Ruhrgebiet. Cannabis Clubs können bereits die Genehmigung beantragen, um Marihuana zu pflanzen – doch in der Szene wächst eher der Ärger.

Die Cannabis-Clubs sind startklar: Seit Juli können sie die Lizenzen für den Anbau von Marihuana beantragen – theoretisch. Doch unmittelbar vor dem Stichtag war noch vieles unklar – zum Beispiel, wie teuer eine Lizenz sein wird. So groß sind die Unwägbarkeiten, dass manchen Clubs die Lust vergangen ist. Ein Überblick:

Recklinghausen macht Dampf

Zumindest die Übersee-Container sollten pünktlich zum Stichtag ankommen. Der Cannabisverein Recklinghausen wollte sie am Montag in ein Industriegebiet setzen, umbauen und dann darin anbauen. So schnell wie möglich. „Wir haben alles vorbereitet“, sagt Achim Artur Krüger. Das Jugendschutzkonzept sei mit der Stadt besprochen und für gut befunden worden, der Datenschutz ebenfalls. Alle Führungszeugnisse lägen vor. Auch der Architekt hat alles den Vorgaben entsprechend geplant: Die Container bekommen Notausgänge, Brandschutz und einen drei Meter hohen Zaun, damit niemand an die darin gezüchteten Drogen gelangt. „Wenn wir die Lizenz am 1. Juli beantragt haben“, sagt Krüger, „sind wir guter Hoffnung, dass wir in ein paar Wochen loslegen können“.

Unser Anruf bei der Bezirksregierung Münster kurz vor dem Stichtag 1. Juli muss diesen Enthusiasmus dämpfen. Ein Sprecher räumt ein, dass noch viele Fragen zur Antragstellung offen sind und „hoffentlich am Wochenende geklärt werden“. In welcher Form soll der Antrag erfolgen? Wie hoch fallen die Gebühren dafür aus? Welche Dokumente werden genau gefordert? Alles noch unklar, drei Monate nach Verabschiedung des Konsumcannabisgesetzes (KCanG). Antworten könnte es am Montag auf der Internetseite des Landesarbeitsministerium geben.

Geregelt ist immerhin, dass die Bezirksregierungen als Genehmigungsbehörden innerhalb von drei Monaten entscheiden sollen, ob sie eine Lizenz erteilen oder verweigern. Darauf verlassen sollten sich die Anbau-Clubs aber nicht. „Auf lange Sicht soll es so sein“, schränkt der Sprecher ein. „Ob die Frist zu Beginn eingehalten werden kann, ist noch nicht klar.“

Wann flüstert das Gras?

Es könnte also der Herbst ins Land ziehen, bevor die ersten Cannabisknospen erblühen. Derweil laufen die Kosten weiter, mit denen mancher Verein in Vorleistung getreten ist. Gemietete Büroräume oder Kredite für Anbau-Ausrüstung: Leuchten, Bewässerung, Lüftung – solche Sachen. Die Lizenz, befürchten viele, könnte bis zu 4000 Euro kosten, weil sämtliche Verwaltungskosten umgelegt werden sollen.

Licht ist Gewicht, lautet eine Regel für den Heimanbau.
Licht ist Gewicht, lautet eine Regel für den Heimanbau. © imago/Sven Simon | IMAGO stock

Auch Krüger sieht diese Unwägbarkeiten: „Viele Clubs haben Angst, wie sie es schaffen sollen, die Kosten durch Mitgliedsbeiträge zu stemmen. Das können auch wir nicht. Wir haben eine Aufnahmegebühr von 150 Euro erhoben, um das Grundkapital für den ersten Anbau zu bekommen. Die 17.000 Euro haben wir voll investiert. Allein die Nutzungsänderung für die Überseecontainer kostet samt Architektengebühren 2000 Euro.“ Wenn nun die Lizenz tatsächlich 4000 Euro kosten sollte, wäre das aus den bisherigen Mitteln kaum zu stemmen. „Wir werden wir eine Sonderumlage erheben. Das ist bereits mit den Mitgliedern besprochen.“

