Fröndenberg. Am Ruhrtal-Radweg gibt es nun eine Kirche für Radfahrer: Sie finden dort Werkzeug, Ladestation und einen Ort zum Innehalten.
An der Graf-Adolf-Straße in Fröndenberg finden Radfahrer alles, was sie brauchen für eine vernünftige Pause. Werkzeug etwa, Picknick-Platz, Ladestation, Toiletten, Fahrradständer und natürlich geistige Erbauung. Gott-and-go.
Denn da, im äußersten Osten des Ruhrgebiets und zugleich im Erzbistum Paderborn, da steht die Kirche St. Josef, und sie ist tatsächlich die erste richtige Fahrradkirche am Ruhrtal-Radweg: Tagsüber immer offen, die schon bestehende in Schwerte öffnet nur samstags. Wie ähnliche Projekte, funktioniert auch Fröndenberg nur mit ehrenamtlichem Einsatz: Die Leute von gegenüber etwa schließen morgens auf und abends ab.
Gäste können Lieder, Meditationen oder Andachten anklicken
Fahrradkirche? Hmm . . . Analog zu Autobahn-Kirchen kann man auch hier in St. Josef Pause machen, Gedanken nachhängen, in der Bibel lesen; aber sich auf einem Bildschirm auch Lieder, Andachten oder Meditationen auswählen, die dann aus Lautsprechern im ganzen Kirchenschiff erklingen. Zu "Freude", "Trauer", "Wut" und vielem mehr; es gibt auch eine spezielle Fahrrad-Andacht, aber das fällt wieder in das Kapitel ehrenamtlicher Einsatz.
Und so kommt es, dass an einem Allerwelts-Mittwoch außerhalb der Ferien mittags kurz nach zwölf Uhr fünf Leute darin sitzen, erkennbar Radfahrer und Radfahrerinnen, und sich einen gregorianischen "Halleluja"-Gesang anhören. Der gilt den Machern hier als der Klassiker, jedenfalls eher als der "Bibel-Rap", der auch entschlossen abgespielt werden könnte.
"Wir sind überwältigt, wie viele Menschen jetzt hier anhalten"
Zu den Macherinnen gehört auf jeden Fall Mona Schomers (40), die katholische Gemeindereferentin für den Pastoralen Raum Unna, Holzwickede und Fröndenberg: "Wir sind überwältigt, wie viele Menschen jetzt hier anhalten. Immer trifft man jemanden", sagt sie.
Die Fahrradkirche war nämlich, um ein schönes schiefes Bild zu wählen, ein Schuss ins Blaue. Interessiert das jemand? Allerdings, sagt Schomers, hätten Nachbarn auch schon früher berichtet, gelegentlich stiegen Menschen vom Rad und rüttelten an der Tür: aber ach, geschlossen.
St. Josef steht direkt am Radweg, näher als die Ruhr
Denn St. Josef war es in den Vorjahren gar nicht gut ergangen. Herabgestuft zur Nebenkirche, nicht mehr beheizt, zuletzt auch keine Sonntagsgottesdienste mehr: Die Entweihung lag in der Luft. Darum trafen sich von Februar 2020 an Menschen aus dem Ort, um zu überlegen, was zu tun sei. Im Juni 2021 ist die Fahrradkirche fertig geworden. "Willkommen, Bienvenue, Welcome" steht nun auf einem provisorischen Banner am Eingang.
Denn genau genommen fehlt noch die Baugenehmigung für das geplante, riesige Hinweisschild am Glockenturm. Aber es geht ja auch ohne: St. Josef steht direkt am Ruhrtalradweg, die Menschen müssen nicht den allerkleinsten Umweg fahren. Nur anhalten. Tatsächlich steht die Kirche sogar zwischen Radweg und Ruhr.
"Ein tolles Beispiel, was moderne Kirche bedeuten kann"
Und so finden sich in dem ersten Gästebuch bisher nur positive Kritiken. "Habe mich sehr wohlgefühlt und aufgetankt." - "An unserem 30. Hochzeitstag haben wir auf einer Radtour diese wunderschöne Oase entdeckt. Wie schön und liebevoll ist das gestaltet. Wir sind sehr, sehr angetan." "Ein tolles Beispiel, was moderne Kirche bedeuten kann." So geht es Seite um Seite weiter.
Denn natürlich sind solche Häuser auch ein Vehikel für die Katholische und die Evangelische Kirche, nah bei den Menschen zu bleiben, von denen ja angeblich immer mehr Rad fahren. Fahrradkirchen entstehen mehr und mehr in Deutschland, wobei der Begriff nicht immer definiert ist: Manchmal beschreibt er auch nur eine sehenswerte Kirche in der Nähe eines Radwanderweges. Falls sie geöffnet ist.
Inzwischen gibt es sogar wieder Sonntagsgottesdienste
Die Zeltkirche St. Josef war zeitlebens umstritten, ist einer dieser modernen, oft umstrittenen Nachkriegsbauten von 1962. Um so mehr freut sich eine Nachbarin, die die ganze Geschichte kennt, über die neue Sinngebung: "Ich bin stolz darauf, was aus meiner Kirche geworden ist."
Denn es geht ja noch viel weiter. Inzwischen gibt es in St. Josef sogar wieder jeden Sonntag Gottesdienste: "Das hat nicht direkt mit der Fahrradkirche zu tun", sagt Mona Schomers, die Gemeindereferentin: "Aber irgendwie ist mit ihr das Leben hierhin zurückgekehrt." Man möchte glatt wieder reingehen und einen Gesang anklicken: "Heilig, heilig, heilig."