Essen. Lachen ist die beste Medizin, darüber vergeht sogar der Schmerz: Was Klinikclowns bei kleinen und großen Patienten anrichten, ist einfach gesund.
Wenn die Clowns kommen, ist Mittwoch. Man kann ja die Wochentage vergessen im Krankenhaus, morgens Visite, und wenn sonst einer reinkommt, „ist es meistens was Schlimmes“. Außer, es ist Lisette. Mit ihrer Schleife auf dem Kopf, der roten Nase im Gesicht und Schlatke im Schlepptau: ein Typ mit Hut und Hosenträgern. Kein weißen Kittel, und dabei bringen sie den Kindern vielleicht die beste Medizin: Hallo Klinikclowns, eine doppelte Dosis Lachen, bitte!
Der kleine Blessed lacht nicht. Noch nicht. Auffallend unauffällig spielt der Zweijährige in seinem Bett mit Autos, irgendwo in Höhe der Windel führen Schläuche zu einer Maschine. Interessiert ihn doch nicht, was nebenan passiert! Dass die Mutter von Kutay vor Lachen fast vom Stuhl fällt, weil Schlatke in seiner großen Tasche den Osterhasen sucht. Dass Kutay gern Schlatkes karierte Buxe hätte und Lisette als Ersatz ihre Bollerhose anbietet unter Rock und Unterrock. „Boah“, sagt der Zwölfjährige, der sonst nicht viel sagen kann, „boah, Clown!“ Blessed sieht nicht hin. Aber dann kommt Essens Clownsvisite, heute also Schlatke mit seiner Ukulele herüber, spielt ein Lied – und da steht Blessed auf in seiner Strumpfhose, wackelt mit dem Windelpopo und klatscht.
„Wir sind nicht für die Krankheit da, sondern fürs Spielen“
Es gibt sonst nicht allzu viel zu lachen in der Kinderklinik des Essener Universitätsklinikums, für die Patienten nicht und für die Eltern nicht. Und trotzdem sagt Schlatke alias Holger Voss, es ist „ein guter Ort, um Clown zu sein“. Weil sie einen „Bruch in den Alltag“ der Kranken bringen. Weil ein arabisches Sprichwort recht hat, das sagt: „Zwischen Lachen und Spielen werden die Seelen gesund.“ Und weil das wissenschaftlich inzwischen erwiesen ist: Lachen baut Stress ab, stärkt die Abwehrkräfte, senkt den Blutdruck, lindert Schmerzen.
„Es lenkt ab vom Schicksal“, sagt Lisette, die für die sorgenvollen Eltern immer auch ihren Rückenkratzer dabei hat, dem schon zwei Zähne fehlen, das entspannt. Dass eine Reinigungskraft beim Anblick des bunten Duos vor Schreck fast über die Bohnermaschine fällt, ist auch schon wieder lustig. Und der Herr da im Kittel ist Dr. Daniel Spodeck, das steht dran, aber wer ist, bitteschön, dieser Clown? Der Leiter der Kinderorthopädie malt Schlatke spontan ein Namensschild mit seinem Kuli, kann man nicht lesen, „ist ja typisch für diese Ärzte“, und schon hat auf den Wartestühlen kein einziges Kind mehr Angst. „Wir sind nicht für die Krankheit da“, sagt Lisette, „sondern fürs Spielen.“
Bei den „Gute-Laune-Menschen“ ist auch „Mieslaune“ erlaubt
Zum Glück also gibt es in Essen diesen Spind im Keller, auf dem „Clowns“ steht, und diese Zwei und ihre Kollegen, die schon singend über das Gelände spazieren, dass ein Erwachsener sich umdreht: „Seid ihr die Gute-Laune-Menschen?“ Sind sie. Aber darum geht es gar nicht, bei Schlatke und Lisette ist auch „Mieslaune“ erlaubt. Bei den beiden darf man mit dem Fuß aufstampfen und gegen die Wand treten und „Scheiße“ sagen, wenn alles weh tut. Sie werden das dann spiegeln, einer motzt und einer schimpft zurück, man darf die Clowns aber auch rausschmeißen. „Es geht um Gefühle“, sagt Lisette, die eigentlich Lisa Bohren-Harjes heißt, „alles hat seinen Platz.“
Weshalb es okay ist, dass der Junge im Wartezimmer des Protonenzentrums einfach zu groß ist für die Blockflöte von Lisette. Nicht schlimm, dass die Patientin aus Bremen die spontan gestapelten „Stadtmusikanten“ gar nicht kennt. Kein Problem, wenn Kinder aus anderen Kulturen Clowns noch niemals sahen. Und dass der dreijährige Damian sich anfangs fürchtet und in eine Gardine wickelt. „Wir müssen nicht lustig sein“, sagt Lisette und malt mit abwaschbaren Stiften Bilder an Damians Fensterscheibe. Es dauert nicht lange, bis der Junge aus dem Vorhang kriecht und mitmalt. Lisette liebt diesen Moment, „wenn die Kinder aufmachen“, wenn sie die Tür zu ihrer Seele gefunden hat: „Es ist ein totales Geschenk, wenn das gelingt.“
Patient gesund entlassen: Tusch und Freudensprung!