Dennoch ist Krüger zufrieden, dass die wesentlichen Punkte nun feststehen – auch wenn er die Ausgestaltung kritisiert: Vor allem die Regel, dass der Konsum von Cannabis in den Clubgebäuden (und 100 Meter drumherum) verboten ist, vergällt in der Szene vielen die Lust. Auch Krüger sagt: „Wir sind 150 Mitglieder. Jeden Samstag treffen wir uns mit dreißig bis vierzig Leuten.“ Wenn nach der Lizenzerteilung nicht mehr in Clubräumen geraucht werden darf, „wäre das ein Rückschritt in unserem Vereinsleben. Aber wir haben alle kein Problem damit.“

Was aber ist dann die Motivation, eine Anbau-Vereinigung zu gründen? Wer tatsächlich nur mit Freunden zusammensitzen möchte, könnte auch einen Kiffer-Stammtisch gründen. Der Eigenanbau von drei Pflanzen pro Person ist ganz unbürokratisch erlaubt. Man könnte sich also einfach gegenseitig die Blumen gießen. Einen Cannabis-Club zu gründen, bedeutet das Gegenteil dieser Kiffer-Idylle: Bürokratie, Kontrollen, Organisation, sehr viel Arbeit – und dann darf der Club nicht einmal Geld damit verdienen.

Bochum begräbt das Thema Anbau

Der Cannabis Social Club Bochum hat darum das Thema Anbau zunächst begraben. „Unter diesen Voraussetzungen werden wir auf keinen Fall arbeiten“, sagt der Vorsitzende Matthias Otto. „Eine Anbauvereinigung soll für bis zu 500 Mitglieder produzieren, was der Gründung eines kleinen Unternehmens gleichkommt – aber Geld soll sie nicht erwirtschaften. In der Praxis wird es einige Mitglieder geben, die die Arbeit machen und viele, die sich wie Kunden verhalten und nur eine bequeme Bezugsquelle suchen.“

Matthias Otto ist Vorsitzender des Cannabis Social Club Bochum.
Matthias Otto ist Vorsitzender des Cannabis Social Club Bochum. © WAZ | Thomas Mader

Aber genau das birgt eine finanzielle Chance. Ein Anbauverein darf drei Vorstandsmitglieder hauptamtlich beschäftigen. Wer also einen Club gründet, schafft sich eine Vollzeitstelle. Für Achim Artur Krüger ist das „natürlich ein Anreiz“ – und kein Widerspruch zur Idee eines geselligen Clublebens. Er ist stolz darauf, drei Arbeitsplätze geschaffen zu haben. Und wenn man in Zukunft mit Freunden zusammenarbeiten kann an etwas, das einem Freude vermittelt – bestens. Krüger empfindet die Tätigkeit sogar als sinnstiftend: „Wir kämpfen seit 20 Jahren für eine Legalisierung. Meine Mutter war schwer krebskrank und Cannabis hat ihr sehr geholfen.“

Wattenscheid will den Fuß in die Tür kriegen

Beim Cannabis Club Wattenscheid sieht man das ähnlich. Es gehe darum, in der Gemeinschaft etwas aufzubauen, sagt ein Sprecher auf die Frage, warum man nicht einfach privat anbaue. Am Anfang stand die Idee, eine Art bunten Coffeeshop als Treffpunkt zu eröffnen. Das ist mit den jetzigen Regeln nicht möglich. Also bleiben auch hier vor allem finanzielle Anreize. „Wir wollen mit einem Fuß in der Sache drin sein, wenn es dann in einem Jahr voll legalisiert ist“, sagt Devran (ohne Nachname, weil er berufliche Nachteile befürchtet). „Das ist nur die erste Phase. Später wird es sich vielleicht auszahlen.“ Er sieht Geschäftsfelder in der Rechts- und Suchtberatung oder bei der Anbauausstattung.

