Dortmund. „Mit dem Messer in der Hand.“ Am Landgericht Dortmund schildert die Beamtin, wie Mouhamed ihr nach den Schüssen fast vor die Füße fiel.
Im Prozess gegen fünf Polizisten in Dortmund hat auch die letzte Angeklagte die Sicht ihrer Kollegen auf den Todestag von Mouhamed Dramé bestätigt. Die 32-Jährige hatte mit dem Taser auf den 16-Jährigen geschossen, Sekundenbruchteile später fielen Schüsse aus einer Maschinenpistole. So nah stand die Beamtin dem Senegalesen, dass der Schwerverletzte ihr fast vor die Füße gefallen sei.
Am 15. Prozesstag hat das Landgericht Dortmund damit die Befragung der Angeklagten zunächst abgeschlossen. Alle haben bislang erklärt, dass der junge Flüchtling im Hinterhof einer Jugendeinrichtung in der Nordstadt gehockt habe, mit einem Messer in der Hand. Die Polizei sei gerufen worden, ihn vom Suizid abzubringen. Auch am Freitag erzählt die Polizistin, dass Mouhamed Dramé aufgesprungen sei, nachdem er das Pfefferspray einer Kollegin abbekommen habe. Er sei mit dem Messer auf die Beamten zugelaufen.
Polizistin zog den Taser: „Ich habe ihn gut im Visier“
Die Schussverletzungen aus der Waffe ihres Kollegen habe sie aus nächster Nähe sofort gesehen, sei zunächst auch noch mit in den Rettungswagen gestiegen. Unmittelbar vor der tödlichen Eskalation hätte sie noch gefragt, ob sie den Elektroschocker ziehen soll: „Ich habe ihn gut im Visier.“ Erst das Pfefferspray, habe der Dienstgruppenleiter gesagt; seiner Erfahrung und seinem Einsatzplan habe sie vertraut.
Schon früher im Prozess waren Telefonnachrichten der 32-Jährigen verlesen worden, in denen sie Zweifel an der richtigen Taktik geäußert haben soll. Die Frage, ob das Team der Wache Nord etwas anders hätte machen können, treibt besonders die jüngeren Polizisten offenbar um. Ob ein anderes Vorgehen ein anderes Ergebnis gehabt hätte, werden sie indes nicht erfahren.
- Darum schoss der Dortmunder Polizist auf Mouhamed Dramé
- Mouhamed Dramé: Einsatzleiter erklärt Schüsse vor Gericht
- Sanitäter: Angeschossener Mouhamed (16) wehrte sich massiv
- Prozess gegen Polizei: Warum musste Mouhamed (16) sterben?
- Erschossener Mouhamed – „Meinen Bruder getötet wie ein Tier“
- Polizistin über Dramé-Einsatz: „Ich sollte ihn einpfeffern“
Am Freitag sagte zudem eine weitere Kollegin aus, die am Einsatz im August 2022 nicht beteiligt war, aber am Tag zuvor Nachtdienst hatte. Sie erinnerte sich daran, wie Dramé auf der Wache vorstellig wurde und um Hilfe bat. Deutsch habe er nicht verstanden, etwas Spanisch nur. Aus Gesten und einzelnen Wörtern habe sie geschlossen, dass der junge Mann in ein Krankenhaus wollte. Tatsächlich brachte man ihn in die LWL-Klinik für Psychatrie.
Mit den Aussagen der Angeklagten ist die Beweisaufnahme des Schwurgerichts aber nicht beendet. Termine sind noch bis in den September hinein geplant. Unter anderem sind noch Gutachter zu hören, aber auch die Einsatztaktik will die Kammer hinterfragen. Dazu und zur Frage, was Polizisten in der Ausbildung für den Umgang mit bewaffneten Personen lernen, will das Gericht das Landesamt für Ausbildung und Fortbildung der Polizei (LAFP) aus Selm laden. (AFi)