Ruhrgebiet. Die deutsche Elf recht früh raus, das Wetter oft ein Alptraum. Trotzdem sind viele in NRW mit der Fußball-EM zufrieden. Aber warum?

Beginnen wir mit dem Wichtigsten, beginnen wir mit der Sicherheit bei der Europameisterschaft. „Sehr überschaubar“ sei die Zahl der Einsätze bei den 20 im Land ausgetragenen Partien gewesen, heißt es aus dem Innenministerium NRW – vor allem angesichts der Millionen Zuschauer in den Stadien und Fanzonen. Nach vorläufigen Meldungen wurden rund 683 Straftaten mit Bezug zur Europameisterschaft in Nordrhein-Westfalen registriert. In 211 Fällen handelte es sich um Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz (strafbare Pyrotechnik). Außerdem zählte die Polizei 154 Körperverletzungen, 87 Hausfriedensbrüche, 28 Diebstähle, 31 Beleidigungen und 25 Sachbeschädigungen. 210 Personen wurden vorläufig in Gewahrsam genommen. Minister Herbert Reul zeigt sich zufrieden: „Das ‚Team Sicherheit‘ hat geliefert. 

Und auch wenn die Polizei in den meisten Städten offiziell erst in der kommenden Woche Bilanz ziehen will, fällt auch hier in Gesprächen bereits jetzt das Wort „zufrieden“. Bereits am Sonntagabend zog in Köln der Leitende Polizeidirektor Martin Lotz für Medien in der Domstadt ein Fazit: „Das lange vorbereitete Einsatz- und Sicherheitskonzept der Polizei“ sei einmal mehr aufgegangen. „Wir freuen uns, dass Zehntausende Fans im Stadion und in unserer Stadt wieder fröhlich und in den allermeisten Fällen sehr friedlich gefeiert haben. Wir sagen ,danke‘.“

Polizei: „Sicherheitskonzept in NRW ist aufgegangen“

„Ich bin zufrieden mit dem Verlauf des Einsatzes“, sagt auch in Dortmund der Polizeiführer des Einsatzes, Leitender Polizeidirektor Achim Stankowitz, nach dem Halbfinale England – Niederlande „Unser Ziel, keine Polizeifestspiele zu initiieren, sondern ein Fußballfest mit größtmöglicher Sicherheit zu ermöglichen, haben wir erreicht.“

An allen Spielorten der Europameisterschaft war die Polizei präsent
An allen Spielorten der Europameisterschaft war die Polizei präsent © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

So werden wohl nur zwei Vorfälle etwas länger in Erinnerung bleiben. Da ist der Engländer, der nach der Begegnung gegen Serbien angeblich in der Arena auf Schalke eingeschlafen ist und von den Sicherheitskräften übersehen worden sein soll. Und da ist vor allem der junge Mann, der beim deutschen Achtelfinale in Dortmund im Dach des Stadions herumkletterte, um „gute Fotos zu machen. Die während des Turniers für die Sicherheit verantwortliche UEFA nennt das einen Fake, will im Dortmunder Fall das Sicherheitskonzept immerhin „überdenken“.

Kölner Wirte bedauern derweil, dass die schottische Mannschaft die Vorrunde nicht überstanden hat. Karneval hin, Christopher Street Day her – „Menschen, die so feiern können, haben wir noch nie erlebt“, sagt ein Köbes am Heumarkt. „Immer voll, trotzdem stets freundlich und friedlich, besser geht es nicht.“ Und ähnlich wie die Engländer auch nicht anspruchsvoll in Sachen Wetter. 18 Grad und Dauerregen, „a normal Summer“ – ein ganz normaler Sommer.

Düsseldorf: Altstadt voll, alle friedlich

Auch nebenan in Düsseldorf herrscht Zufriedenheit. „Altstadt voll, alle friedlich“, fasst eine Wirtin die letzten Wochen zusammen. Einzig die Toilettensituation sei wegen der großen Besucherzahl „etwas angespannt“ gewesen. Es wurde ja auch viel getrunken. So viel, dass an manchen Tagen das Bier ausging. Allerdings nur kurz und auch nur das Pils. Das war nämlich beliebter als das Alt. „Keiner hier hat so etwas jemals erlebt“, sagt der Betreiber eines Irish Pub.

