Düsseldorf. Rosenmontag fallen die Züge aus, zu Altweiber gingen die Jecken noch feiern. Zur Damensitzung in Düsseldorf kamen viele mit gemischten Gefühlen.
Es stand ohnehin schon ein „Trotzdem“ über diesen Tollen Tagen. Ein bisschen Party trotz der Pandemie, in Köln Straßenkarneval, in Düsseldorf Damensitzung, aber nur draußen. So planten die Jecken die Weiberfastnacht – und dann brach noch vor dem Frohsinn am Donnerstag der Krieg aus. Wer da noch feierte, ging Donnerstag mit einem Doppel-Trotzdem hin: „Wir machen“, sagt Diana in Düsseldorf, „das Beste aus dem ganzen Scheiß.“
„Kannste feiern oder kannste nicht?“ Nicht nur Stefan Drüppel hat sich das am Morgen gefragt, aber er soll ja moderieren beim Frühschoppen in Unterrath und gleich Karnevalslieder singen, also ist er gekommen. „Die Menschen brauchen auch den Karneval.“ Das sagen sie alle, die für diesen Tag etwas auf die Beine gestellt haben. „Man kann den Leuten das jetzt nicht schon wieder wegnehmen“, sagt Veranstalter Martin Wilms im „Karnevalsdörfchen“, in das er die Session bis Sonntag verlegt hat, man sei ja „froh, überhaupt feiern zu können, nach zwei Jahren“. Seine Agentur „Häzzblut“ begeht Damensitzung, Fete und Familienfeier wegen der Ansteckungsgefahr „drusse vor de dör“ und von der Altstadt auf den Parkplatz eines Sportvereins: Man schunkelt mit 2G+ unter Sonnenschirmen und Heizpilzen, zum Altbier gibt es „Bratwoosch“, und seinen Kaffee trinkt Wilms aus einer Tasse, auf der „Fröhliche Weihnachten“ steht.
Kölns Dreigestirn will den Jecken trotz allem Freude bereiten
Düsseldorf also will nicht „wieder zurückstecken“ und sei sich damit ausnahmsweise mal einig mit den Kölnern: Deren Festkomitee hat am Morgen, in dem in der Ukraine Bomben fallen, erklärt, eine Absage sei „das falsche Signal“. Man habe „gerade auch in der jüngeren Vergangenheit gelernt, dass der Karneval in Krisenzeiten eine wichtige Funktion für die Menschen hat“. Prinz Sven I. findet, er sei es den Jecken „schuldig, ihnen ein wenig Freude zu bereiten“. Seine Jungfrau Gerdemie ruft von der Bühne bis nach Moskau: „Wir lassen uns nicht die Grenzen des Frohsinns von Menschen bestimmen, die Freiheit und Frieden mit Füßen treten!“ Zehntausende haben da in der Domstadt schon die Kneipen gestürmt.
Was ist richtig oder falsch? „Irgendein Scheiß ist ja immer auf der Welt“, tönt in Düsseldorf die Band „Kokolores“ und stimmt das „Mutmachlied“ an. Überhaupt klingen so viele harmlose Karnevals-Schlager zu Altweiber bedeutsamer als sie sind: „Komm, wir halten die Welt an“, „So lange die Welt sich dreht“ oder auch „Wat soll passiere, wenn wir zusammen fiere?“ Also machen sie genau das: „Cool, dass ein bisschen was geht“, sagt Heike, man wolle sich „ja auch mal wieder ein bisschen amüsieren“. Saskia aus Oberhausen hatte „nur im ersten Moment Angst“, ist jetzt aber „froh, hier zu sein“. Und Alexandra findet die „abgespeckte Version viel besser als gar nichts“.
„Man muss Corona schon wegdrücken und jetzt auch noch den Krieg“
Es tanzt ein alter Ägypter mit einer Mensch gewordenen Brause, es schunkelt ein Marienkäfer mit Bat-Woman und ein Flamingo mit der Biene Maja – Karneval wie üblich. Ein Clown hat ausweislich seines Ordens „Konfetti im Herzen“, die Band „Hahnenschrei“ singt „Jetzt geht’s los“, und nur einer trägt Maske zum ganz normalen Anorak: „Ich gehe als Corona-Geschädigter.“ Es sind ja auch ein paar Männer gekommen, und mindestens zwei in Soldaten-Uniform: Camouflage, Tarngrün, schusssichere Weste. Aber auch die wollen nur feiern.
Darf man das? Wolfgang, der heute als lebendiger Toter erschienen ist, hat sich das schon gefragt. „Man muss Corona schon wegdrücken und jetzt auch noch den Krieg.“ Aber, der Untote lässt die Schultern hängen, „man lebt doch nur einmal“. So ähnlich hat das auch Martin Wilms gesagt: Man könne die Menschen nicht wieder nach Hause schicken und enttäuschen „...und am Ende hat man gar nicht gelebt“. Diana und ihre Freundin Simone, die jedes Jahr zu Altweiber aus Magdeburg kommt, wollen ihren Optimismus nicht verlieren, obwohl sie die Situation „wirklich bitter“ finden. Wenn sie jetzt keinen Spaß mehr hätten: „Damit kannst du leider auch nichts ändern.“ Also feiern sie in diesem Jahr: „Karneval, wie es hätte sein können.“
In Köln sagen sie am Nachmittag das Rosenmontagsfest und den geplanten Zug durch das Stadion ab.