Die Wattenscheider haben schon ein Ladenlokal gemietet und eingerichtet, suchen aber noch nach Anbauflächen. Devran bedauert, dass Clubs nicht gemeinsam anbauen dürfen, was die Immobiliensuche einfacher machen und die Kosten reduzieren würde. „Wir wissen auch nicht, welche Qualitätsstandards uns vorgesetzt werden.“

Am 1. Juli wollen sie dennoch die Anbaulizenz beantragen. Damit „gehen wir blind ins Risiko“, sagt Devran. „Wir hoffen einfach, dass die Spielregeln nun zu Gunsten der Vereine ausgelegt werden. Wenn Vater Staat sich für zu viel Restriktion entscheidet, haben wir vielleicht umsonst investiert. Es ist gerade ein Spiel mit dem Feuer.“ Der Verein zählt schon 485 Interessenten und es könnten noch mehr sein. Aber zurzeit werden keine neuen aufgenommen. „Bis wir 100-prozentig wissen, wo die Reise hingeht.“

Mülheim hat Fragen

Andere sind vorsichtiger: Daniel Lüdeke vom Fruity Bloom Club Mülheim hat noch so viele Fragen, dass „wir derzeit keine Möglichkeit sehen, unseren Genehmigungsantrag einzureichen.“ Die Gefahr sei zu groß, dass die Bezirksregierung oder das Ministerium neue Anforderungen veröffentlichen, die dazu führen, dass der Antrag abgelehnt werde. „Die Oppositionsparteien schaffen kein Vertrauen mit ihrer Haltung: Wir machen das Gesetz wieder rückgängig.“ Vermieter würden aus Sorge über kurze Mietdauern zögern, Konsumenten könnten „bald wieder kriminalisiert zu werden“, potenzielle Vereinsmitglieder müssten befürchten, „dass ihre persönlichen Daten an die nächste Regierung weitergeleitet werden“.

Die Bürokratie ist eine Wundertüte: „Dürfen wir uns nur in Gewerbegebäuden ansiedeln oder sind auch Mischgebäude zulässig? Wäre es möglich, eine Produktionsstätte außerhalb zu betreiben und die Abgabe in einem kleinen Lokal innerhalb eines Mischgebäudes durchzuführen?“, fragt Lüdeke. „Ich und viele andere Anbauvereinigungen haben in den letzten Wochen versucht, diese Fragen bei den Behörden zu klären. Es gibt keine klare Antwort.“

Lüdeke empfindet das Gesetz als zu vage. „Was bedeutet einbruchssichere Türen – warum wird nicht einfach eine Schutzklasse vorgegeben? Ist ein Regal im abgeschlossenen Lager ausreichend oder sollte es einen zusätzlichen Tresor geben? Ist ein Glasbehälter in der Abgabestelle auf einem Regal ausreichend, wenn sich ein Angestellter hinter dem Tresen befindet?“

Und warum muss eigentlich jede Anbauvereinigung selbst ein Jugend- und Gesundheitsschutzkonzept schreiben – ohne klare Vorgaben, was hinein muss. Soll der Gesundheitsschutzbeauftragte nur kontrollieren oder auch beraten? Über solche Sachen, sagt Lüdeke, „haben Vorstände deutschlandweit stundenlang diskutiert, ohne zu wissen, ob das Ergebnis letztendlich den Vorstellungen der Behörden entspricht.“ Man hätte ja auch einfach klare Vorgaben machen können.

Gelsenkirchen wartet ab

Auch der Organic Ganja Club Gelsenkirchen möchte erst mal abwarten, erklärt Benjamin Cvetanovic. Wer weiß, welche Regeln noch verändert werden. Auch das KCanG war erst wenige Wochen alt, als schon wieder nachgebessert wurde. Es gibt nun den Ländern mehr Ermessensspielraum, die Lizenz zu verweigern. Vor allem zielen die Änderungen gegen Zusammenarbeit im Anbau und gegen Dienstleistungsangebote. In der Vorstellung des Gesetzgebers soll der Anbau nichtgewerblich bleiben. Cvetanovic weist auf den Widersinn hin: „Wir sollen nicht in den eigenen Clubräumen rauchen dürfen – und wären eine reine Abgabestelle. Aber wir wollen nicht einfach der Ersatz für den Schwarzmarkt-Dealer sein.“ Fazit: „Wir bleiben dran. Aber wir müssen nicht die ersten sein und gucken erst mal, wie es bei den anderen läuft.“