Essen. In Essen startet die Corona-Impfung für 5- bis 11-Jährige. Stadt und Kinderärzte machen Angebote. Einige Praxen sind aber schon jetzt überlastet.
- In Essen werden jetzt auch fünf bis elf Jahre alte Kinder gegen das Coronavirus geimpft
- Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Impfung vor allem für vorerkrankte Kinder. Die Stadt will aber allen, die es wünschen, ein Impfangebot machen
- Auch viele Kinderärzte starten nun mit der Impfung der Jüngsten, besonders im Süden der Stadt ist die Nachfrage groß
- Im Essener Norden sind viele Kinderärzte und -ärztinnen noch mit Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen ausgelastet. Das neue Angebot für die Kleinsten bedeute auch eine weitere Belastung für die Praxen
Die Stadt will bis Ende des Jahres 4000 Kinder zwischen fünf und elf Jahren vollständig – also zweimal – gegen das Coronavirus impfen. „Das sind über zehn Prozent der Essener Kinder in der Altersgruppe“, sagt Gesundheitsdezernent Peter Renzel. Er hoffe, dass die niedergelassenen Kinderärzte bis Jahresende noch einmal genauso viele der jüngeren Kinder impfen werden. Tatsächlich bereiten sich viele der Praxen auf die neue Zielgruppe vor. Einige der Kinderärzte erklären jedoch, dass sie schon jetzt überlastet seien und einen Ansturm der jüngsten Impflinge nur schwer bewältigen könnten.
Kinderärzte arbeiten schon jetzt am Anschlag
„Wir können die Eile, mit der jetzt die Impfung der jüngeren Kinder forciert wird, nicht verstehen. In unseren Praxen häufen sich die Nachfragen nach Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen sowohl bei Jugendlichen als auch bei den Eltern unserer Patienten“, sagt der Obmann der Essener Kinder- und Jugendärzte, Dr. Ludwig Kleine-Seuken. In vielen Praxen würden schon jetzt freie Nachmittage und Wochenendtage für Impfungen und Verwaltungsaufgaben genutzt. „Wir niedergelassene Kinderärzte arbeiten am Anschlag.“
Kleine-Seuken, dessen Praxis in Katernberg liegt, schätzt, dass dort ein Drittel der Eltern noch nicht geimpft sei. Kommen sie mit ihren kranken Kindern, lotst er sie gleich in einen Untersuchungsraum, der anschließend erst gelüftet werden muss. Wenn es möglich ist, impft der Kinderarzt auch Mütter und Väter. Bei den Jugendlichen von zwölf bis 17 Jahren liege die Impfquote in seiner Praxis schon über 50 Prozent. Was auch bedeute, dass hier noch knapp die Hälfte dieser Altersgruppe keinen ausreichenden Impfschutz habe. „Die bekommen bei uns innerhalb einer Woche einen Termin.“
Eltern melden sich wegen Quarantäne und PCR-Tests in den Praxen
Gleichzeitig wendeten sich viele Eltern mit Fragen zu Hygieneregeln, Quarantäne und PCR-Tests an die Kinderarztpraxen. „Die Eltern finden keine Ansprechpartner im Gesundheitsamt.“ Einige Kitas verlangten nach einer 14-tägigen Quarantäne eine Frei-Testung – das sollten Kinderärzte ebenfalls leisten. Auch wenn nach einem positiven PCR-Test der Anruf des Gesundheitsamts auf sich warten lasse, riefen die Eltern in der Praxis an. Bei Tests und Quarantäne-Nachverfolgung wünsche er sich von der Stadt mehr Unterstützung.
Stiko empfiehlt vorerkrankten Kindern die Impfung
Seit Donnerstag (9.12.21) empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) eine Impfung gegen Covid-19 für Kinder von 5 bis 11 Jahren mit verschiedenen Vorerkrankungen. Die Empfehlung gilt auch für Kinder, in deren Umfeld Kontaktpersonen mit hohem Risiko für einen schweren Covid-Verlauf leben, die sich selbst nicht (ausreichend) durch eine Impfung schützen können: etwa Hochbetagte und Immunsupprimierte.