Manchen Patienten lernen die Klinikclowns schon als Säugling kennen, andere verabschieden sie nur, weil sie 18 sind und die Kinderklinik verlassen. Auf dem Weg zwischen den Häusern treffen sie an einem Mittwoch ein zuvor leukämiekrankes Kind, das gerade seine letzte Untersuchung hatte. „Gesund“, sagt der Vater, und was soll man da sagen als Clown: Tusch und Freudensprung! Ein paar Passanten gucken so kariert wie Schlatkes Hose. „Man muss sich peinlich machen“, sagt der. Und singt später für Arin „Happy“, weil das auf deren T-Shirt steht und ein paar Strophen dazu, die von der Sechsjährigen erzählen: „Oma da Mama Baby zuhaaauuuse...“
Überhaupt ist dieser Holger Voss, 63, ziemlich gut im Improvisieren. Steht am Bett von Julius, der sich nach einer Milz-Verletzung absolut nicht bewegen darf und tut entsetzt: „Eine Woche so bleiben? Nicht mal pinkeln?“ Und dann läuft das Duo zur Hochform auf: „Man darf nicht laufen, aber den Gedanken darf man nachgehen.“ – „Stell dir vor, du bist in einem Raumschiff.“ – „Da sind Aliens, die sind grün und haben matschige Augen.“ – „Meine sind rot.“ – „Wie sieht denn das aus?“ – „Das ist dir jetzt in den Sinn gekommen? Dummes Zeug!“ Und der achtjährige Julius lacht, dass es wohl auch schon wieder nicht gut ist für die Milz.
„Lachen“, sagt die Clownin Lisette, „ist manchmal schwierig. Aber schön, wenn’s passiert.“
>>INFO: LACHEN ALS MEDIZIN
Studien haben längst erwiesen: Lachen hat positive Auswirkungen auf Leib und Seele. Ein ausgiebiges Lachen bewegt allein im Gesicht 17 verschiedene Muskeln, im gesamten Körper sogar bis zu 300. Die Atmung vertieft sich, der Körper wird besser mit Sauerstoff versorgt, Verspannungen lösen sich, der Blutdruck wird gesenkt, selbst die Abwehrkräfte werden gestärkt. Zudem werden Endorphine, die sogenannten Glückshormone ausgeschüttet.
Allerdings lacht der Mensch weniger, je älter er wird. Es gilt also, ihn häufiger zum Lachen zu bringen. Zum Beispiel durch Lachyoga. In solchen Kursen werden Lächeln und Lachen oft nur simuliert, das Gehirn kann den Unterschied aber nicht erkennen: Die positiven Auswirkungen ergeben sich trotzdem.
In der aktuellen Studie „CAsHeW“ (Clownsinterventionen in Altenhilfeeinrichtungen – soziale Hilfeleistung unter Berücksichtigung emotionaler Wesensaspekte) haben Wissenschaftler jüngst untersucht, welche positiven Entwicklungen Clowns bei älteren und auch dementen Menschen bewirken können. Beteiligt war u.a. der Dachverband der Clowns in Medizin und Pflege Deutschland e.V.
Dort ist auch der Essener Verein Clownsvisite e.V. organisiert, der nicht nur am Uniklinikum Essen, sondern in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen seit 20 Jahren im Einsatz ist. Finanziert wird das durch Spenden: Clownsvisite e.V. - Sparkasse Dortmund - IBAN: DE63 4405 0199 0401 0134 82. Kontakt: www.clownsvisite.de