Ähnlich zufrieden sind auch die Gaststätten- und Imbissbudenbetreiber in den Altstädten der beiden rheinischen Metropolen, die wochenlang Sonderschichten einlegen mussten, um den Hunger der Fans zu stillen. „Manche Altstadt-Wirte machen den fünffachen Umsatz“, hat Thomas Neuhäuser, Projektleiter bei der Stadt für die EM, schon nach der Vorrunde festgestellt. Allein die fünf EM-Spiele brächten 250.000 Fans in die Stadt, „wenn jeder nur 100 Euro ausgibt, sind das schon 25 Millionen“.

Die Düsseldorfer Altstadt war an vielen EM-Tagen extrem voll.
Die Düsseldorfer Altstadt war an vielen EM-Tagen extrem voll. © dpa | Christoph Reichwein

Hochzufrieden mit dem Verlauf des Turniers ist die Dortmunder Stadtwerke AG (DSW21). Dort waren fast 130 Stadtbahnwagen und annähernd 200 Busse im Einsatz. Zusätzlich hatte DSW21 das Personal im Bereich Service und Sicherheit deutlich aufgestockt – auf rund 100 Kräfte allein an jedem Spieltag in Dortmund. Man habe einen „immensen Aufwand betrieben“, sagt Verkehrsvorstand Ulrich Jaeger, aber der habe sich gelohnt. „Das Halbfinale zwischen England und den Niederlanden am Mittwoch hat uns noch einmal maximal gefordert – aber auch diese Prüfung haben wir bestanden.“

„Wir haben alle verfügbaren Mitarbeitenden und Fahrzeuge mobilisiert, um den Gästen das bestmögliche Angebot zu machen“, zieht auch Stefanie Haaks, Vorstandsvorsitzende der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) Bilanz. „Und das ist uns unter den schwierigen Rahmenbedingungen, in denen wir uns befinden, gut gelungen.“ Selbst in Gelsenkirchen lief es nach dem Abreisedebakel und der Titulierung als „Drecksloch“ am ersten Spieltag bei den nachfolgenden Partien relativ reibungslos. „Wir haben ein tolles Turnier auf die Beine gestellt und uns als Gelsenkirchen so präsentiert, wie wir sind – weltoffen, herzlich und gastfreundlich“, glaubt Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD).

Wasserfall im Dortmunder Stadion

Bleibt das Wetter. Das war oft schlecht in den fast vier Wochen. So stark regnete und gewitterte es, dass mehrfach Public Viewings abgebrochen und Spiele unterbrochen werden mussten. Und dass es in Dortmund mehrfach kurzfristig den siebthöchsten Wasserfall des Landes gab, als der Regen so stark war, dass die Dachkonstruktion die Fluten nicht mehr vernünftig ableiten konnte.

Die vielen ausländischen Fans hat das alles kaum gestört. Ganz im Gegenteil: Ob Sonne oder Regen, sie sind in beeindruckenden Fan-Märschen friedlich durch die Städte gezogen – ein Phänomen, das im Club-Fußball nicht ganz neu ist, bei Länderspielen bisher aber noch nicht zu beobachten war, wie der Sportwissenschaftler und Fußball-Forscher Harald Lange erklärt. „Die Fans wollen ein Gemeinschaftsgefühl herstellen, sie wollen Support für ihre Mannschaft organisieren.“

Ein neues Phänomen. Niederländer bei ihrem Fan-Marsch.
Ein neues Phänomen. Niederländer bei ihrem Fan-Marsch. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Das sind Augenblicke, die du nie vergisst“, bestätigt ein schottischer Fan kurz vor der Abreise in die Heimat. Er will wiederkommen. Nach Köln, nach Düsseldorf, vielleicht sogar nach Dortmund. War es so schön hier? Der Mann nickt: „Good beer“ - gutes Bier.

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