Die Kinder sollen im Abstand von drei bis sechs Wochen zweimal mit dem – niedriger dosierten – Biontech-Impfstoff geimpft werden. So sollen schwere Covid-Verläufe oder Todesfälle verhindert werden. Die Stiko betont aber: „Derzeit besteht für Kinder ohne Vorerkrankungen in dieser Altersgruppe nur ein geringes Risiko für eine schwere Covid-Erkrankung.“ Auf Wunsch der Kinder oder ihrer Eltern könnten jedoch auch Kinder ohne Vorerkrankungen geimpft werden. Geht es nach der Stiko, sollten sich Eltern, Lehrer und Erzieher dringend impfen lassen bzw. ihre Impfung auffrischen.
In dieser Lage sehe er die Impfung kleiner Kinder nicht als dringendste Aufgabe an, zumal der Krankheitsverlauf bei ihnen meist nicht schwerwiegend sei. Tatsächlich hat die Ständige Impfkommission (Stiko) keine generelle Impfempfehlung für Fünf- bis Elfjährige ausgesprochen, sondern nur für vorerkrankte Kinder.
Trotzdem hätten viele Kinderärzte vergangene Woche noch vor der Stiko-Empfehlung den Kinderimpfstoff bestellt: Der nächste Bestelltermin ist erst im Januar. Oft erführen die Ärzte erst im letzten Moment, wie viel des bestellten Vakzins sie tatsächlich erhalten. Da der Impfstoff in Zehnerportionen geliefert werde, entstehe zusätzlicher organisatorischer Aufwand, „um alle dann aufbereiteten Impfdosen zeitnah zu verimpfen“, so Kleine-Seuken. Er sagt aber auch, dass Impfen originäre Aufgabe der Kinderärzte sei und gerade die Eltern im Essener Süden schon vermehrt nach der Kinderimpfung fragten.
Im Essener Süden ist die Nachfrage nach der Impfung für Kinder groß
So erlebt es auch Tobias Gregor, der als Kinderarzt in Werden arbeitet: „Wir fangen direkt Montag an mit den Impfungen, wenn die Apotheken den Impfstoff ausgeliefert haben.“ Selbst wenn wirklich nur bei 0,3 Prozent der Kinder in der Altersgruppe schwere Verläufe zu erwarten wären, sei das bei 20 Millionen Kindern in Deutschland eine relevante Größe. In seiner Praxis habe es allein vergangene Woche zehn positive PCR-Tests gegeben. Gregor hält die Impfung der Jüngsten daher für notwendig und interpretiert die Ansage der Stiko, auf Wunsch, auch Kinder ohne Vorerkrankung zu impfen, als „eindeutiges Signal“.
Gesundheitsdezernent Renzel verspricht den Eltern der 37.500 Fünf- bis Elfjährigen in Essen: „Es soll jedem eine Impfung ermöglicht werden.“ Die Stadt startet mit zwei Terminen am Freitag, 17. Dezember, im früheren Marienhospital in Altenessen und Montag, 20. Dezember, im Kardinal-Hengsbach-Haus in Werden. Ab 27. Dezember soll es ein festes Kinder-Impfangebot geben; noch diese Woche werde ein Terminbuchungssystem freigeschaltet.
Gesundheitsamt erfasst täglich mehr als 200 Neu-Infektionen
Ausdrücklich lobt Renzel das „große Engagement“ der niedergelassenen Kinderärzte. Was deren Appell ans Gesundheitsamt angeht, ist er indes überrascht: Am Bürgertelefon würden alle Fragen zu Corona beantwortet, überlastet sei die Hotline derzeit nicht.
PCR-Tests wiederum könne das Amt den niedergelassenen Ärzten laut aktueller Erlasslage nicht mehr abnehmen. Die Ärzte sollten Patienten ohne Symptome an die Testzentren verweisen. Was die positiv Getesteten betreffe, könne es ein bis anderthalb Tage dauern, bis das Gesundheitsamt sie anrufe. Zum einen würden mitunter keine Telefonnummern der Patienten übermittelt, zum anderen gebe es derzeit täglich über 200 Neu-Infektionen. Aber: „Alle bekommen nach zwei, drei Tagen die schriftliche Quarantäne-Anordnung.“ Gut möglich, dass sie in der Zwischenzeit schon beim Kinderarzt anrufen.