München. Im NSU-Gerichtsverfahren in München ist am Donnerstag der 28. Prozesstag zu Ende gegangen. Der Tod des 49-jährigen Abdurrahim Özüdogru aus Nürnberg stand dabei im Mittelpunkt. Im Gericht wurden Gutachter angehört. Die Tat erinnert an eine Hinrichtung.
Ein Steckschuss im Schädel und ein Durchschuss des Schädels – völlig nüchtern trägt der Gutachter im NSU-Prozess in München das Grauen eines der Morde vor. Der 49-jährige Abdurrahim Özüdogru war am 13. Juni 2001 in Nürnberg durch zwei Schüsse tödlich getroffen worden. Die Überlebenschance des Opfers schätzt Prof. Peter Betz vom Rechtsmedizinischen Institut Erlangen nur mit wenigen Minuten ein.
Akribisch trägt er den Weg der Projektile durch den Kopf des getöteten Änderungsschneiders vor. Die eine Kugel traf den Mann Mitten im Gesicht, unterhalb der Nase. Eine zweite wurde ihm in die Schläfe geschossen. Die Verletzungen hätten eine Lähmung wichtiger Organe ausgelöst. Zudem sei so viel Blut in den Mundraum geflossen, dass Abdurrahim Özüdogru dieses eingeatmet habe und daran mit erstickt sei.
Gegen 16.30 Uhr sollen die beiden tödlichen Schüsse auf den seit 20 Jahren in Deutschland lebenden Mann mit türkischen Wurzeln abgegeben worden sein. Aber erst gegen 21.45 Uhr findet ihn ein Passant.
Der erste Schuss ging direkt ins Gesicht, erklärt Martin Welter vom bayerischen Landeskriminalamtes (LKA) dem Gericht. Beim zweiten wurde die Pistole auf die Schläfe des bereits am Boden liegenden Opfers gesetzt. Die LKA-Experten hatten Schmauchspuren gefunden. Die Tat erinnert an eine Hinrichtung.
Gutachter wirken auf Gericht überzeugend
Beide Gutachter wirken auf das Gericht so überzeugend, dass sich kaum Nachfragen ergaben. Selbst die Sachlichkeit der Ausführungen kann die Kaltschnäuzigkeit der Tat nicht überdecken. Als Tatwaffe hatten die Kriminaltechniker wie bereits beim ersten NSU-Mord eine Pistole der Marke „Ceska 83“ identifiziert. Es soll dieselbe Waffe sein, mit der ein Jahr zuvor am 9. September 2000 der Blumenhändler Enver Simsek getötet wurde.
Auf diesen hatten zwei Täter nach Gutachterangaben zwischen sieben und neun Schüsse aus zwei Pistolen abgefeuert. Obwohl der Familienvater fünf Mal in den Kopf getroffen wurde, lebte er noch zwei Tage, bis er seinen Verletzungen in einer Klinik erlag.
Im Verdacht die Morde begangen zu haben, stehen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Beide sollen nach Ansicht der Bundesanwaltschaft gemeinsam mit der Hauptangeklagten Beate Zschäpe nach ihrer Flucht im Januar 1998 die Terrorgruppe des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) gebildet haben. Zschäpe wird unter anderem die Mittäterschaft an allen zehn NSU-Morden vorgeworfen.
Mundlos und Böhnhardt sollen sich umgebracht haben
Mundlos und Böhnhardt sollen sich am 4. November 2011 nach ihrer Entdeckung durch die Polizei gegen Mittag im thüringischen Eisenach das Leben genommen haben. Etwa drei Stunden später explodierte die Wohnung, in die das NSU-Trio in Zwickau untergetaucht war.
Diese Explosion beschäftigt das Gericht dann auch am Nachmittag. Ein Zeuge schildert, wie ihm die Hauptangeklagte kurz nach der Explosion des Verstecks auf der Straße entgegen kam. Der 41-Jährige zeigt sich verwundet, dass die junge Frau so schnurstracks die Straße entlang kam.
Er erzählt wie die Angeklagte zügig über den durch die Explosion auf der Straße verteilten Schutt lief. Der Schornsteinfeger und seine Ehefrau bestätigten vor Gericht eine erste Zeugenaussage vom Mittwoch, dass Zschäpe unmittelbar nach der Explosion und dem Brand im NSU-Quartier in der Nähe auf der Straße mit zwei Katzenkörben gewesen sein soll.
Beate Zschäpe wirkte ruhig und gefasst
Die Angeklagte habe ein Handy in der Hand gehabt und wollte vielleicht telefonieren, fuhr der 41-Jährige fort. Er beschreibt Zschäpe als ruhig, gefasst, nicht aufgeregt. Sie habe sich nicht umgedreht und sei an ihm vorbei gelaufen. Der Zeuge erzählt, dass er sie nur kurz gefragt habe, ob die Feuerwehr bereits alarmiert sei. Die Angeklagte soll „ja“ geantwortet haben.
Nach den polizeilichen Ermittlungen soll Zschäpe damals versucht haben, den im Münchner NSU-Verfahren Mitangeklagten André E. mehrmals anzurufen. Nach der Explosion war die Hauptangeklagte mehrere Tage untergetaucht. Sie soll mit Zügen quer durch die Bundesrepublik gefahren und am Samstagnachmittag auch unbemerkt in Eisenach an dem Ort gewesen sein, an dem sich einen Tag zuvor Böhnhardt und Mundlos getötet hatten.
Ihre Katzen, die sie zu Beginn ihrer Flucht aus Zwickau in der Einfahrt einer Nachbarin abgestellt hatte, wurden später von einem Tierheim aufgenommen. Bereits vor Wochen hatte ein Nebenkläger ihr vorgeworfen, dass sie sich während des Brandes um ihre Katzen gekümmert habe, nicht aber um eine über 80-Jährige Nachbarin.