für die Beweisaufnahme, die Aufklärung des Falles, sind nun weitere Verhandlungstage angesetzt.

Seit Dezember 2023 verhandelt die 39. Große Strafkammer wegen schwerer Körperverletzung und Totschlags im Amt, an jedem Prozesstag demonstrieren Unterstützer des Opfers vor dem Landgerichtsgebäude gegen Polizeigewalt und Rassismus. Der Saal ist in der Regel voll, den Angeklagten gegenüber sitzen seit dem Frühjahr zwei der Brüder Dramés, deren Reise und Unterbringung durch Spendengelder finanziert werden.

Warum Fabian S. schoss

Bis in den September hinein war der Aufenthalt von Sidy und Lassana Dramé gesichert, die beiden Senegalesen wollten bis zu einem Urteil in Dortmund bleiben. Nun aber verlängert sich der Prozess; schon in der vergangenen Woche hatten die Verteidiger der Strafkammer weitere Termine vorgeschlagen. Die sind nun fix: Bis zum 12. Dezember sind zunächst acht zusätzliche Tage vorgesehen. Bislang war das Hauptverfahren lediglich bis zum 11. September terminiert.

Gedenken in Schwarz-Weiß: An der Missundestraße in der Dortmunder Nordstadt bleibt Mouhamed Dramé unvergessen.
Gedenken in Schwarz-Weiß: An der Missundestraße in der Dortmunder Nordstadt bleibt Mouhamed Dramé unvergessen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Trotz Pfefferspray und Taser: Späteres Opfer ließ das Messer nicht fallen

Alle Angeklagten haben inzwischen eine Aussage gemacht und ihre Sicht der Ereignisse geschildert. Auch die Zeugen, die im August vor zwei Jahren vor Ort waren, hat die Kammer gehört. Alle bestätigten im Wesentlichen die Version des Geschehens aus der Anklage: Danach hatte der junge Mann im Hof einer Jugendeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt gehockt, ein langes Messer gegen den eigenen Körper gerichtet. Die Polizei rückte an, um einen Suizid zu verhindern. Auf Zurufe in verschiedenen Sprachen aber reagierte Mouhamed Dramé offenbar nicht. Als der Einsatzleiter den Befehl zum „Einpfeffern“ gab, soll das spätere Opfer Schritte nach vorn gemacht haben, auf die Polizisten zu. Das Messer ließ Dramé nicht fallen. Daraufhin drückte Sicherungsschütze S. ab, der Senegalese starb im Krankenhaus an seinen Verletzungen.

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Die Staatsanwaltschaft hält den Einsatz für „ungerechtfertigt“ und wirft den Beamten vor, sie hätten den Tod des Flüchtlings „billigend in Kauf genommen“. Der Schütze sagt, er habe schießen müssen, um seine Kollegen zu retten, die in Gefahr gewesen seien.

Polizist Fabian S. erklärt im Gespräch mit dieser Zeitung, warum er auf Mouhamed Dramé schoss.
Polizist Fabian S. erklärt im Gespräch mit dieser Zeitung, warum er auf Mouhamed Dramé schoss. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Sechs Schüsse, dann brach Mouhamed Dramé zusammen

In den vergangenen Tagen sagten im Prozess Experten für die verwendeten Waffen aus. Ein Sachverständiger des Bundeskriminalamts hatte die Pfefferspray-Flasche untersucht und festgestellt, die versprühte Menge des Reizgases hätte eigentlich ausreichen müssen, um einen Mann außer Gefecht zu setzen. Auch die Maschinenpistole hat nach Angaben eines Experten einwandfrei funktioniert. Ob sie auf Dauerfeuer eingestellt war, sei allerdings nicht mehr zu sagen. Zeugen und der Schütze selbst haben aber, auch in einem Interview mit dieser Zeitung, erklärt, es seien einzelne Schüsse abgegeben worden. Sechs an der Zahl, von denen fünf trafen: Erst dann brach Dramé zusammen, soll sich aber weiterhin gewehrt haben.

Die Polizisten wurden erst Wochen nach dem Tod Dramés beschuldigt und vom Dienst suspendiert. Sie dürfen nach wie vor nicht arbeiten, sind aber auf freiem Fuß.